Erneut Lebenslänglich wegen Mordes an Kindergärtnerin

Nach dem Urteil: Bekannter des Verurteilten fährt vor dem Gericht auf die Angehörigen des Opfers zu

Erneut Lebenslänglich wegen Mordes an Kindergärtnerin
Foto: Roland Kohls

Bonn. Der Erleichterung über das erneute Lebenslänglich für den Mörder der am 8. August 2007 in Wachtberg getöteten Sandra H. folgt für deren Angehörigen der Schock: Als sie nach dem Urteil noch alle vor dem Gerichtsgebäude zusammen stehen, steuert der Freund der Tochter des Angeklagten plötzlich sein Auto auf den Bürgersteig und auf sie zu.

Augenzeugen zufolge müssen sich mehrere Familienmitglieder mit einem Sprung auf die Gerichtstreppe in Sicherheit bringen, bevor der Mann den Wagen ein Stück zurücksetzt, aus dem Auto springt und drohend auf die Familie zukommt.

Justizwachtmeister alarmieren die Polizei und halten den Mann bis zum Eintreffen der Beamten fest. Der 22-Jährige wird ins Polizeipräsidium gebracht, wo Kripobeamte die Ermittlungen übernehmen und die Staatsanwaltschaft zunächst wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts einschalten.

Wie die Polizei am Abend mitteilt, wird nun gegen den 22-Jährigen wegen Bedrohung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Verletzt ist zwar niemand, aber die durch den Mord und zwei Prozesse ohnehin stark belasteten Angehörigen sind völlig geschockt.

Wie sehr der Mord an der 32-jährigen Kindergärtnerin nicht nur deren Eltern, sondern die ganze Familie traumatisierte, verdeutlicht Richter Josef Janßen, Vorsitzender der 1. Großen Strafkammer, die den Fall auf die erfolgreiche Revision des Angeklagten hin noch einmal neu aufrollen musste, im voll besetzten Saal.

Während der Urteilsspruch bei Sandras Familie Tränen der Erleichterung hervorruft, sind die Frau des Angeklagten, seine Tochter und deren Freund sichtlich erbost. Der 44-jährige Helmut B., der mit einer milderen Strafe wegen Totschlags gerechnet hatte, blickt grimmig vor sich hin.

Wie sehr Gewalt das Leben des Angeklagten bestimmte, erläutert Janßen im Urteil: Helmut B., der beruflich mit allem scheiterte, fiel ständig durch Straftaten auf. Von 20 Vorstrafen waren viele von Gewalt geprägt, und einige zeigen, so der Richter, deutlich die Haltung gegenüber Frauen, die zu gehorchen hätten.

So habe Helmut B. eine frühere Freundin zur Prostitution gezwungen und sie anschließend an einen Zuhälter verkauft. Sein geringes Selbstwertgefühl habe er mit Kampfsport und Bodybuilding versucht zu kaschieren.

Als er 2005 Sandra H. kennenlernte, war er gerade aus dem Knast entlassen - und sah laut Janßen aus wie ein Schläger. Dass sich die beliebte und als stets freundlich und sanft beschriebene Kindergärtnerin auf ihn eingelassen habe, sei wohl nur zu erklären durch ihren festen Glauben in das Gute in jedem Menschen - auch in Helmut B., vor dem alle sie warnten.

Und tatsächlich zeigte der 44-Jährige mit der Zeit sein wahres Gesicht: Als Sandra H. nicht mehr zufrieden war mit ihrer Rolle als Nebenfrau, begann ihr Albtraum. Helmut B., der trotz Trennung an seiner Frau festhielt, kontrollierte Sandra H., wo sie ging und stand. Er erlaubte ihr kaum, ihre Familie und Freunde zu sehen, schlug sie, und als sie ihn endlich doch verließ, verfolgte er sie, schlug sie zusammen und drohte, sie und ihre Familie zu töten.

Für die Kammer steht fest: Als Helmut B. erkannte, dass sie ihn endgültig verlassen und einen neuen Freund hatte, beschloss er, sie umzubringen nach dem Motto: Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie auch kein anderer haben. Und diesen Plan habe er zielgerichtet am 8. August 2007 umgesetzt, als er ihr am Kindergarten auflauerte, ihr zum Haus ihres Freundes folgte und sie vor der Tür packte, mit einem Kampfmesser in der Hand.

Mit dem, so der Richter, wollte er erst sie und dann sich töten. Als ihr Freund ihr zu Hilfe eilte, habe er den nur als Störung für seinen Plan empfunden, ihm das Messer durch das Gesicht gezogen und ihn zur Seite geschleudert. Dann habe er Sandra ins Haus gezerrt und seinen Plan vollendet: Er tötete sie mit mehreren Stichen, stach sich dann selbst das Messer in Bauch und Hals und überlebte nur knapp.

Doch dieser Selbstmordversuch, so der Richter, spreche nicht gegen den niedrigen Beweggrund des überzogenen Besitzdenkens. "Der Angeklagte hat das Opfer wie einen Gegenstand behandelt, dessen man sich entledigen kann. Sie hat stets alles getan, um es ihm Recht zu machen, und er hat sie behandelt wie ein Stück Dreck."

Wenn er ohne sie nicht mehr leben wollte, hätte er tun können, was er zuvor überlegt hatte: auswandern oder sich umbringen. Aber dann hätte sie gelebt und einen anderen gehabt. "Sie zu töten, bevor er sich selbst umbringt, war seine einzige Gewähr dafür, dass kein anderer sie bekam."

Deshalb ist das Gericht sicher: "In Wahrheit ist ihre Tötung der letzte Ausdruck seines unbedingten Besitzwillens." Und das stehe auf moralisch tiefster Stufe und sei Mord. Dass der Angeklagte beteuert hatte, im Affekt gehandelt zu haben, weil sie ihn beleidigt habe, ist für das Gericht nun eine reine Schutzbehauptung, um ein Lebenslänglich wegen Mordes zu verhindern. Verteidiger Uwe Krechel kündigt erneut Revision an.

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