Medipunkt in Troisdorf Neue Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung

Troisdorf · In Troisdorf können sich Menschen ohne Krankenversicherung ab Oktober Hilfe holen. Beim „Medipunkt“ bieten Ehrenamtliche eine medizinische Grundversorgung an. Das Projekt benötigt jedoch noch weitere Unterstützung.

 Öffnen Türen für Hilfesuchende: Peter Wolf, Ibrahim Hasan, Regina Flackskamp und Hermann Josef Zeyen.

Öffnen Türen für Hilfesuchende: Peter Wolf, Ibrahim Hasan, Regina Flackskamp und Hermann Josef Zeyen.

Foto: Rosanna Großmann

Jeder Mensch, der einen Wohnsitz in Deutschland hat, ist verpflichtet, krankenversichert zu sein. Dennoch hatten im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt 61.000 Menschen in der Bundesrepublik keine Krankenversicherung. Und die Dunkelziffer liegt noch höher – Menschen ohne festen Wohnsitz und illegal Eingewanderte sind nicht mit eingerechnet. Für diese Menschen bietet der Medipunkt in Troisdorf ab Oktober eine medizinische Grundversorgung an. An einem festen Tag in der Woche können Menschen ohne Krankenversicherung in den Räumlichkeiten des „Lotsenpunkt“ das ehrenamtliche Ärzteteam aufsuchen.

Regina Flackskamp wird den Medipunkt am Pfarrer-Kenntemich-Platz 31 leiten. Bei ihrer Arbeit beim Lotsenpunkt, einer sozialen Beratungsstelle, hat sie einen deutlichen Bedarf an medizinischer Beratung wahrgenommen. „Da herrscht häufig Scham, oder die Menschen fühlen sich in der Praxis nicht willkommen“, beobachtet sie. Das Hilfsangebot soll vor allem auch Menschen ansprechen, die sich komplett aus der Gesellschaft zurückgezogen haben. „Bei uns erfahren sie: Ich werde angenommen, so, wie ich bin.“

Idee vor zwei Jahren

Eine solche Anlaufstelle gibt es laut Flackskamp im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis bisher noch nicht. Dabei seien gerade in den vergangenen Jahren, bedingt durch die Pandemie, unter anderem viele Selbstständige aus der Privatversicherung herausgefallen, weil sie sie nicht mehr zahlen konnten. Auch Flüchtlinge, Asylsuchende und Studierende, die die Regelstudienzeit überschritten haben, können betroffen sein. Hinzu kommen Menschen, die vielleicht sogar versichert sind, davon aber nichts wissen.

„Wir können noch gar nicht genau sagen, wie sich der Bedarf entwickelt“, erklärt Pfarrer Hermann Josef Zeyen, Vorsitzender des Kirchengemeindeverbandes Troisdorf, der das Projekt mit auf den Weg gebracht hat. Die Idee ist im Umfeld des sozialen Engagements in Troisdorf im ersten Pandemiejahr 2020 entstanden. Finanziert wird der Medipunkt von der Gemeindecaritas, dem Erzbistum Köln sowie weiteren Stiftungen und Spenden.

Weitere Mitarbeitende gesucht

Geplant ist, dienstagvormittags für etwa zwei bis drei Stunden zu öffnen. Um auf das Angebot aufmerksam zu machen, wird Regina Flackskamp zunächst die direkte Ansprache suchen und Flyer verteilen. Später setzt das Team auf Mundpropaganda. Momentan sind unter anderem zwei Ärzte mit dabei, zwei Arzthelferinnen und eine Apothekerin – insgesamt sieben Personen.

„Ganz ohne weitere Leute wird’s nicht gehen“, sagt Peter Wolf. Der ehemalige Oberarzt der Chirurgie hofft auf weitere Freiwillige, „vielleicht junge Ärzte, die einen freien Nachmittag haben.“ Er selbst ist seit einem Jahr im Ruhestand. Ebenso sein ehrenamtlicher Kollege Ibrahim Hasan, der zuvor als niedergelassener Hämato-Onkologe und Internist arbeitete. Die beiden Siegburger können sich auch vorstellen, das Beratungsangebot je nach Bedarf und personeller Unterstützung auszuweiten. Die Räume des Lotsenpunkt seien dafür gut geeignet und bereits entsprechend ausgerüstet. „An sich braucht man ja nicht viel“, so Wolf. „Einen Schrank, eine Liege und einen Computer zum Dokumentieren.“

Weiterführende Behandlung möglich

Rechtlich bewegen sich die Ehrenamtlichen in einem engen Rahmen. Nur Beratungsgespräche und Notfallhilfe dürfen die Ärzte honorarfrei anbieten. So viel ist klar: Der Medipunkt soll und kann das bestehende medizinische Versorgungssystem nicht ersetzen, nur ergänzen. „Wir wollen das Vertrauen der Menschen gewinnen“, erklärt Ibrahim Hasan, „und versuchen, sie so ins System zurückzuführen.“

Dazu will das Team mit einem Netz weiterer Fachleute zusammenarbeiten: Etwa, wenn Patientinnen und Patienten zur Weiterbehandlung in die Notaufnahme müssen, eine Operation notwendig wird oder eine gynäkologische oder zahnmedizinische Behandlung ansteht. Auch die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer wollen laut Hasan unterstützend mitwirken.

Werden Medikamente benötigt, können die Ärzte Rezepte ausstellen, die der Medipunkt dann nach der Einlösung bezahlt. Außer rezeptfreien Schmerztabletten wird die Beratungsstelle selbst keine Medikamente vorhalten. „Das ganze wird in etwa auf dem Level einer Hausarztpraxis laufen“, so Peter Wolf.

Eigeninitiative der Betroffenen

Durch die enge Vernetzung mit dem Sozialpsychiatrischen Zentrum Troisdorf soll auch Menschen geholfen werden, die mit psychischen Probleme zum Medipunkt kommen. „Auf jeden Fall wird niemand unversorgt wieder rausgehen“, betont Flackskamp. Dennoch werde das Team kein „Rundum-sorglos-Paket“ bieten: Termine bei weiterführenden Ärztinnen und Ärzten können die Ehrenamtlichen organisieren, aber es ist auch eine gewisse Eigeninitiative der Betroffenen nötig, um diese Termine dann wahrzunehmen. Vorstellbar sei jedoch, sich weitere Unterstützung beim Lotsenpunkt dazu zu holen und so die Hilfsangebote zu kombinieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort