Historische Töpferwerkstatt in Siegburg Brand im 16. Jahrhundert war Glücksfall für Archäologen

Siegburg · Archäologen entdeckten Ende der 80er-Jahre bei Abriss und Neubau-Arbeiten an der Aulgasse 8 die historische Töpferwerkstatt Berthram Knütgens. Eine Ausstellung gibt nun Einblicke in die Werkstatt aus dem 16. Jahrhundert.

 Museumsleiterin Gundula Caspary zeigt, wo Archäologen die historische Töpferwerkstatt Berthram Knütgens entdeckten.

Museumsleiterin Gundula Caspary zeigt, wo Archäologen die historische Töpferwerkstatt Berthram Knütgens entdeckten.

Foto: haa

Manchmal kann ein schlimmes Unglück der Nachwelt eine wertvolle Momentaufnahme hinterlassen. Der 14. April 1912, an dem der Luxusliner Titanic nach der Kollision mit einem Eisberg im Nordatlantik unterging, ist ein solcher Tag der Zeitgeschichte. Auch der Vulkanausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus, der mit seiner todbringenden Vulkanasche den Untergang von Pompeji besiegelte, ist nicht nur Unglücksmoment, sondern auch ein Zeitdokument für Archäologen.

Ähnliches geschah am 11. April 1588 mit der Siegburger Töpferwerkstatt von Töpfermeister Berthram Knütgen durch ein Feuer, das Truchsessische Truppen beim beim Plünderzug entfachten. Der Zeitpunkt des Schadfeuers, das die Werkstatt an der Aulgasse in Schutt und Asche legte, ist geschichtlich genau dokumentiert: An jenem 11. April steckten wütende Truppen nach vergeblicher Belagerung der Stadt die Aulgasse in Brand. Diese befand sich in der Vorstadt, außerhalb der Stadtmauern. „Wegen der Brandgefahr der Töpferwerkstätten befanden sich die Handwerkstätten der Töpfer mitsamt ihrer Öfen und dem fertigen und unfertigen Steinzeug außerhalb der schützenden Mauern“, erklärt Museumsleiterin Gundula Caspary. Der Wut der Belagerer fielen sie daher schutzlos zum Opfer.

Werkstattsituation durch Brand konserviert

Der Schaden war katastrophal: Etwa hundert Menschen starben und vierzig Häuser brannten. Das Unglück für den Töpfermeister, der in den Flammen umkam, wurde zum Glücksfall für die Archäologen: Die Brandbeschädigung konservierte die Werkstattsituation. Die „Momentaufnahme 11. April 1588“ erhielt die Scherben und Brandschäden, wie auch die Formen- und Dekor-Sprache des Siegburger Töpfermeisters für etwa vierhundert Jahre in der Erde unter dem Kellerbau an der Aulgasse 8. Was die Erde bei den Bauarbeiten 1989 dann an Scherben aus der Renaissance-Zeit hervorbrachte, wurde zu einem Teil im Siegburger Stadtmuseum und zu einem anderen Teil beim Landschaftsverband Rheinland untergebracht. Als Erste erforschte die Kunsthistorikerin Marion Roehmer die Funde wissenschaftlich. Als Kuratorin der Siegburger Schau hat Roehmer zusammen mit der stellvertretenden Museumsleiterin Stephanie Kemp nun erstmals die Fundstücke wieder zusammengeführt und die Erkenntnisse zu Formensprache, Dekor und Gebrauch der Siegburger Töpferkunst in einer eindrucksvollen Schau für die Öffentlichkeit aufbereitet.

Die Ausstellung zeigt eine große Anzahl an Scherben, die sich wie ein Puzzle zu einem Geschichtsbericht zusammenfügen. Die Fragmente von typischen Siegburger Bartmannkrügen und verbrannten Sturzbechern finden sich hier neben unfreiwillig gebrannten Humpen, Krügen und Tonklumpen. Die Tonklumpen legten die Töpfer der Zunft als vorgefertigte, gleich schwere Portionen zum Drehen eines Gefäßes griffbereit neben das Töpferrad. Das Schadfeuer brannte sie zu Steinbrocken.

Töpfern wie im 16. Jahrhundert

Wie die Töpfer am Töpferrad drehten und die weltberühmte, im Brand hell bleibende Siegburger Gebrauchskeramik fertigten, zeigte Ilja Frenzel bei der Ausstellungseröffnung. Der ehemalige Siegburger, der heute in Ruppichteroth lebt, beherrscht die historische Töpferkunst eines Steinzeugtöpfers. Der Töpfermeister führte die schwierige Drehtechnik am geschichtsträchtigen Töpferrad vor und fertigt die Repliken historischer Steinzeug-Ware für den Museumsshop.

Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag, dem 26. März konnten die Besucher somit nicht nur die archäologischen Fundstücke historischer Pötte und Krüge besichtigen, sondern sich dank der Vorführung Frenzels historischer Handwerkskunst auch in den Herstellungsprozess hineinversetzen.

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