Cullberg Ballett gastiert in Bonner Oper
Zeitlupenhafter, verzuckter Beginn - Keine Berührungen, keine Nähe, verschlossene Selbstbezüglichkeit
Bonn. Nicht jedes Jubiläum gerät zur Feierstunde. Im vergangenen Jahr feierte das Cullberg Ballett sein 40jähriges Jubiläum und 12 Monate später verabschiedet sich sein Chefchoreograf Johan Inger. 2003 übernahm er die renommierte Compagnie von Mats Ek, dem Sohn der Gründerin Brigit Cullberg. Doch er hat, so sagte er kürzlich in einem Interview, nicht nur die Arbeit als Ballettleiter, sondern auch die Beharrungskräfte in Schweden unterschätzt.
So liegt in dem Wortspiel des Titels "Point of Eclipse", der Sonnenfinsternis bedeutet, aber auch den Spitzentanz (dance on points) mitklingen lässt, ein durchaus viel sagender Bezug. Der Boden der düstern Black Box ist mit Asche bedeckt wie am Tag eins nach einem Vulkanausbruch. Ein scharfer Lichtstrahl (Set- und Lichtdesign: Jens Sethzman) streift wie ein Suchscheinwerfer über Bühne und Zuschauerraum der Bonner Oper und evoziert eine bedrohliche Atmosphäre, in der die Tänzer auf flacher Sohle tanzen.
Aus einem zeitlupenhaften, verzuckten Beginn schält sich ein Frauenquartett heraus, das zu synchronen weiträumigen Bewegungen findet; ihr männliches Pendant gleitet dagegen in Trippelschritten herein. Keine Berührungen, keine Nähe, eine verschlossene Selbstbezüglichkeit beherrscht die Gruppe, die sich aber doch zu einem Ganzen fügt. Die atmende elektronische Klanglandschaft des DJs Jean-Louis Huhta wandelt sich zu einer Art Kampfmusik mit metallisch harten Beats, die ein Paar schnell in einen gewaltsamen Pas de deux treibt.
Da werden Köpfe gedreht, Arme und Beine des Partners immer wieder neu ausgerichtet. Zwei Männer finden sich in einem Distanzduell zwischen Imponierpose und brutalen Schlägen. Doch die Aggression bleibt bei Johan Inger durchweg eingepasst in ein organisch-fließendes Bewegungsvokabular, das jedoch durch Ausbrüche ins Mechanisch-Technoide, in die Zeitlupe oder gar die Stillstellung unter Strom gesetzt wird.
Nur einer macht das Spiel nicht mit. In der linken hinteren Ecke steht ein Tänzer im hellen Anzug den ganzen Abend vor sich hinzuckend mit dem Gesicht zur Wand. Ausgrenzung mischt sich mit Protest und Außenseitertum. Kein Mitmacher im Kreis der schwarz Gekleideten. Selbst als der brillante Shumpei Nemoto sich die Bühne mit einem beeindruckenden Solo erobert, bleibt er abgewandt. Mit einem Begriff wie Abstraktion kommt man Ingers Choreografie nicht bei.
Ohne Plot erzählt sie mit düsterem soziologischem Blick von gesellschaftlichen Strukturbildungen und damit auch vom Tanz selbst: Von Paaren, Klein- und Großgruppen, von Ein- und Ausschluss, von Individualität und Konvention. Am Ende findet sich die Compagnie zu einem Ritual aus vektoriellen Gängen mit beiläufigen Pas de deux', die letztlich nur noch vom reibungslosen Funktionieren des Systems künden. Kein angenehmer, aber ein großer Abend.