Gewaltexzesse des IS - Auge um Auge

KAIRO · Wer dachte, dass mit Kopfabschneiden von Geiseln vor laufender Kamera der Tiefpunkt erreicht ist, wurde eines Schlimmeren belehrt.

Die Verbrennung des jordanischen Piloten bei lebendigem Leib, mit mehreren Kameras gefilmt und speziellen Effekten garniert, steigert das, was zu steigern nicht mehr möglich gehalten wurde. Die Dschihadisten der IS haben damit aber genau erreicht, was sie wollten: weltweite Aufmerksamkeit im Horror. Sie folgten damit einer perversen Medienlogik: Wer nicht eskaliert, läuft Gefahr, die Aufmerksamkeit zu verlieren.

Doch ihr Hauptziel war das kleine verwundbare Jordanien, dass unter Druck gesetzt werden soll, die arabische Anti-IS-Allianz zu verlassen oder zumindest seine Aktivitäten herunterzuschrauben. Der erste jordanische Reflex war aber der Ruf nach Rache. Noch im Morgengrauen wurden zwei im jordanischen Gefängnis sitzende Dschihad-Ikonen hingerichtet.

Nach der Veröffentlichung des Videos beschlossen die jordanischen Behörden, die Todesurteile zu vollstrecken, wohl auch um die öffentliche Meinung im Land, die nach Blut schreit, zufriedenzustellen. Ansonsten wurde mit diesem Schritt wenig erreicht, außer, dass der IS neue Märtyrer feiern kann. Abschreckung ist kein Rezept, das mit den Dschihadisten funktioniert.

Der jordanische König Abdallah brach einen Besuch in Washington ab, weil es gilt, die öffentliche Meinung zu Hause unter Kontrolle zu bringen. Denn wenn die erste Welle der Racherufe abebbt, wird deutlich werden, dass die jordanische Gesellschaft in der Frage des Militäreinsatzes gegen den IS alles andere als einig ist. Bei vielen ist die Sorge groß, dass mit einer langen Grenze zum Irak und zu Syrien auch Jordanien für militärische Operationen der Dschihadisten anfällig ist. Nicht zu vergessen, dass bis zu 2500 Jordanier in den Reihen des IS mitkämpfen.

Es ist offen, welchen Schluss die Jordanier nun aus dem Mord an dem Piloten ziehen. Erhöht das langfristig den jordanischen Kampfeswillen gegen den IS? Oder führt der Mord dazu, den nicht unwesentlichen Teil der Jordanier zu stärken, die glauben, dass ihr Königshaus sich von Washington in einen unnötigen Konflikt hat hineinpressen lassen, dessen Opfer der getötete Pilot geworden ist?

Zweiteres wäre ein schwerer Schlag gegen die von Washington geschmiedete Anti-IS-Allianz, an der neben Jordanien Saudi Arabien, Bahrein und die Vereinigten Arabischen Emirate teilnehmen. Hatten diese Länder ihre militärische Beteiligung anfangs noch hochgehängt, ist es in letzter Zeit sehr still darum geworden. Vorbei sind die Zeiten als die Arabischen Emirate stolz mit einer Pilotin geworben hatten, die Einsätze gegen IS-Stellungen geflogen war. Seit letzten Dezember Kasasbeh über IS-Territorium abgestürzt und in die Hände der Dschihadisten gefallen war, haben die Emirate ihre Kampfeinsätze aus der Luft erst einmal eingestellt.

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