Festival "Godesberg liest" Umstritten - Kunstfälscherpaar Helene und Wolfgang Beltracchi zu Gast

BAD GODESBERG · Wolfgang Beltracchi ist ein sehr guter Beobachter. Er kann Stimmungen und Zwischentöne, Farben und Gerüche genau wiedergeben, ihm entgeht kein Detail. Das grenzt an Besessenheit und macht ihn zu einem skandalumwitterten Kunstfälscher wie zu einem unterhaltsamen Erzähler.

 Zu Gast bei "Godesberg liest" in der Druckerei "Happy Printer": Helene und Wolfgang Beltracchi haben eine Autobiografie und ihren Briefwechsel aus dem Gefängnis veröffentlicht.

Zu Gast bei "Godesberg liest" in der Druckerei "Happy Printer": Helene und Wolfgang Beltracchi haben eine Autobiografie und ihren Briefwechsel aus dem Gefängnis veröffentlicht.

Foto: Horst Müller

"Lenken Sie ihr Talent in legale Bahnen", hatte ihm der Richter am Ende des Kölner Betrugsprozesses mit auf den Weg gegeben. Das macht Beltracchi nun, im offenen Vollzug der JVA Euskirchen. Mit seiner Frau Helene hat er zwei Bücher verfasst, die Autobiografie "Selbstporträt" und den Gefängnis-Briefwechsel "Einschluss mit Engel".

Das Ehepaar war Samstagabend zu Gast beim Literaturfestival "Godesberg liest". Es saß zwischen Farbdosen, Papierregalen und Maschinen in der Druckerei "Happy Printer" an der Bonner Straße - ein Ort, der wie geschaffen ist für einen Abend über Original und Fälschung, Vorlage und Kopie.

Die Beltracchis sind umstritten. Sind ihre Buchprojekte der Versuch, aus Verbrechen Kapital zu schlagen oder ehrliche Arbeit, um die Gläubiger zu bedienen? Ist der Maler ein genialer Künstler oder ein Hochstapler, der lediglich die richtigen Schablonen und Fragmente zusammengefügt hat?

Und wäre er nicht moralisch verpflichtet zu verraten, in welchen Museen Fälschungen von ihm hängen, die bisher nicht entdeckt wurden? "Warum glauben Sie, dass Ihnen eine so große Sympathie entgegenschlägt?", wollte eine Zuhörerin in der brechend vollen Werkstatt von "Happy Printer" wissen.

"Ich glaube, dass ich in erster Linie ein ehrlicher Mensch bin." Lacher aus dem Publikum. "Ich habe in meinem Leben nie etwas Krummes gemacht, außer Bilder gefälscht", antwortete der 63-Jährige. Die Sympathie komme aber vor allem aus dem Volk, die elitäre Kunstszene hasse ihn wirklich.

Die Bad Godesberger Lesung war eine Premiere. Zur Vorbereitung hatten die Autoren "echt viele Zettel" in die Seiten geklemmt, dann fing Wolfgang Beltracchi einfach hinten an. Im Kapitel "Das Gericht der Bilder" schildert er anschaulich eine Fahrt im Gefangenentransporter, als er nach 14 Monaten Untersuchungshaft ("es war die Hölle") durch einen schmalen Schlitz wieder das normale Leben an sich vorbeifliegen sah.

Gleichzeitig schweifen die Gedanken ins Museum, wo Kiki de Montparnasse - Muse und Modell vieler Maler - aus dem Rahmen zu ihm spricht. "Wenn wir in Museen waren, dann hab ich schon mal meine Kinder wiedergesehen. Das war manchmal ein bisschen unheimlich, ich habe immer Abstand gehalten", erzählte Beltracchi. Seine Frau Helene las die Geschichte, wie sie aus einer plötzlichen Angst heraus in Paris versuchte, einen gefälschten Matisse loszuwerden und ihn schließlich bei einem schlafenden Clochard aussetzte.

"Wir haben längere Zeit die Schlagzeilen beobachtet, aber wir haben das Bild nicht mehr wiedergesehen. Da hab ich dann ein Neues gemalt", sagte Wolfgang Beltracchi lakonisch, mit einem leicht verschlafenen Unterton. Der ist offenbar typisch, auch wenn er nicht gerade eine Nacht beim Deutschen Filmpreis in Berlin hinter sich hat, wo "Beltracchi - Die Kunst der Fälschung" als Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde.

Sternstunde der Lesung war die Beschreibung eines Besuchs bei Joseph Beuys. Der "schamanenhafte, ausgezehrte Mann" wirkte auf Beltracchi "in sich gekehrt und ergriffen von seiner eigenen Person". Malen konnte er dort nicht lernen. "Beuys suchte keine Schüler, er suchte Jünger." Heute sagt der Fälscher von sich: "Ich kann auf jeden Fall jeden malen. Cranach, Rembrandt, Dürer." Ist das nun Hybris oder perfektes Handwerk? "Maler früherer Zeit haben meine Sicht auf die Welt geprägt.

Sie klingen in mir nach", sagt der Mann, dem ein eigener Stil nicht wichtig ist. Aufgeflogen sei er "durch Faulheit": Experten entdeckten im "Roten Bild mit Pferd" von Heinrich Campendonk Titanweiß aus einer Fertigmischung und kamen so auf die Spur des Fälschers. Ob er es wieder machen würde, wurde er in Bad Godesberg gefragt. Darauf hatte Beltracchi zwei Antworten: "Auf keinen Fall" oder "Niemals mehr Titanweiß verwenden". Welche echt ist, weiß nur er selbst. Wie bei den Bildern.

Der Kunstfälscher-Prozess

Am 27. Oktober 2011 wurde Wolfgang Beltracchi vor dem Kölner Landgericht wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt, seine Frau Helene zu vier Jahren, Komplize Otto Schulte-Kellinghaus bekam fünf Jahre Haft.

Es war weltweit einer der größten Kunstfälscher-Prozesse seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Beltracchi hatte jahrzehntelang Bilder im Stile bekannter Maler wie Heinrich Campendonk, Max Ernst und Max Pechstein gemalt und an Kunsthändler und Auktionshäuser verkauft.

Im Prozess, der nach neun Tagen beendet war, waren lediglich 14 Fälle angeklagt, rund 60 Fälschungen sind bekannt. Wolfgang Beltracchi muss Schadensersatz zahlen. Die Eheleute durchlaufen zurzeit ein Insolvenzverfahren.

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