Grandiose Stimmung beim "Talk im Stiefel"

Zum Abschied von Wolfgang Zimmer kamen mit Rainer Pause, Hans Meiser und Grit de Boer Gäste, die viel zu erzählen hatten.

 Beim letzten Talk im Stiefel fragt Moderator Wolfgang Zimmer die Leiterin der Bonner Bahnhofsmission Grit de Boer.

Beim letzten Talk im Stiefel fragt Moderator Wolfgang Zimmer die Leiterin der Bonner Bahnhofsmission Grit de Boer.

Foto: Volker Lannert

BONN. Er hatte den Oberbürgermeister da und die Politesse aus der Nachbarschaft. Moderator Wolfgang Zimmer bekam sie alle für seinen "Talk im Stiefel". Die lokalen Gesprächspartner gingen gerne hin, weil sie zwar "ausgefragt", aber nicht "verhört" wurden. Das Publikum honorierte es auch bei der letzten Veranstaltung am Montagabend, bei der kein Platz frei blieb.

Zumal zum Abschied drei Gäste gekommen waren, die viel zu erzählen hatten: der Bonner Kabarettist Rainer Pause, TV-Urgestein Hans Meiser aus Hennef und die Leiterin der Bahnhofsmission Grit de Boer.

Die witzige Seite von Rainer Pause und seiner Bühnenfigur Fritz Litzmann kennt jeder, der schon mal im "Pantheon"war. Dass es dauerte, bis er damit im Reinen war, erzählte er Zimmer: An der Uni hätten sie ihn nie ernst genommen.

"Und je ernster ich auf der Bühne sein wollte, desto mehr lachten die Leute." Als die Stadtväter vor mehr als 30 Jahren das städtische Kulturforum im Bonn-Center schließen wollten, weil es so runtergewirtschaftet war, sei er im Kulturausschuss aufgestanden und habe gesagt: "Dann mache ich es eben selbst."

Eine vorzeitige Erbschaft habe er in das Projekt gesteckt. "Und es wäre gefloppt, wenn wir nicht auch Disko gemacht hätten. Ohne die hätten wir jedes Jahr 200 000 Euro Miese gemacht." Pause brach auch eine Lanze für den Standort Bonn: Er kenne keine Stadt, die zwei bundesweit so bekannte Kabaretts wie das "Pantheon" und die "Springmaus" habe.

"Hier in Bonn tritt jeder bekannte Satirekünstler auf. Wo gibt es das sonst noch außer vielleicht in Berlin?" Ach ja, ein kleines Geheimnis verriet der 64-Jährige dann doch noch: Er schlafe dann und wann im Theater ein. "Da ist es so schön warm, dunkel und gemütlich."

TV-Studios hat Hans Meiser zur Genüge gesehen, meist hat er seine Shows live gesendet, war häufig in einer Woche acht Mal auf dem Sender, bis er als 59-Jähriger bei RTL "rausgekehrt" wurde, wie er sagte.

Heute schaut er mit Unwillen auf die Branche. "Ich kriege jeden Abend Brechreiz vor dem Fernseher", meinte der Ex-Talkmaster, der heute als Produzent arbeitet. Umgangsformen seinen vielfach nicht mehr vorhanden, es würden Kraftausdrücke gebraucht und viele Formate "gescriptet", weil das billig für die Sender sei.

"Und da moderieren Leute, mit deren Stimmen kann man Glas schneiden. Manche Schülerzeitung ist hochwertiger als einige Fernsehprogramme. Und ich habe das Gefühl, heute werden TV-Leute mit dem Lasso auf der Straße eingefangen." Das Können sei vielfach nicht mehr vorhanden. Hochachtung habe er aber vor einem Talkmaster, der "sensationell" sei: Markus Lanz.

Hochachtung gebührt auch dem Job von Grit de Boer: In ihre Bahnhofsmission kommen viele Leute, deren Leben irgendwie "aus dem Gleis" gesprungen ist: Obdachlose, psychisch Kranke und Süchtige, 6 000 bis 8 000 Menschen pro Jahr. Ihre 28 ehrenamtlichen Mitarbeiter sprechen mit ihnen, bieten Kaffee an und helfen auch schon mal mit einer Fahrkarte aus.

"Einer unserer Gäste kommt immer mit der Bahn aus Koblenz zum Kaffeetrinken zu uns", erzählte sie. "Und einige sagen zu uns ganz direkt: Ich hätte gerne einen Kaffee und ein Gespräch." Dass der Kaffee nicht mehr wie früher kostenlos sei, sondern 30 Cent koste, habe einen guten Grund: "Das macht aus Almosen-Empfängern plötzlich Kunden und bringt sie auf Augenhöhe." Nur eines, so die ehemalige Pfarrerin, mache man nicht bei der Bahnhofsmission am Ende von Gleis 1: "Wir schleppen keine Koffer." [Infobox]

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