Ehrenamtliche Mediatoren an Bonner Schulen Bei Schülerkonflikten vermittelt die sprechende Giraffe

Bonn · „Giraffenfrauen“ nennen Grundschüler die Bonner Schulmediatoren des Vereins „Seniorpartner in School“. Wegen der Tierpuppe. Die sprechende Giraffe hilft, den Kontakt zu den Sechs- bis Elfjährigen zu knüpfen. Die ehrenamtlichen Mediatorinnen haben bereits ein Berufsleben hinter sich und kümmern sich jetzt um Schulkinder, die etwas auf dem Herzen haben.

 Mit Giraffe im Snoozle-Raum (von links): Marlene Jennes, Rebekka Wurster-Grawe, Sona Poghossian, Renate Scheibel und Sieglinde Osang.

Mit Giraffe im Snoozle-Raum (von links): Marlene Jennes, Rebekka Wurster-Grawe, Sona Poghossian, Renate Scheibel und Sieglinde Osang.

Foto: Stefan Hermes

Goldene Steine auf dem Tisch des Mediationsraums sorgen dafür, dass in Gruppengesprächen nur das Kind spricht, welches im Besitz einen goldenen Steins ist. „Das war die Idee einer Kollegin“, sagt Renate Scheibel, die zusammen mit Sieglinde Osang bereits seit 2015 zu den acht ehrenamtlichen Schulmediatoren und -mediatorinnen gehört, die sich zurzeit einmal wöchentlich an der Carl-Schulz-Grundschule in Tannenbusch, der Paul-Gerhard-Schule in Beuel, der Nikolaus-Schule in Kessenich sowie zwei weiteren Schulen im Rhein-Sieg-Kreis engagieren.

Die sechs- bis elfjährigen Schülerinnen und Schüler nennen sie die „Giraffenfrauen“. Denn mit einer Giraffenpuppe machen sich die Mediatorinnen des Vereins „Seniorpartner in School“ (SIS) in den Klassen und Lerngruppen der jeweiligen Schule bekannt. „Die Giraffe steht für friedliche Lösungen“, sagt Osang (70). Sie behalte aufgrund ihrer Größe den Überblick, habe keine Feinde und sei als Pflanzenfresserin auch keine Jägerin. Ein passendes Symbol für die Arbeit, die die ehrenamtlichen Frauen an den Schulen leisten.

„Wir sind unheimlich dankbar für die Zeit, die die Schulmediatorinnen unseren Kindern geben können“, sagt Sona Poghossian, stellvertretende Schulleiterin der Carl-Schulz-Grundschule. Ihre Kollegin Rebekka Wurster-Grawe betont zudem, wie wichtig die Wertschätzung ist, die gerade die Kinder aus sehr unterschiedlichen Elternhäusern in Tannenbusch durch die Mediatorinnen erfahren. 400 Kinder „aus aller Welt“, von denen sich regelmäßig einige in dem heimelig warmen Snoozle-Raum einfinden. Da können sie bequem liegend oder sitzend ein Gespräch mit zwei anwesenden Mediatorinnen führen oder einen Konflikt lösen.

Kinder können auf Verschwiegenheit vertrauen

Geschult in nonverbaler Wahrnehmung, ist für Scheibel (67) und die anderen deutlich zu erkennen, „wie sehr die Kinder das Vertrauen und die Verschwiegenheit der Mediatorinnen zu schätzen wüssten“. Es sei schön zu erleben, wie sich die Kinder öffneten, von denen zuvor noch gesagt wurde, dass sie eher gar nicht sprechen würden. „Das geht alles nur“, vermutet Scheibel, „weil sie wissen, dass wir weder mit den Eltern noch den Lehrern über das sprechen, was uns die Kinder anvertrauen.“ Nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung müsse man dieses Versprechen brechen.

Poghossian ist froh darüber, dass die Seniorpartnerinnen die Zeit für die Kinder haben, die ihnen als Lehrerinnen - insbesondere im Corona-Schulalltag – oftmals fehlt. „Wenn die Kinder einen Bedarf anmelden“, so Wurster-Grawe, dann könne es auch schon mal sein, dass sie ihnen vorschlage, das Problem im Snoozle-Raum zu lösen. „Und dann kommen sie immer ganz glücklich zurück“, so die Lehrerin. „Manchmal möchten sie das dann ständig haben“, lacht sie. Man mache die Erfahrung, dass die Kinder unglaublich lösungsinteressiert seien, sagt Osang. „Wir ziehen den Hut vor der Fähigkeit der Kinder, ihre Konflikte und Gefühle offen auf den Tisch zu legen.“ Es brauche allerdings Zeit, um Worte für den eigenen inneren Zustand zu finden. Eine Zeit, die auch die Mediatorinnen als Bereicherung für ihr eigenes Leben erfahren haben.

Für Osang war es klar, dass sie als ehemalige Leiterin eines WDR-Archivs im Rentenalter etwas völlig anderes machen wollte. „Entweder Kartoffeln anbauen oder mit Kindern arbeiten“, sagt sie. Durch einen kleinen Bericht im GA wurde sie damals auf die Ausbildung zur Schulmediatorin aufmerksam. Heute ist es ihr ein Anliegen als Regionalleiterin der SIS, weitere Senioren für ein Engagement als Schulmediator oder -mediatorin zu begeistern, um noch weitere Schulen bedienen und die Fluktuation der Ehrenamtlichen ausgleichen zu können.

Mediatoren für die Kettelerschule gesucht

Mit fortschreitendem Alter sind die Mediatoren an der Kettelerschule in Dransdorf und der Donatusschule in Plittersdorf inzwischen „erneut in Rente gegangen“, sagt Osang. „Wir würden gerne zumindest die Schulen, an denen wir bereits einmal waren, wieder besuchen können.“ Dass der Bedarf und der Wunsch danach groß ist, bestätigen die Lehrerinnen Poghossian und Wurster-Grawe. „Es ist zwar ungewohnt, im Alter noch einmal so eine Ausbildung anzufangen“, sagt Marlene Jennes (69), „doch ich bin froh, dass ich das durchgehalten habe.“ Man lerne viel über die eigenen Gefühle, über gewaltfreie Kommunikation, über die Art und Weise wie man zuhöre und aus Nicht-Gesagtem trotzdem alles heraushören könne. Heute freue sie sich jedes Mal, auf die Begegnung mit den Kindern. „Das Ehrenamt wirkt ins eigene Leben“, resümiert Scheibel. Nicht nur durch die umfangreiche Ausbildung, sondern vor allem auch durch die Erlebnisse in der Praxis. „Man entwickelt eine bestimmte Haltung, die immer da ist - auch im Privaten“, sagt sie und Osang betont, Mediation sei ja auch weniger ein Verfahren als vielmehr eine Haltung.“

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