Podiumsdiskussion von Aktion Gemeinsinn und General-Anzeiger Heftige Kritik an den Delfin-Sprachtests

BONN · Wie können Kinder von klein auf gefördert werden? Welche Rolle sollte dabei der Staat spielen? Und inwiefern können Ehrenamtler in Einrichtungen helfen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Gemeinsam für Kinder" am Dienstagabend im Uni-Club, zu der die Aktion Gemeinsinn und der General-Anzeiger geladen hatten. Mit dabei: die frühere Bundestagspräsidentin und Familienministerin Rita Süssmuth (CDU).

 Gemeinsam für Kinder: Unter diesem Titel diskutierten (von links) Renate Hendricks, Rita Süssmuth, Sylvia Binner, Cornelie Sonntag-Wolgast und Heike Wiemert im Uni-Club.

Gemeinsam für Kinder: Unter diesem Titel diskutierten (von links) Renate Hendricks, Rita Süssmuth, Sylvia Binner, Cornelie Sonntag-Wolgast und Heike Wiemert im Uni-Club.

Foto: Volker Lannert

Auf dem Podium saßen außerdem die SPD-Landtagsabgeordnete Renate Hendricks, Heike Wiemert vom Bonner Netzwerk Kinderbetreuung in Familien und Cornelie Sonntag-Wolgast, Vorsitzende der Aktion Gemeinsinn. GA-Redakteurin Sylvia Binner moderierte die Diskussion und bezog dabei auch die Zuschauer mit ein. Die zeigten sich unzufrieden darüber, wie derzeit die Kleinsten in der Gesellschaft gefördert werden.

Sie prangerten den Fachkräftemangel in den Kitas an, der vorherzusehen gewesen sei und womöglich bald dazu führen werde, dass Einrichtungen geschlossen werden müssten. Sie bemängelten die zu niedrige Bezahlung und die mangelnde Anerkennung der Erzieherinnen. Nach Ansicht der Profis können Ehrenamtler wichtige Unterstützung leisten, mit den Kindern singen, physikalische Experimente durchführen, spielen und vorlesen, aber keineswegs die Arbeit der professionellen Erzieherinnen ersetzen.

"Chancen für Kinder zu geben heißt auch, Chancen für Eltern zu geben, sonst hilft man weder den Eltern noch den Kindern", sagte Rita Süssmuth. Das Thema sei schon in den 70er Jahren aktuell gewesen, berichtete sie und erzählte wie sie gegen Kinderärzte ankämpfte, die vor gesundheitlichen Schäden durch Tagesmütter warnten.

"Natürlich brauchen Kinder eine Bindung zu ihren Eltern, aber das heißt nicht, dass die Mutter von morgens bis abends beim Kind sein muss." Deshalb müsse man aufhören, ständig neue vermeintliche Widersprüche zu erzeugen, sagte sie und forderte, stattdessen mehr für den Beruf der Erzieher zu tun. "Es wird solange keine Männer als Erzieher geben, solange es keine qualifizierte Ausbildung, keine Anerkennung und keine vernünftige Bezahlung gibt", sagte Süssmuth.

Renate Hendricks (SPD) betonte nicht nur den sozialen, sondern auch den volkswirtschaftlichen Nutzen einer frühkindlichen Förderung. "Der Bund profitiert am meisten von einer guten Bildungspolitik. Wenn man damit nicht frühzeitig beginnt, wird man das hinterher über Transferleistungen teuer bezahlen müssen."

Viele Gäste aus dem Publikum erzählten von ihrer freiwilligen Arbeit in den Einrichtungen: "Das ist ein Gewinn sowohl für die Kinder wie auch für uns." "Wir dürfen aber nicht zulassen, dass die Ehrenamtler für Aufgaben eingespannt werden, die eigentlich Hauptamtler ausführen müssen", warnte Heike Wiemert. Sie forderte zudem Unterstützung und besseren Lohn für Tagespflegepersonen, so die geschlechtsneutrale Benennung. Der aktuell in Bonn gezahlte städtische Zuschuss liegen bei 2,38 Euro pro Stunde. Dabei biete gerade die Tagespflege wertvolle Angebote für Kleinkinder, wie eine intensive Betreuung in kleinen Gruppen.

Besonders die Sprachförderung lag vielen am Herzen. Heftige Kritik übten Erzieherinnen, eine Logopädin und Hendricks an den Delfin-Tests, die wenig verlässliche Ergebnisse hervorbrächten. Eine bessere Investition sei die Förderung selbst, unter anderem durch Singen. "Das ist so erforscht, dass man sich fragen muss: wieso tun wir das eigentlich nicht?", sagte Süssmuth. Eine Zuschauerin stimmte ihr zu: "Es gibt in Deutschland ein strukturelles Problem zwischen Studienergebnissen und der Ausbildung von Erziehern. Viele Ergebnisse kommen entweder nur spät oder gar nicht an der Basis in den Kindergärten an."

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