Historische Spurensuche im Rhein-Sieg-Kreis Heimatblätter widmen sich stummen Zeugen einer Zeit

Siegburg · Ob Siegburger Autobahnraststätte, Eitorfer Theater am Park oder die Autobahnbrücke in Ägiedienberg – sie alle sind in der Zeit der Nationalsozialisten entstanden. Deren Bauten ist einer der Aufsätze in den neuen Heimatblättern für den Rhein-Sieg-Kreis gewidmet. Bei ihren Recherchen stieß die Autorin auf Mauern aus Beton.

 Die neuen Heimatblätter präsentieren Jan Gerull (v.l.), Stefan Rosemann, Jens Kröger, Franz König, Elisabeth Knauer und Claudia Arndt. 

Die neuen Heimatblätter präsentieren Jan Gerull (v.l.), Stefan Rosemann, Jens Kröger, Franz König, Elisabeth Knauer und Claudia Arndt. 

Geschichte hinterlässt Spuren in Sprache, Architektur und Kultur. Diese Spuren sind sichtbar und mitunter unsichtbar. Sie können als stumme Zeugen einer verarbeiteten oder auch noch nicht verarbeiteten Historie betrachtet werden. Dieser faszinierenden Spurensuche widmet sich der Geschichts- und Altertumsverein (GAV) für Siegburg und den Rhein-Sieg-Kreis. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der Region zu dokumentieren und in Form einer Aufsatzsammlung als Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises herauszugeben. Soeben ist deren 88. Jahrgang erschienen. Jan Gerull, Stadtarchivar und Vorsitzender des GAV, stellte jetzt zusammen mit Kreisarchivarin Claudia Arndt die 178 Seiten umfassende Neuerscheinung vor.

Die Herausgeber machten dabei einen Streifzug durch die Sammlung, die sich großräumig über das Kreisgebiet verteilt und mit ihren Themen auf nicht nur lokales Interesse stoßen dürfte. So etwa befasst sich Hans Warning mit den britischen und französischen Besatzungs-Soldaten in Siegburg. Marianne Viechtbauer spürt einem Ausspruch aus der Straßfelder Bevölkerung nach, wonach es heißt: „Mie senn esu alt wie Kölle“. Danach lägen die Ursprünge ihres Dorfes in der damaligen karolingischen Pfalz Nimwegen in der Römerzeit.

30 Jahre Siegurger Stadtmuseum

Dietmar Pertz schreibt einen Aufsatz zur ersten evangelischen Kirche in Rheinbach und beschreibt die Geschichte der Notkirche am Bungert. Und Jan Gerull hat sich selbst mit der 30-jährigen Geschichte des Stadtmuseums Siegburg befasst und unter anderem aus Niederschriften der Kulturausschuss-Sitzungen interessante Informationen zum Museumsbestand und der Konzeption und Umsetzung des Kultur-Hauses gefunden. Neu war ihm selbst die Erkenntnis, dass es erst eines Erweiterungsbaus des Finanzamtes bedurfte, um den Beamten eine Alternative zu ihren Büros im Haus am Markt zu bieten.

 Blick in die Vergangenheit: Die Siegburger Kaiserstraße „Rue de Kaiser" in den 1920er Jahren, von der Goldenen Ecke gesehen.

Blick in die Vergangenheit: Die Siegburger Kaiserstraße „Rue de Kaiser" in den 1920er Jahren, von der Goldenen Ecke gesehen.

Foto: Bild / Repro: haa / Kreisarchiv

Auf einen zentralen und laut Gerull „besonders spannenden“ Beitrag, lenkte der Herausgeber dann den Fokus. Die bei der Buchvorstellung anwesende Autorin Elisabeth Knauer hat sich auf die Suche nach Bauten aus der nationalsozialistischen Zeit in der Siegregion gemacht. Mit geschultem Auge wurde sie vielerorts fündig. Das Theater am Park in Eitorf, die Siegburger Autobahnraststätte und etliche Brückenbauwerke, wie etwa die 1938 als „Westerwälder Tor“ fertiggestellte Autobahnüberführung bei Aegidienberg. Auch die Thingstätte bei Herchen und das ehemalige Kraft-durch-Freude-Haus in Waldbröl, in dem sich heute das buddhistische Institut Waldbröl befindet.

Architekturgeschichtliche Auseinandersetzung

Diese stummen Zeugen der Zeit des Nationalsozialismus erfuhren nun durch Knauer eine intensive architekturgeschichtliche Auseinandersetzung. Unter dem Titel ,,Was vom ‚1000-jährigen Reich’ übrigblieb“ werden sie ausführlich behandelt. Knauer bemerkt, dass sie ihren Text auch „Es ist noch nicht vorbei“ hätte nennen können. Das erklärt die Hennefer Architektur- und Kunsthistorikerin mit Blick auf den Umgang der Nachkommen mit der Vergangenheit. „Manche wissen gar nicht, welche Nutzung ihr ehemaliges Schulgebäude früher hatte oder was der eigene Großvater damit zu tun hatte“, sagt sie.

„Familien distanzieren sich häufig von diesem Thema, man will sich nicht zu diesem Teil der Familiengeschichte äußern.“ So stieß Knauer bei ihrer Recherche „immer wieder auf Betonmauern.“ Beeindruckt zeigt sich die Historikerin indes von den Mitgliedern der buddhistischen Ordensgemeinschaft in Waldbröl, die dem bösen Geist der Vergangenheit mit einem Reinigungsritual entgegen traten. „Manche internationalen Gäste wollen das Haus jedoch bis heute nicht betreten.“

So appelliert Knauer an einen informierten Umgang mit der Geschichte. Man dürfe etwa auch sagen, dass die Brücken aus dieser Zeit „schön sind und bodenständig geplant waren und eine bis heute hohe Bauqualität besitzen“, sagt Knauer, „nur muss man im gleichen Zuge erwähnen, dass sie von Steinbrucharbeitern aus den KZs gebaut wurden. Man muss das Ganze verstehen lernen und darf es nicht verdrängen.“

Die Heimatblätter sind zum Preis von 12 Euro erhältlich im Buchhandel, im Siegburger Stadtmuseum und per E-Mail an gav@siegburg.de über den Geschichts- und Altertumsverein.

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