Mutter und Tochter im Gespräch Was zwei Frauen aus Hersel über den Muttertag sagen

Hersel · Für die einen ist es Kommerz und für die anderen eine schöne Tradition: Am Muttertag scheiden sich die Geister. Eine Diskussion mit einer Mutter und ihrer Tochter aus Hersel.

 Mutter und Tochter: Für Gisela Amissah (rechts) und Cathrin Amissah-Wojtovicz ist Muttertag ein besonderer Tag.

Mutter und Tochter: Für Gisela Amissah (rechts) und Cathrin Amissah-Wojtovicz ist Muttertag ein besonderer Tag.

Foto: Axel Vogel/AXEL VOGEL

Schöne Tradition oder ausgedientes Klischee mit Kommerzcharakter? Am Muttertag scheiden sich die Geister. Für Cathrin Amissah-Wojtovicz aus Hersel und ihre Mutter Gisela Amissah hat der Tag eine besondere Bedeutung. Über ausgefallenen Ohrschmuck, lieb gewonnene Traditionen und das Muttersein in Zeiten von Kontaktverbot und Lockerung der Corona-Vorschriften sprach  Sonja Weber mit Mutter und Tochter.

Starten wir mit einem Kompliment: Sie tragen sehr schöne, bunte Ohrringe, Frau Amissah-Wojtovicz. Selbstgemacht?

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Danke, ich finde die Ohrringe auch sehr schön! Gebastelt hat sie mein Sohn Max vor ein paar Jahren im Kindergarten – ein Muttertagsgeschenk.

Womit wir beim Thema wären: Sonntag ist Muttertag. Welche Bedeutung hat er für Sie beide?

Amissah-Wojtovicz: Ich liebe Muttertag! Ich habe mich schon als Kind auf diesen Tag gefreut, weil wir immer eine Überraschung für meine Mutter vorbereitet haben. Ich verbinde mit Muttertag blühenden Flieder, den mein Bruder und ich geschnitten und meiner Mutter samt Frühstück ans Bett gebracht haben. Das war Tradition bei uns. Inzwischen bekomme ich selbst Blumen, gemalte Bilder und ein tolles Frühstück ans Bett – das ist wunderbar!
Gisela Amissah: Ich habe meiner Mutter zum Muttertag immer einen Blumenstrauß gepflückt. Als ich dann selbst Mama war, war ich sehr gerührt, wie viel Mühe sich Cathrin mit lieben Karten, gebastelten Geschenken oder Gutscheinen gemacht hat -– und heute immer noch macht. Ich hebe alles auf.

Nicht jede Familie begeht den Muttertag so intensiv. Die Kommerzialisierung wird häufig kritisiert und viele lehnen einen im Kalender vorgeschriebenen Tag für den Dank an Mütter ab. Wie sehen Sie das?

Amissah-Wojtovicz: Ich mag die Kommerzialisierung auch nicht. Pralinen und ein gekaufter Blumenstrauß, das brauche ich nicht. Viel wichtiger ist mir, dass die Kinder mir Wertschätzung entgegenbringen. Dass es von Herzen kommt. Dass man einmal ganz bewusst „Danke“ sagt. Sicher sollte man seiner Mutter nicht nur am Muttertag Dankbarkeit und Anerkennung zeigen. Aber im Alltag kommt das eben manchmal zu kurz. Deshalb ist doch nichts Schlechtes daran, wenn Kinder ihre Mütter einmal im Jahr besonders verwöhnen. Das ist meine Interpretation des Muttertags.

Gisela Amissah: Ich sehe das genauso: Jeder sollte sich das herauspicken, was ihm wichtig ist. Teure Geschenke möchte ich gar nicht. Die kleinen, unbewussten Gesten im Alltag haben für mich einen viel höheren Stellenwert. Respekt und Anerkennung spüre ich, weil meine Kinder und Enkel gerne mit mir zusammen sind. Das gibt mir das Gefühl, vieles richtig gemacht zu haben.

Ein weiterer Kritikpunkt am Muttertag ist, dass er ein ausgedientes Rollenbild vermittelt. Ist das so?

