Bundesumweltministerin im Interview Svenja Schulze: Regierungsumzug von Bonn nach Berlin nicht nötig

Interview | Bonn/Berlin · Bundesumweltministerin Svenja Schulze spricht im Interview über den Klimaschutz und das Pendeln zwischen Bonn und Berlin. Einen kompletten Umzug der Ministerien hat sich ihrer Meinung nach erledigt.

„Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Regierungsarbeit auch per Videokonferenzen möglich ist“, sagt Umweltministerin Svenja Schulze.

„Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Regierungsarbeit auch per Videokonferenzen möglich ist“, sagt Umweltministerin Svenja Schulze.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Das Bundesumweltministerium hat als eines von sechs Ressorts seinen ersten Dienstsitz in Bonn – und war damit bislang von Dienstreisen nach Berlin besonders betroffen. Mit Ministerin Svenja Schulze (SPD) sprachen Jan Drebes und Eva Quadbeck.

Frau Schulze, die Corona-Krise hat den Klimawandel in den Hintergrund gerückt. Bröckelt bereits die Unterstützung in der Bevölkerung für strikten Klimaschutz?

Svenja Schulze: Den Eindruck habe ich nicht. Dieses Virus ist lebensbedrohlich. Deswegen müssen jetzt erstmal die Probleme des Gesundheitsschutzes gelöst werden. Aber die meisten Menschen haben längst verstanden, welche enorme Bedeutung der Klima- und Umweltschutz hat und sie vergessen das auch nicht.

Die Arbeitslosigkeit steigt, mehr Menschen müssen sich finanzielle Sorgen machen. Das ist doch schlecht für private Klimaschutzinvestitionen.

Schulze: Die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen ist heute deutlich höher, als sie beispielsweise während der letzten großen Krise im Jahr 2008 war. Außerdem wird deutlich, dass Klimaschutz Zukunftsjobs schafft und unsere Volkswirtschaft voranbringt. Das spiegelt sich auch im aktuellen Konjunkturpaket wider, da haben wir anders als 2008 Klimaschutz und wirtschaftliche Erholung zusammengebracht.

Welche Lehren ziehen Sie für den Klimaschutz aus der Corona-Krise?

Schulze: Ein Beispiel ist der Digitalisierungsschub, den viele Menschen in dieser Zeit erlebt haben. Durch mehr Videokonferenzen lassen sich so mancher Pendelverkehr und manche Geschäftsreise vermeiden. Eine unserer Studien hat ergeben, dass sich der Personenverkehr um acht Prozent reduzieren ließe, wenn Homeoffice und virtuelle Arbeitsformen gefördert werden. Das ist eine ganze Menge – und ein Trend, den wir auch hier im Ministerium mitmachen.

Ihre Mitarbeiter wurden bereits vor der Corona-Krise für viele Flüge zum Ministeriumsstandort in Bonn kritisiert...

Schulze: Wir haben schon vor einem Jahr reagiert und die Vorgabe geändert, dass immer die günstigste Verbindung genommen werden muss. Das war nämlich häufig das Flugzeug. Jetzt gilt, dass die Mitarbeiter wann immer möglich die Bahn nehmen müssen. Außerdem haben wir mit dem Bundestag vereinbart, dass unsere Mitarbeiter sich zu den Sitzungen des Bundestags auch per Video zuschalten können statt anzureisen. So ließen sich bereits sehr viele Flüge einsparen. Die Corona-Krise hat das noch einmal beschleunigt und trotzdem hat die Regierungsarbeit nicht gelitten.

Können Sie das beziffern?

Schulze: Im März 2019 gab es im Rahmen von Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin noch 352 Flüge, im vergangenen März waren es nur 42. Im April und Mai vor einem Jahr gab es insgesamt 641 Flüge, im selben Zeitraum dieses Jahres gar keine. Und im Juni und Juli insgesamt nur 24, gegenüber 384 im Jahr 2019. Damit hat sich aus meiner Sicht übrigens auch die Debatte um einen kompletten Umzug der Ministerien von Bonn nach Berlin erledigt.

Inwiefern?

Schulze: Die Corona-Krise hat gezeigt, dass digitale Instrumente funktionieren und Regierungsarbeit auch per Videokonferenzen möglich ist. Ich sehe keinen Grund mehr, warum man noch über einen Umzug reden sollte. Die seit Jahren laufende Debatte über das Bonn-Berlin-Gesetz und den vollständigen Umzug aller Ministerien nach Berlin halte ich wegen des Technologiesprungs für überholt.

Die Corona-Krise hat außerdem dazu geführt, dass weniger Menschen in den Urlaub gefahren sind und der Wasserverbrauch der Haushalte stark angestiegen ist. Haben Sie Verständnis dafür, dass Menschen bei der Hitze ihren Gartenpool füllen?

Schulze: Trinkwasser ist zuerst zum Trinken und für den Lebenserhalt da, das ist klar.  Ich habe nichts gegen Gartenpools, aber bei Knappheitssituationen wäre das nicht meine Priorität.

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