Hans Neuhoff und Sascha Ulbrich Bonner AfD-Kandidaten für die NRW-Landtagswahl im Interview

Interview | Bonn · Die beiden Bonner AfD-Kandidaten für die NRW-Landtagswahl, Hans Neuhoff und Sascha Ulbrich, sprechen im Interview über die Probleme, die aus ihrer Sicht die Migration mit sich bringt, was sie davon halten, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird und warum sie die Ausgaben für Hochkultur in Bonn umverteilen würden.

 Hans Neuhoff und Sascha Ulbrich (rechts) sind die beiden Direktkandidaten der AfD in Bonn. Foto: Meike Böschemeyer

Hans Neuhoff und Sascha Ulbrich (rechts) sind die beiden Direktkandidaten der AfD in Bonn. Foto: Meike Böschemeyer

Foto: Meike Böschemeyer

Im aktuellen NRW-Landtag hat die Alternative für Deutschland (AfD) 13 Sitze. Keinen davon nehmen die beiden Bonner Kandidaten Hans Neuhoff und Sascha Ulbrich ein. Auch wenn sie nicht auf der Landesliste stehen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie über das Direktmandat einziehen, gering ist, haben sie deutliche Vorstellungen für ihre Partei. Im Interview mit Nicolas Ottersbach sprachen sie über die Probleme, die aus ihrer Sicht die Migration mit sich bringt, was sie davon halten, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird und warum sie die Ausgaben für Hochkultur in Bonn umverteilen würden.

Kitaplätze sind rar, es fehlen Erzieher und Erzieherinnen. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Hans Neuhoff: Mir scheint, dass der Beruf insgesamt aufgewertet werden muss. Auch die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten müssten verbessert werden, beispielsweise, indem man aus dem Kita-Bereich eine Qualifizierung in den Grundschulbereich vornehmen kann. Die Vorstellung, ein ganzes Berufsleben lang in einer Kita tätig zu sein, den hohen Erwartungen der Eltern genügen zu müssen und die Anstrengungen auf sich zu nehmen, die kleine Kinder an sich bedeuten, ist nicht sehr attraktiv in Verbindung mit einer mäßigen Entlohnung. Wir haben aber auch einen Abzug von interessiertem und qualifiziertem Personal in den Bereich der Migrantenbetreuung. Die unbegleiteten minderjährigen Ausländer beispielsweise haben einen erheblichen Betreuungsaufwand.

Aber das sind doch nicht so viele, dass das gesamte Bildungssystem aus den Fugen gerät.

Neuhoff: Nein, aber es ist ein wichtiges Element unter mehreren. Im Jahr 2020 wurden in Bonn 8,8 Millionen Euro allein für diese Gruppe aufgewendet. Damit hätte man locker für jede Bonner Kita eine zusätzliche Erzieherin finanziert bekommen. Im sozialen Bereich haben wir insgesamt durch die irreguläre Massenmigration einen starken Abzug.

Sascha Ulbrich: Ich würde es mit den Worten von Kurz sagen, dem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler. Zügellose Migration und unsere Sozialsysteme vertragen sich nicht. Wir sind nicht dafür da, die ganze Welt zu versorgen. Die Probleme spiegeln sich in mannigfaltigen Bereichen wieder, in Kitas, in Schulen, auf dem Wohnungsmarkt.

Also nehmen uns Migranten die Wohnungen weg?

Neuhoff: In NRW haben wir allein 75.000 vollziehbar Ausreisepflichtige, die natürlich auch Wohnraum beanspruchen.

Das ist doch nicht ausschlaggebend für unseren überhitzten Wohnungsmarkt.

Neuhoff: Das ist einer der Faktoren, und wie gesagt, das ist die Zahl nur der Ausreisepflichtigen.

 Aus Sicht der AfD verschärfen Geflüchtete die angespannte Wohnraumsituation und kosten Geld, das anders investiert werden könnte.

Aus Sicht der AfD verschärfen Geflüchtete die angespannte Wohnraumsituation und kosten Geld, das anders investiert werden könnte.

