KAS-Projekt Wie Bonner Friedensarbeit in Nordfrankreich betreiben

Chattancourt/Bad Godesberg/Wachtberg · Auf einer nordfranzösischen Anhöhe haben Christian Winkler aus Bad Godesberg und Stephan Teschner aus Wachtberg ein Arbeitswochenende verbracht. Ziel des Projekts der Konrad-Adenauer-Stiftung: an das massenhafte Sterben im Ersten Weltkrieg zu erinnern.

Erinnerungsarbeit an die Schrecken des Ersten Weltkrieges: Philipp Lerch (hinten rechts), Christian Winkler (rechts), Stefan Teschner (unten) und Markus Klauser im Einsatz.

Erinnerungsarbeit an die Schrecken des Ersten Weltkrieges: Philipp Lerch (hinten rechts), Christian Winkler (rechts), Stefan Teschner (unten) und Markus Klauser im Einsatz.

Foto: Axel Vogel

Mitten in einem Waldstück auf einer geschichtsträchtigen Anhöhe nahe des nordfranzösischen Dorfs Chattancourt drehte sich am Wochenende ein Betonmischer.  Auf dem Waldweg standen Zelte, ein Notstromaggregat, Werkzeug, Zementsäcke und Kies. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)  hatte es sich im Rahmen eines Seminars zum Thema „Nie wieder Verdun?“ zum Ziel gesetzt, auf der im Ersten Weltkrieg bitter umkämpften Anhöhe Toter Mann ein Stück Unterwelt aus dem mörderischen Stellungskrieg erkennbar zu machen und dauerhaft zu sichern.

„Mit unserer Gedenkarbeit erhalten wir der Nachwelt ein mahnendes Relikt aus der Knochenmühle von Verdun, die 300 Tage lang alle 45 Sekunden ein deutsches oder französisches Opfer gefordert hat“, brachte es Philipp Lerch, Landesbeauftragter der KAS und Leiter des Politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz, auf den Punkt. Er hatte Deutsche und Franzosen zu dem gemeinsamen Erinnerungsprojekt mit Vorträgen, Diskussionen und Arbeitseinsätzen eingeladen.

Gekommen waren unter anderem der gebürtige Bad Godesberger Christian Winkler sowie der Wachtberger Stephan Teschner. Sie opferten an dem Wochenende ihre Freizeit, brachten sich aktiv ein und traten am Sonntag erfüllt die Heimreise an.

Eigentlich ist das Tagewerk von Christian Winkler, der seit 15 Jahren in der Schweiz lebt, ausgefüllt. Der 40-Jährige hat sich als Risikokapitalgeber für Start-ups selbstständig gemacht. Doch statt mit Investoren zu verhandeln oder für sein Aufforstungsprojekt in Subsahara-Afrika zu recherchieren, stand er in Arbeitskleidung auf dem Toten Mann.

Gemeinsam mit anderen Deutschen und Franzosen verfüllte er eine im Wald errichtete Holzverschalung. Der 43 Jahre alte Teschner hatte die Federführung bei den Arbeiten. Als Familienvater und Banker verfügt er über beachtliches handwerkliches Know-How. Auch der Direktor des Gebeinhauses von Douaumont Olivier Gérard und seine Frau Élisa arbeiteten mit, und diskutierten mit den Seminarteilnehmern über Krieg und Frieden. Gérard half sogar ganz unprätentiös und fast schon symbolhaft für deutsch-französischen Freundschaft vor Ort mit Eisenstangen aus, die fehlten.

Bei den mit den französischen Behörden abgestimmten Arbeiten ging es darum, einen durch Absenkungen wieder aufgebrochenen Zugang zum ehemaligen Bismarck-Tunnel, einem Verbindungs- und Schutztunnel der deutschen Truppen in Frontnähe, mit einer Betoneinfassung und Gitterstäben zu verschließen. Der Erinnerungswert der gesicherten unterirdischen Anlage ist aus Sicht von Philipp Lerch hoch: „Sie verdeutlicht die leidvollen Anstrengungen der Soldaten und die Dimensionen, mit denen hier Stellungskrieg geführt wurde.“ Er will den Toten Mann mehr in die Erinnerungskultur und den Anschauungsunterricht für künftige Generationen einbeziehen: „Dieser lange vergessene Schauplatz der Schlacht mahnt zum Einsatz für Freiheit und Frieden. Einmal mehr nach der russischen Invasion, wo sich in Europa wieder Soldaten in Schützengräben gegenüber liegen.“

Bereits 2017 hatte die KAS auf der einst umkämpften Anhöhe einen zwei Kilometer langen Gedenkweg mit zehn Informationstafeln angelegt. Eine ist explizit Tunneln unter der Anhöhe gewidmet.

Geschichtsunterricht und körperliche Arbeit

Seit Christian Winkler vor Jahren erste Einblicke in das opferreiche Stück deutsch-französischer Geschichte erhielt, hat er mehrfach bei Lerchs Verdun-Seminaren zur Politischen Bildung teilgenommen. „Mich fasziniert diese Kombination von Lernen und Leisten, das Miteinander von Geschichtsunterricht und körperlicher Arbeit“, so Winkler.

Stephan Teschner versteht seinen Wochenendeinsatz in Nordfrankreich als aktiven Friedensdienst: „Ich wusste aus meiner Schulzeit praktisch nichts über den Ersten Weltkrieg.“ Über seinen Bonner Freundeskreis sei er auf das Erinnerungsprojekt am Toten Mann aufmerksam geworden und mit Begeisterung dabei: „Es ist wichtig, dass dieses tausendfache Sterben im Schlamm der Schützengräben nicht in Vergessenheit gerät. Was hier passiert ist, kann sich unsere Wohlstandgesellschaft gar nicht mehr vorstellen.“ Mitstreiter Christian Winkler gibt ihm recht. Aber er sagt: „Wenn wir jetzt nach Hause kommen, wird jeder von uns zu einem Multiplikator für das Erinnern.“

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