Barabara Hepworth im Lehmbruck-Museum Duisburg Dialog unter Stars

Duisburg · Das Lehmbruck Museum in Duisburg zeigt abstrakte Skulpturen von Bildhauerin Barbara Hepworth, die das Nierentischzeitalter mit all den runden und ovalen Objekten im Teakholz der Nachkriegszeit verkörpert.

Barabara Hepworth im Lehmbruck-Museum Duisburg: Dialog unter Stars
Foto: General-Anzeiger Bonn GmbH

Im Jahr 2015 zeigte das Arp Museum eine Retrospektive von Barbara Hepworth (1903 bis 1975) im Bahnhof Rolandseck. Vor allem ihre organischen Formen erfreuten in der lichtdurchfluteten Architektur des Richard Meier-Baus. Sie verkörperten quasi das Nierentischzeitalter mit all den runden und ovalen Objekten im Teakholz der Nachkriegszeit. Die Tate Britain als Hauptorganisator sorgte für Stationen in London, Otterlo und eben Remagen. Dennoch wagt sich das Lehmbruck Museum in Duisburg an eine Fortsetzung und hat Erfolg.

Seinerzeit stellte die Tate der Hepworth britische Vorbilder wie Jacob Epstein zur Seite, der schon 1913 modernistische Skulpturen schuf, direkt aus Stein gehauen und teilweise von primitiver Kunst inspiriert. Das Lehmbruck-Museum spart derlei Anfänge Hepworths aus, sie verteidigt auch nicht die Dame gegen ihren britischen Kommilitonen Henry Moore, dem man in Deutschland zu Füßen lag. Die Ausstellung ist mit 50 Exponate eher klein, zeigt nur 23 Arbeiten Hepworths, aber präsentiert zugleich die Elite der Bildhauerkunst aus dem 20. Jahrhundert. In diesem Dialog ist sie sensationell.

Schlüsselfigur der europäischen Avantgarde

Museumschefin Söke Dinkla nennt Hepworth eine Schlüsselfigur der europäischen Avantgarde und eine Meisterin der Abstraktion. Ihr Werk stehe beispielhaft für die Befreiung der Form. Sie lobt „Formvollendung, Präzision und eine neue Schönheit“ und lobt die Leere in den Formen, die sie mit feinen Fadenformationen grafisch beschreibt. Aber hier liegt ebenso wenig ein Alleinstellungsmerkmal wie in den handwerklich-technischen Innovationen der Zeit. Das Zusammenspiel von Volumen und Leere, die Ausgeglichenheit und Harmonie, die Entwicklung der abstrakten Skulptur sind nicht nur Merkmale der Dame, sondern einer ganzen Generation. Und das stellt die Kuratorin Jessica Keilholz-Busch meisterhaft heraus.

Sie unterfüttert die Ausstellung mit den führenden Zeitgenossen. Hier kann Duisburg brillieren, denn die Vorgänger des Hauses, allen voran Siegfried Salzmann und Christoph Brockhaus, machten die moderne Plastik zur Visitenkarte des Museums. Auch der umfangreiche Nachlass von Wilhelm Lehmbruck brachte Duisburg den Ruf einer Schatzkammer der dreidimensionalen Künste ein. Hepworth lässt sich hier bestens einbeziehen, obwohl das Haus nur eine einzige Arbeit von ihr besitzt.

Es geht um das ständige Geben und Nehmen innerhalb einer ganzen Bildhauer-Generation. Die Berührung mit Naum Gabo, der von 1936 bis 1946 in England lebte, führte zu einer engen, beglückenden Freundschaft. Brâncușis Ziel, „eine bis ins letzte durchgearbeitete Vereinfachung und Proportionierung der Massen“, in der sich „das Geistige und Materielle, Geometrische und Organische„ restlos durchdringen“, war auch ihr Ziel. Schon im Pariser Atelier des rumänischen Künstlers erlebte die junge Kollegin ein „wunderbares Gefühl von Ewigkeit, vermischt mit geliebtem Stein und Steinstaub. Sie bewunderte aber auch die organisch modellierten Skulpturen von Hans Arp.

Hepworth und ihr Mann waren Freunde unter Freunden. 1933 war Hepworth Gründungsmitglied der Vereinigung Unit 1, eines Zusammenschlusses von Künstlern aus Architektur, Malerei und Skulptur. Später waren sie und ihr Mann Gastgeber und Kollegen in St. Yves und machten den Ort zum Treffpunkt von Kreativen aus Kunst, Literatur und Musik. Auch Hepworth wurde berühmt, bestückte 1950 den britischen Pavillon in Venedig, wurde zweimal auf die documenta eingeladen und gewann den großen Preis auf der São Paulo Biennale. So trugen ihre Arbeiten dazu bei, der Abstraktion neue Impulse zu verleihen, ohne dabei eine feministische Position ins Feld zu führen, wie man in Duisburg vermerkt.

Wie jede Frau der guten, alten Zeit liebte sie Fäden und Schnüren, mit denen sie die Leerflächen ihrer Skulpturen überspannte. Sie bezog sich dabei auf die Landschaft von Cornwall am Meer und meinte: „Die Schnüre entsprachen der Spannung, die ich zwischen mir und dem Meer, dem Wind oder den Hügeln empfand.“ So spiegeln sich nicht nur die Kollegen, sondern auch ihre Heimat in ihrem Werk.

Duisburg lässt die Ausstellung in der Gegenwart ausklingen. Ein kühner Versuch, der nicht immer gelingt. Bestes Beispiel ist die Schweizerin Claudia Comte. Sie hat keine Scheu vor ihren künstlerischen Vorfahren. Sie zerlegte einen Mammutbaum mit der Kettensäge in biomorphe Formen. Wie Arp, Moore und die frühe Hepworth, wie Laurens und Max Ernst glaubt sie, dass selbst im harten Material eine Sinnlichkeit stecken kann. Sie wie ihre Vorfahren sind der Abstraktion der Natur verpflichtet, der eine mal klarer und strenger, der andere etwas beredter.

Die Ausstellung „Die Befreiung der Form. Barbara Hepworth“ findet im Lehmbruck-Museum, Dienstag bis Freitag 12 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr. Katalog im Hirmer Verlag

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