Vortrag im Haus der Bildung Als die Altstadtsanierung Bad Godesberg veränderte

Bad Godesberg · Im Haus der Bildung sprach Martin Bredenbeck vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zum Thema Altstadtsanierung. Ein Vorgang, der in 1960er- und 1970er-Jahre auch seine deutlichen Spuren in Bad Godesberg hinterlassen hat.

Das Altstadtcenter Bad Godesberg entworfen vom Kölner Stararchitekten Gottfried Böhm.

Das Altstadtcenter Bad Godesberg entworfen vom Kölner Stararchitekten Gottfried Böhm.

Foto: Stefan Knopp

Das Gasthaus Aennchen als Baudenkmal? Das kleine Häuschen war schon damals, bevor es abgerissen und an anderer Stelle neu errichtet wurde, kein Fall für den Denkmalschutz. Es zu versetzen war ein Kompromiss, um die wütenden Godesberger zu besänftigen, sagte Martin Bredenbeck vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland. Diskussionen um das traditionsreiche Haus gibt es schon seit einiger Zeit, erst im November war es Thema bei den „Godesberger Gesprächen“ des Theaters Bonn und der Godesberger katholischen Gemeinden.

Denkmalstatus wäre Zeichen für Umgang mit historischer Bausubstanz

Dem Aennchen jetzt den Denkmalstatus zu verpassen hält Bredenbeck dennoch für angemessen, als Beispiel „für den Umgang mit historischer Bausubstanz in den 70ern“, wie er bei einem Vortrag im Haus der Bildung erklärte. Dorthin hatten ihn die Volkshochschule und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz eingeladen, um über das Thema Altstadtsanierung zu sprechen. Den Gedanken den Denkmalstatus für das Aennchen zu vergeben, hatte Bredenbeck bereits im vergangenen Jahr, wie er dem GA damals in einem Gespräch erklärte.

Falls der Aennchen-Nachbau zu einem Denkmal erklärt würde: Müsste die Stadt dann auf eine gesetzlich geforderte „sinnvolle Nutzung“ hinwirken? „Die Erhaltung klappt am besten, wenn sich alle Beteiligten einig sind“, antwortete Bredenbeck dem GA damals. „Eine besondere Rolle spielt dabei der Eigentümer. Die Stadt kann ihn unterstützen. Wie weit sie ihn zwingen kann, wäre zu klären.“ Wie berichtet ist es schwierig an den aktuellen Eigentümer heranzukommen. Die auf dem Briefkasten am Aennchenplatz 2 genannte Sanus Investment GmbH ist aufgelöst, eine weitere Firma, die dort genannt wird, ist nicht erreichbar. Vom städtischen Presseamt war im November zu erfahren, dass das Bauordnungsamt zwar am 4. März 2021 die drei Jahre gültige Genehmigung für den gewünschten Gaststättenumbau erteilt habe, passiert sei aber nichts.

In Bad Godesberg begann die Altstadtsanierung in 1960er-Jahren

In Bad Godesberg begann die Altstadtsanierung in den 1960er-Jahren. Bonn als Regierungssitz zog viele Angestellte auch nach Bad Godesberg, was zu viel Verkehr in den engen Gassen führte. „Bad Godesberg ist von der rasanten Verkehrsentwicklung im 20. Jahrhundert schlichtweg überfahren worden“, so Bredenbeck rückblickend.

Es folgte der klotzartige Bau des Hertie-Warenhauses am Fronhof (wo sich heute die Fronhofer Galeria befindet) aber mit modernen „Zickzack“-Gebäuden im Umfeld. „Das war der Versuch, vom linearen Städtebau der Nazizeit wegzukommen.“ Dafür wurde großflächig abgerissen. In den 1970er-Jahren gab es Bredenbeck zufolge aber ein Umdenken: „Einem immer breiteren Teil der Gesellschaft erschienen die Abbrüche als Verluste, die Neubauten als Sünden“. Ein Begriff aus der NS-Zeit. Stattdessen wurde der Autoverkehr in der Stadt immer wichtiger, was sich auch an der Verbreiterung und Begradigung der Burgstraße bemerkbar machte – für die das Aennchen schließlich weichen musste.

1974 wurde das Aennchen-Center geplant

 Martin Bredenbeck vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland während seines Vortrages im Haus der Bildung.

Martin Bredenbeck vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland während seines Vortrages im Haus der Bildung.

Foto: Stefan Knopp

Gleichzeitig errichtete der international bekannte Architekt Gottfried Böhm das Altstadt-Center: ein Treppenaufgang mit Rampen und einem Bachlauf in der Mitte, schicken Laternen, Gauben, kleinteilige Parzellierung – eine Gestaltung als „Podest für die Godesburg“, so Bredenbeck. Inzwischen müsse man auch solche Bauten aus Denkmalschutzsicht in den Blick nehmen, sagte er.

Ab 1974 plante Dirk Denninger das Aennchen-Center: kleingliedrige senkrechte Strukturen, bunt gestaltet mit Graffiti-Optik, Verschieferung, Bauschmuck und Zierrat aus Glasfaserverstärktem Kunststoff. Darunter ein Arkadengang mit Ziersäulen und Vitrinen als Abgrenzung zur Burgstraße – ein Bauwerk, auf das die damalige Bundeshauptstadt stolz war.

„Es ist interessant, weil es zeigt, wie sich in den 70er-Jahren die Leitbilder verändern“, so Bredenbeck. Außerdem demonstriere diese Umgestaltung, dass Altstadtsanierungen immer auch ein zweckgerichtetes Produkt von Menschenhand ist.

Wohin die Reise heute geht, ist nicht klar

So diente die Sanierung der Inneren Nordstadt, der heutigen Altstadt, vor allem der Aufwertung dieses Viertels. Interessante Verschiebung: 1979 glänzte das Stadthaus neben dem verlotterten Wohngebiet, heute strahlt die Altstadt mit schönen Fassaden, Gestaltung im öffentlichen Bereich und Kirschblüte neben dem maroden Verwaltungshochhaus.

Wohin die Reise geht, konnte Bredenbeck nicht sagen. Heute würden die Bonner noch in der Begeisterung für das 19. Jahrhundert und den Umgang damit in den 1980er-Jahren leben. Man solle aber die Werke der 1960er-Jahre nicht verteufeln. „Die Denkmalpflege hilft dabei, auch deren Werte zu verdeutlichen.“

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