Foto: Nicolas Ottersbach

Es soll nicht nur um Migration gehen. Ein wichtiges Thema der nächsten Jahre ist Digitalisierung. Wie wollen Sie die Digitalisierung in Schulen vorantreiben?

Neuhoff: Die Digitalisierung in Schulen hat Züge eines Modethemas. Es wird meistens darauf reduziert, dass die Schulen mehr Ausstattung bekommen müssen. Warum nutzen die Schulen eigentlich nicht die Möglichkeiten, die bestehen? Vom Digitalpakt wurde bisher nur ein Fünftel der Mittel abgerufen. Offenbar gibt es ein Umsetzungsproblem in den Schulen selbst, das noch unverstanden ist. Deswegen müssen wir erst einmal feststellen, wo hier eigentlich das Problem liegt. Ich bekomme diesbezüglich viele Rückmeldungen von meinen Lehramtsstudenten. Sie kriegen bei Hospitationen und später als Referendare in den Schulen Notebooks in die Hand gedrückt und sollen damit dann digital lehren. Aber sie haben gar keine erprobten Arbeitskonzepte dafür, gerade auch in Konkurrenz zu den langjährig entwickelten, konventionellen didaktischen Mitteln. Die Potenziale der Digitalisierung sind enorm. Aber zu glauben, dass das einfach nur mit Geld und Infrastruktur zu lösen wäre, ist viel zu kurz gegriffen.

In der Schule ist vor Kurzem die Maskenpflicht gefallen. Hätten Sie NRW zu einem Hotspot gemacht, sodass man weiterhin Corona-Schutzmaßnahmen aufrechterhalten kann?

Ulbrich: Nein. Es ist eine individuelle Sache, wie jeder diese Pandemie bewertet. Es darf auf niemanden Druck ausgeübt werden, eine Maske zu tragen. Mittlerweile ist ein Großteil entweder geimpft oder genesen oder geimpft und genesen. Wer sich impfen lassen möchte, soll das tun dürfen. Wer sich nicht impfen lassen möchte, muss dasselbe Recht haben.

Neuhoff: Über die ganzen zwei Jahre der Pandemie hat es eine einzige wissenschaftliche Kakophonie gegeben, voller Widersprüche, Inkohärenzen und Halbfertigkeiten.

Das liegt daran, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse sehr schnell weiterentwickeln können.

Neuhoff: Genau. Und deswegen haben wir im Moment keine wissenschaftliche Grundlage, eine solche Entscheidung wie die Beibehaltung der Maskenpflicht zu begründen. Denn man müsste dann ja zeigen können, dass sie einen positiven oder negativen Effekt auf das Pandemiegeschehen hat.

Ein wichtiges Bonner Thema ist die A565. Halten Sie den Ausbau des Tausendfüßler auf sechs Spuren ohne Radweg für die richtige Entscheidung?

Ulbrich: Wir sind hier in Bonn einer der Stau-Hauptstädte in NRW. Individualverkehr wird sich nicht durch ÖPNV ersetzen lassen. Es ist gut, wenn man mit dem Fahrrad ungestört von A nach B fahren kann. Aber es ist ein Unfug, zu glauben, dass man zukünftig alles mit dem Fahrrad erledigen kann.

Ein Ansatz, um das Stauproblem zu lösen, ist, den ÖPNV besser auszubauen. Die Fahrpreise steigen Jahr für Jahr. Muss das Land NRW stärker bei der Finanzierung stärker eingreifen, um die Bürger zu entlasten?

Ulbrich: Man müsste erst einmal einen vernünftigen ÖPNV auf die Beine stellen, damit er nutzbar ist und angenommen wird. Dann steigen die Fahrgastzahlen und es kommt mehr Geld rein. In Bonn diskutieren wir seit Jahrzehnten über die Hardtbergbahn, dort sind ganze Viertel nicht erschlossen.

Müssten die Fahrpreise günstiger sein?

