Unterbringung auf dem Michaelsberg „Siegburg hilft“ ist auch für Geflüchtete im Einsatz

Siegburg · Seit mehr als zwei Jahren engagiert sich „Siegburg hilft“ für Obdachlose. Als die ersten Geflüchteten aus der Ukraine am Foodtruck des Vereins standen, weitete der sein Engagement aus.

 Katarina, Axana und Vitali (links von vorne) freuen sich über Lebensmittel, die ihnen Angela Holtmann, Teresa Schuhl und Ehemann Kevin (rechts von vorne) anbieten.

Katarina, Axana und Vitali (links von vorne) freuen sich über Lebensmittel, die ihnen Angela Holtmann, Teresa Schuhl und Ehemann Kevin (rechts von vorne) anbieten.

Foto: Paul Kieras

Das Telefon von Angela Holtmann steht kaum still. Die Siegburgerin ist derzeit an allen Fronten gefragt. „Wir sind da einfach reingerutscht“, sagt die Frau, die sich seit mehr als zwei Jahren für Obdachlose in Siegburg engagiert, inzwischen mit dem Verein „Siegburg hilft“. Zweimal in der Woche geben sie und ihre Mitstreiter an ihrem Foodtruck an der Frankfurter Straße Essen aus, aber auch Kleidung, Hygieneartikel und was sonst noch gebraucht wird. Als dort die erste ukrainische Familie vor ihr stand, war für Holtmann klar, dass sie helfen muss. Inzwischen unterstützen sie und ihr Verein gleich mehrere Familien, die aus der Ukraine geflüchtet sind, mit Rat und Tat, mit Kleidung, Schulausstattung – und auch mit einer Unterkunft.

Katarina ist eine der Frauen, die auf die Hilfe des Vereins bauen kann. Die 43-Jährige lächelt, obwohl ihr eigentlich nicht danach zumute ist. „Wir sind berührt von der Herzlichkeit, mit der wir hier empfangen wurden“, sagt sie und fügt hinzu, ohne die Hilfsbereitschaft der Menschen sei die Situation nicht zu ertragen. Mit ihrer 15-jährigen Tochter flüchtete sie aus Nikolajew, einer Stadt rund 130 Kilometer von der Hafenstadt Odessa entfernt. Ihr Mann kämpft an der Front, der minderjährige Sohn hilft bei der Versorgung der Soldaten. „Es ist für die Männer Motivation, wenn sie wissen, dass wir Frauen in Sicherheit sind“, berichtet sie. Dass es überhaupt zu einem Krieg kommen könnte, hat sie niemals für möglich gehalten.

Mit den beiden sind auch Axana (44) und Vitali (52) geflüchtet. Vitali ist gebürtiger Belarusse und somit nicht wehrpflichtig. Axanas 76 Jahre alte Mutter ist in Nikolajew geblieben. Wie viele Mütter, die laut Axana „bei den Söhnen bleiben wollen“. Sie schildert die Lage in ihrer Heimatstadt als so „grausam“, wie sie es sich nicht habe vorstellen können. Die Geräusche von Gewehren, einschlagenden Bomben und Tieffliegern hat sie immer noch im Ohr. Gebäude liegen nach ihren Worten durch schwere Angriffe in Schutt und Asche, Bahngleise würden systematisch bombardiert, um Nachschubwege zu zerstören.

Der Weg nach Siegburg führte sie von Polen zuerst in eine Flüchtlingseinrichtung in der niedersächsischen Stadt Bramsche. Dort startete Katarina einen Hilferuf auf Facebook, auf den Teresa Schuhl aufmerksam wurde. Die gebürtige Russin, die in Neunkirchen-Seelscheid lebt, beschloss zu helfen, arbeitet mit „Siegburg hilft“ zusammen und dolmetscht. Sie beschreibt die geflüchteten Ukrainer als „unendlich dankbar“ für die Unterstützung, weiß aber auch, dass die in ihre Heimat zurückwollen, sobald der Krieg vorbei ist.

 Die Spitze der Siegburger Abteikirche strahlt in den Farben der Ukraine. Der Verein „Siegburg hilft“ bringt nun in den Gästezimmern des „Anno 17“ ukrainische Geflüchtete unter.

Die Spitze der Siegburger Abteikirche strahlt in den Farben der Ukraine. Der Verein „Siegburg hilft“ bringt nun in den Gästezimmern des „Anno 17“ ukrainische Geflüchtete unter.

Foto: Sandra Rösgen

Eben diese Dankbarkeit treibt auch Angela Holtmann an, immer weiterzumachen. Und auch etwas anderes: „Mich bewegt, wie die Menschen sich engagieren.“ Von vielen Seiten erfahre sie Unterstützung. Da ist etwa der Frauenarzt, der sich Zeit für eine schwangere Ukrainerin genommen hat. Via Facebook habe sie in Windeseile ein Smartphone bekommen für eine 15-Jährige, die ihres während der Flucht verloren hatte. Im Nebenraum ihres Zulassungsdienstes stehen zwei Gitarren. „Die sind für einen Ukrainer, der in der Kirche damit spielen möchte“, sagt sie. Das Restaurant „Kapellchen“ serviere den Geflüchteten jeden Mittag ein Essen, ihr Verein müsse dafür nur den Selbstkostenpreis aufbringen. Zwei Familien hat Holtmann in Siegburger Hotels, eine weitere in einer Ferienwohnung unterbringen können. Die VR-Bank habe ihr zudem Studentenzimmer für „ihre“ Geflüchteten angeboten.

Um noch mehr helfen zu können, ist sie aber auch selbst aktiv geworden. „Die Abteikirche leuchtet jeden Abend in den ukrainischen Farben“, sagt sie. Deswegen habe sie beim dort beheimateten Katholisch-Sozialen Institut (KSI) spontan angefragt, ob sie nicht helfen wollen – und sofort eine positive Rückmeldung erhalten. Nachdem auch das Erzbistum Köln zugestimmt hat und letzte baurechtliche Hürden ausgeräumt sind, stehen ihrem Verein nun die zwölf neu eingerichteten Gästezimmer im „Anno 17“ zur Verfügung. „Die ersten beiden Frauen mit ihren Kindern sind schon eingezogen“, sagt Holtmann. Und die nächsten seien schon unterwegs.

Wer „Siegburg hilft“ unterstützen möchte, findet mehr Informationen auf www.siegburg-hilft.org.

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