Besuch beim Rheinbacher Kaninchenzüchter So ticken die echten Osterhasen

Rheinbach-Oberdrees · Sie sind Feinschmecker und keineswegs so wehrlos wie in der Fabel: Heinz Josef Schneider lebt seit rund 40 Jahren mit Kaninchen und kennt die Verhaltensweisen der Tiere bestens. Beim Besuch des GA erzählt er, wie diese „Osterhasen“ wirklich sind.

 In der Osterzeit dreht sich vieles um Hasen und Kaninchen. Ein Züchter aus Rheinbach-Oberdrees erzählt, wie sie wirklich sind.

In der Osterzeit dreht sich vieles um Hasen und Kaninchen. Ein Züchter aus Rheinbach-Oberdrees erzählt, wie sie wirklich sind.

Foto: Alexander C. Barth

Der „Osterhase“ wohnt in einer Pension in Oberdrees. Sein Einzelzimmer ist weniger als einen Quadratmeter groß und spartanisch eingerichtet, statt eines Namens steht nur eine Nummer an seiner Tür. Die Pension besticht jedoch mit Service: Jeden Tag gibt es vollwertige Kost. Heute ist Wirsing der erste Gang. Serviert wird dieser von Heinz Josef Schneider, der das Futter aus regionalem Anbau bezieht oder im eigenen Garten anbaut. Der 71-Jährige ist einer der letzten verbliebenen Kaninchenzüchter im Rhein-Sieg-Kreis. Seit bald vier Jahrzehnten lebt er mit den langohrigen Tieren zusammen, die im Umfeld des christlichen Wiederauferstehungsfestes so große Aufmerksamkeit genießen wie zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr. Im Supermarktregal sind sie ebenso zu sehen wie auf Grußkarten.

So allgegenwärtig der Mythos scheint, so selten sind Kenner der echten Tiere geworden. Grund genug für den GA, einem Fachmann einen Besuch abzustatten. In Fabeln legen Hase und Kaninchen ein ängstliches Verhalten an den Tag, suchen bei Gefahr ihr Heil in der Flucht oder kauern sich in einem Versteck zusammen. Heinz Josef Schneider weiß, dass sich die echten Tiere durchaus zur Wehr zu setzen wissen: „Einmal hat mich einer hier erwischt“, erzählt der Oberdreeser und deutet eine lange Schnittwunde in der Nähe seiner Halsschlagader an. Als sein Ärmel hochrutscht, kommt eine Schramme am Handgelenk zum Vorschein. „Die schlagen mit ihren Vorderläufen zu, da haben die spitze Krallen“, erklärt der 71-Jährige. Verletzungen seien aber nicht an der Tagesordnung – man müsse einfach wissen, wann die Langohren in Ruhe gelassen werden wollen. Zum Beispiel, wenn sich ein Weibchen mit Jungen ins Nest zurückgezogen habe.

Heinz Josef Schneider züchtet seit Jahrzehnten Hasenkaninchen. Die Jungtiere gewöhnen sich mit der Zeit an den Zweibeiner und werden regelrecht zutraulich.

Heinz Josef Schneider züchtet seit Jahrzehnten Hasenkaninchen. Die Jungtiere gewöhnen sich mit der Zeit an den Zweibeiner und werden regelrecht zutraulich.

Foto: Alexander C. Barth

Kaninchen und Hasen sind nur entfernte Verwandte

Bevor biologisch geschulte Leser die Krallen ausfahren: Nein, Hasen und Kaninchen sind nicht die gleichen Tiere. Die Kaninchen aus der Schneiderschen Zucht entstammen allerdings einer Rasse mit dem Namen „Hase“. Außenstehende kann das verwirren, aber der Züchter hat dafür eine Erklärung. Denn seine Hasenkaninchen kommen ihren entfernten Verwandten, den Feldhasen, in Sachen Körperbau näher als andere Rassen: größer und weniger gedrungen als die meisten ihrer Artgenossen, mit längeren Ohren und Hinterläufen. Ob eine seiner Züchtungen einen Feldhasen wohl einholen könnte? „Im Sprint vielleicht, aber nicht über längere Strecken“, meint Schneider und lacht. In der Rolle des Eierlieferanten würden seine Kaninchen auf jeden Fall optisch eine gute Figur machen mit ihrem makellosen, glänzenden Fell. Auf die rotbraunen und dunkelbraunen Varianten hat sich Schneider spezialisiert. „Wichtig ist, dass die Blume lohfarben und nicht weiß ist“, betont der Züchter, als er seine Tiere stolz präsentiert. Mit Blume ist dabei das helle Fell unter dem Puschelschwanz gemeint.

Die Kaninchen beobachten den Zweibeiner aus ihren Käfigen heraus. Als er die Türen öffnet, ergreift keins von ihnen die Gelegenheit zur Flucht. „Warum sollten sie auch?“, fragt Schneider fast verwundert. Die Tiere scheinen sich gemerkt zu haben, dass er keine Bedrohung darstellt, sondern zuverlässig Futter anliefert. Wenn doch mal eines ausbüxe, habe er Mittel und Wege, sagt der 71-Jährige, darunter ein Kescher mit einem langen Stiel, der aber selten zum Einsatz komme. Ein ausgewachsener Rammler, so heißen die Männchen, lässt sich widerstandslos aus seinem Käfig nehmen. Eine Hand greift ins Nackenfell, die andere stützt von unten, demonstriert der Züchter die richtige Technik. Auf einem kleinen Tisch neben einer Art Untersuchungsstation mit Waage bleibt das Kaninchen erst sitzen, stellt sich dann auf die Hinterläufe und sucht den Kontakt zum Zweibeiner: Es wirkt, als würden die beiden schmusen.

Im Garten hinter seinem Zuhause, ein ehemaliger Bauernhof, zieht Heinz Josef Schneider Kaninchendelikatessen wie Löwenzahn.

Im Garten hinter seinem Zuhause, ein ehemaliger Bauernhof, zieht Heinz Josef Schneider Kaninchendelikatessen wie Löwenzahn.

Foto: Alexander C. Barth

Rammler brauchen zur Paarung eine vertraute Umgebung

Eine jüngere Artgenossin hingegen zappelt bei derselben Prozedur zunächst wild herum. „Die kennt das noch nicht“, erklärt Schneider. Eigentlich seien die Männchen lebhafter als die Weibchen und territorialer. „Zur Paarung setze ich die Häsin zum Rammler in den Käfig, niemals umgekehrt“, erklärt er. Andernfalls würden die Männer in der ungewohnten Umgebung ihr Selbstvertrauen verlieren und jene erst ausgiebig erkunden und markieren. Einige der 24 Käfige sind Doppelzimmer mit Wanddurchbruch, sie dienen der Aufzucht.

Trotz der zärtlichen Fürsorge bleiben die Kaninchen für den Oberdreeser übrigens Tiere, auch Namen gibt er ihnen nicht. Die professionelle Distanz hilft, wenn Exemplare, die für die Zucht nicht taugen, letztlich in den Kochtopf wandern – in diesem Jahr sind es zwei, denen dieses Schicksal bevorsteht. Für die anderen wächst im Garten eine Köstlichkeit heran. Denn ein Klischee treffe auf jeden Fall zu, sagt der Züchter: „Kaninchen lieben Löwenzahn.“ Die Leibspeise sei leicht zu ermitteln: „Wenn sie die Wahl haben, fressen sie immer zuerst, was ihnen am besten schmeckt.“

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