Neuhoff: Das wäre wünschenswert. Aber es gibt faktisch Kosten, das Geld muss irgendwo herkommen. Wir sind der Meinung, dass es in Bonn einen kulturellen Overhead gibt. Im Bereich der freiwilligen Leistungen erbringt Bonn sehr viel mehr als andere Städte, obwohl der hochkulturelle Bereich nur eine kleine wohlsituierte Minderheit anspricht. Da sollten wir andere Prioritäten setzen. Zum einen im Bereich des Sports, aber auch im öffentlichen Nahverkehr.

Was kann das Land NRW tun, um den Anstieg von Wohnmieten zu bremsen?

Neuhoff: Es gibt drei Ursachen für das Wohnraumproblem. Die Massenzuwanderung haben wir eben schon angesprochen. Die zweite ist die Tendenz zur Individualisierung. Immer mehr Menschen leben als Single in ihrer eigenen Wohnung. Drittens wollen die Leute vom Land in die Städte. Deshalb sollte das Land attraktiver werden, in Bonn sind die Bedingungen dafür günstig. Wir müssen wieder eine Familienpolitik auf den Weg bringen, wo das Zusammenleben, die Familie, auch ein Mehrgenerationenhaus, Ideen sind, die die Menschen bei ihren Vorstellungen über das Wohnen anleiten.

Die AfD ist vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft worden. In den Parlamenten steht die Partei recht isoliert da. Ist es für Sie überhaupt möglich, vernünftig Politik zu machen?

Neuhoff: In meiner Wahrnehmung schon. Die AfD hat viele wichtige Themen auf die Agenda gebracht. Wir sind übrigens auch die einzige Partei, die im Moment ihre programmatischen Grundaussagen nicht umschreiben muss. Wir reden schon lange von einer Zeitenwende. Wir sind schon lange der Meinung, dass wir einen breiten Energiemix brauchen, unter Einschluss der der Kernenergie. Wir sind schon lange der Meinung, dass die Bundeswehr wieder zu einer wehrfähigen Armee werden muss. Das sind alles Dinge, wo die anderen jetzt plötzlich anders reden als noch vor einem halben Jahr. Im Kern haben wir ein neo-konservatives Programm. Die AfD ist unverzichtbar als kritische Stimme im politischen Diskurs.

Eine kritische Stimme, auf die niemand zu hören scheint.

Ulbrich: Das ist nicht richtig. Wir sehen überall in den einzelnen Landtagen, im Bundestag, aber auch auf kommunaler Ebene, dass Anträge von der AfD gerne von den etablierten Parteien auf der einen Seite abgelehnt, aber dann kurze Zeit später teilweise identisch von ihnen eingebracht werden.

Stört es Sie, dass die AfD als Verdachtsfall eingestuft wurde?

Neuhoff: Mich persönlich stört es, weil ich es in der Sache für ungerechtfertigt und unbegründet halte. Ich bin seit vier Jahren in der Partei. Ich bin auf allen Ebenen tätig, vom Kreisverband bis hin zur Bundesebene. Ich habe noch keine einzige Aussage gehört von meinen vielen Gesprächspartnern, die als rechtsextrem oder in irgendeiner Weise als staatsfeindlich einzustufen wäre. Wir sind eine Rechtsstaats-Partei.

Aber warum sehen die Gerichte das anders?

Neuhoff: Weil sie sich auf Materialien beziehen, die nicht zu dieser Bewertung herangezogen werden sollten. Zum Beispiel Aussagen in Chats, wo natürlich manchmal Dampf abgelassen wird wie auf Stammtischen, was aber doch nicht heißt, dass die Leute in konkreten Situationen auch so handeln würden. Das kennt doch jeder von sich selbst. Dazu kommen Aussagen von Personen, von denen man gar nicht weiß, wer sie eigentlich sind. Wir gehen davon aus, dass wir eine Reihe von bezahlten Zersetzern in der Partei haben.

Zwei Kandidaten, die doch recht auffällig sind oder waren, sind Andreas Kalbitz und Björn Höcke. Wie passen die da rein?

Neuhoff: Kalbitz ist ausgeschlossen worden aus der Partei, genauso wie Poggenburg, Sayn-Wittgenstein, Gedeon, Räpple und Pasemann, um nur die bekanntesten Namen vom rechten Spielfeldrand zu nennen. In NRW wurde im Februar mit Martin Vincentz ein junger, durch und durch bürgerlicher Arzt zum Landessprecher gewählt. Dennoch tönen die Medien kontrafaktisch, dass die Partei immer weiter nach rechts rückt. Herrn Höcke kenne ich persönlich, ich habe projektbezogen regelmäßig mit ihm zu tun. Ich habe noch keinen einzigen Satz von ihm gehört, den man auch nur entfernt als rechtsextrem einstufen könnte.

Höcke hat mal gesagt, man müsse ungewollte Parteimitglieder „ausschwitzen“. Die Aussage gefiel Ihnen nicht, Herr Ulbrich.

Ulbrich: Das war eine Kritik, die ich innerparteilich an Höcke hatte. Er ist Parteimitglied, genauso wie ich auch. Wenn er der Meinung ist, dass ich als Kritiker ausgeschwitzt werden sollte, dann finde ich das ziemlich ungehörig.

Beim Begriff ausschwitzen ist doch klar, was damit gemeint ist.

Ulbrich: Die einen sagen, es ist völlig normal, einen solchen Begriff zu verwenden. Andere sehen klare Anlehnungen in Richtung der Vergangenheit.

Was ist aus Ihrer Sicht in der vergangenen Legislaturperiode in Düsseldorf gut und was ist schlecht gelaufen?

Neuhoff: Wir haben keine bildungspolitische Wende hinbekommen, die aus unserer Sicht erforderlich ist. Die Verkehrsprobleme haben sich verschärft. Warum haben wir einen derartigen Sanierungsstau, vor allen Dingen bei den Brücken und den Autobahnen? Es gibt keine Fortschritte bei der Kriminalitätsbekämpfung. Was kann Herr Reul denn zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität wirklich vermelden: Wie viele Doppelstaatler Ausländer unter den Clan-Angehörigen sind eigentlich rückgeführt worden? Was ist mit den Automatensprengern, die aus den Niederlanden in die Region kommen? Ich sehe und höre nichts dazu.

Ulbrich: Zusammenfassend kann man eigentlich nur sagen, dass wir gesellschaftlich in NRW 2022 die gleichen Probleme wie zur Landtagswahl 2017 haben. Wir müssen politisch endlich handeln und sichtbare Ergebnisse liefern, und nicht jedes Thema über Jahrzehnte durchphilosophieren.

Wo wollen Sie sich im Landtag besonders einbringen?

Neuhoff: Die wichtigsten landespolitischen Themen für die AfD sind die klassischen Landesthemen, nämlich Innere Sicherheit und Bildung. Wir sind der Meinung, dass Schule wieder richtig auf das Leben vorbereiten muss. Dass Schule entideologisiert werden muss. Dass Schluss sein muss mit der ganzen LGBTQ-Propaganda, der die Kinder und Jugendlichen ausgesetzt sind. Wichtig ist auch, dass wir das Disziplin-Problem an den Schulen in den Griff bekommen, und zwar durch eine Stärkung der fachlichen Autorität der Lehrer. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass der Einfluss der Eltern auf die Schulen eingedämmt werden sollte. Wir sind dafür, die Polizei in NRW bis 2032 auf 50.000 Beschäftigte aufzustocken, das heißt jährlich 1000 Beamte mehr. Zur Hochwasserkatastrophe muss man noch sagen, dass der Katastrophenschutz im Mittelpunkt stehen muss, und nicht der Klimawandel.

Zum Schluss hätte ich gerne von Ihnen beiden jeweils getrennt eine Antwort auf die Frage, warum die Bonner Sie wählen sollten.

Ulbrich: Wir und die AfD stehen für eine sachliche, pragmatische und bürgerorientierte Politik. Wir müssen wieder zur Normalität zurück.

Neuhoff: Mich sollte man wählen, weil ich Lebenserfahrung und wissenschaftliche Genauigkeit miteinander verbinden kann.

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