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Das finde ich nicht. Schließlich gibt es ja auch einen Vatertag. Da mein Mann und ich beide berufstätig sind und wir uns gemeinsam um Haushalt und Kinder kümmern, denke ich nicht, dass mich dieser eine Tag auf meine Rolle als Mutter reduziert.

War es früher leichter, Mutter zu sein?

Gisela Amissah: Leichter nicht unbedingt – aber anders. Ich habe einige Jahre nicht in meinem Beruf als Krankenschwester gearbeitet und konnte mich ausschließlich um meine beiden Kinder kümmern. Auf der anderen Seite musste ich alles allein stemmen, denn mein Mann war nur selten zu Hause.

Was hat sich verändert?

Gisela Amissah: Heute haben Frauen sicher größeren Druck, schnell wieder in den Beruf einzusteigen. Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. Toll ist, das heute viele Männer mit anpacken sich auch um die Kinder kümmern.

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Ich denke, dass der Familienalltag im Vergleich zu früher viel turbulenter geworden ist. Wer arbeitet, ist mit dem Kopf oft woanders und überträgt beruflichen Stress dann auch auf die Familie. Dazu kommen ein anspruchsvolles Schulleben und die Hobbies der Kinder. Meine eigene Kindheit habe ich weniger hektisch in Erinnerung. Heute bleibt für die Kinder im Alltag wenig Zeit, nachmittags einfach nur mit Freunden zu spielen.

Schule, Hobbies und mit Freunden treffen – das alles fiel durch den Corona-Lockdown in den vergangenen Wochen gezwungenermaßen aus. Ist das Mutter-Sein zurzeit eine besondere Herausforderung?

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Ja, irgendwie schon. Einerseits finde ich es schön, dass wir als Familie so viel Zeit miteinander verbringen können. Wir machen viele Dinge, zu denen wir sonst selten kommen: Wir kochen und probieren neue Rezepte aus, spielen Spiele, basteln, sind im Garten. Ich spüre gerade sehr intensiv, dass es ein großes Glück ist, eine Familie zu haben.

Und andererseits?

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Die letzten Wochen waren auch anstrengend. Die Kinder zu Hause zu beschulen und gleichzeitig zu arbeiten kann ganz schön stressig sein. Zudem bringt das ständige Zusammensein auch Konflikte mit sich. Aber wir sind uns bewusst, dass wir in einer privilegierten Situation sind. Wir können von zu Hause arbeiten und uns mit der Betreuung abwechseln. Wir haben einen Garten. Viele Familien trifft die Krise härter.

Wie haben Sie als Mutter und Tochter die Trennung durch das Corona-Kontaktverbot erlebt?

Cathrin Amissah-Wojtovicz: Wir haben ein sehr enges Verhältnis und treffen uns normalerweise mehrmals pro Woche. Um meine Mutter und meinen Vater zu schützen, halten wir im Moment sehr diszipliniert Abstand. Besuche waren in den letzten Wochen tabu. Stattdessen sprechen wir an der Haustür miteinander, wenn ich meinen Eltern alle drei Tage die Einkäufe vorbeibringe.
Gisela Amissah: Ich habe es nur eine Woche ausgehalten, meine Enkel nicht zu sehen. Seitdem fahre ich öfter am Haus meiner Tochter vorbei und wir unterhalten uns am Fenster. Das muss einfach sein.

Pünktlich zum Muttertag hat die NRW-Landesregierung einige Lockerungen des Kontaktverbots eingeleitet. Werden Sie den Muttertag gemeinsam verbringen?

Cathrin Amissah: Nein, das noch nicht. Aber wir werden eine Radtour machen und meiner Mutter einen selbstgepflückten Blumenstrauß vorbeibringen. Wenn das Wetter mitspielt, können wir demnächst vielleicht mit Abstand im Garten zusammensitzen statt uns am Fenster zu unterhalten. Das wäre schön.
Gisela Amissah: Es freut mich, dass am Sonntag Besuche in Pflegeheimen wieder erlaubt sein sollen. Für die Menschen muss die Einsamkeit durch das Kontaktverbot sehr schlimm gewesen sein.

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