Vor 100 Jahren Das war Bonns erster Sankt Martin

Bonn · Vor 100 Jahren zog der erste Martinszug durch Bonn, angeführt von Josef Weiden. Er war Bonns erster Sankt Martin. Seine Enkelin erinnert sich an diese Zeit.

 Josef Weiden war Bonns erster Sankt Martin.

Josef Weiden war Bonns erster Sankt Martin.

Foto: Privat

Irgendein x-beliebiges Pferd aus dem Stall konnte es nicht sein. „Nein“, erinnert sich die 83-jährige Rosemarie Beyel zurück. „Für diesen Anlass musste es natürlich ein prächtiger Schimmel sein.“ Auch wenn es damals offenbar nur einen einzigen in der Stadt gab.

Gerade in den dunklen November-Tagen erinnert sie sich gerne an ihre Kindheit in Bonn zurück. Und an das Martinsfest. Schließlich war ihr Großvater Josef Weiden vor 100 Jahren der erste Sankt Martin, der hoch zu Ross den ersten Bonner Fackelzug anführte. 30 Jahre lang schlüpfte der 1887 geborene Weiden in die Rolle des Heiligen. Zwar gab es bereits im Mittelalter Martinsbräuche, aber erst vor 100 Jahren wurde die Tradition der Fackelzüge begründet. „Mein Gott war ich stolz, als er in seinem prächtigen Kostüm dann meine Schule besuchte“, erzählt Beyel.

Als Johannes Hinsenkamp 1920 zum Oberpfarrer der Münsterkirche und Stadtdechanten ernannt wurde, war es ihm ein besonderes Anliegen, alte Bräuche wieder aufleben zu lassen. Mit dem neu geschaffenen St. Martins-Ausschuss, der sich an Allerheiligen 1920 in der Gaststätte Hähnchen konstituiert hatte, organisierte er den ersten Umzug zum Patronatsfest der Münsterpfarre. Hinsenkamp, der Ausschuss und die Lehrer oder örtlichen Schulen organisierten damals einen Lichterzug, bei dem erstmals die Schulklassen gemeinsam durch die Straßen zogen. „Und es gab auch einen Gänsewagen mit lebenden Tieren“, erinnert sich Beyel.

Selbst die Deutsche Reichszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 11. November 1920 über das Ereignis: „Als erst der leibhaftige Zinte Määtes in prangend rotem Mantel und hoch zu Roß sich vor dem Zug in Bewegung gesetzt hatte, da kam Fluß in die Sache. Die Kapellen schmetterten ihre Weisen hinaus, daß die dicke Trommel Mühe hatte, mit ihrem Bumbum zu folgen, und die jungen Kehlen jubelten die alten und doch immer wieder neuen Martinslieder so hell dazu, daß sie bald die Hörner übertönten. In flottem Marsche bewegte sich der Zug durch die Straßen, deren Häuser vielfach zum Feste der Kinder illuminiert waren.“

Kein Sankt Martin in den Kriegsjahren

In den Kriegsjahren 1940 bis 1945 wurde der Brauch ausgesetzt. Umso glücklicher waren die Bonner, als die Tradition anschließend wieder auflebte. Davon soll auch der damalige Bonner Stadtdirektor Sebastian Dani begeistert gewesen sein. In alten Aufzeichnungen wird er folgendermaßen zitiert: „Dieser Martinszug gestaltete sich zu einem wahren Volksfest. Viele Straßen unserer Stadt lagen noch voller Trümmer, an den Häusern sah man noch die Wunden des Krieges, den Zuschauern aber leuchtete die Freude aus den Augen, nicht allein wegen des Martinszuges, der wiedererstanden war, sondern auch weil der seelische Druck, den der unheilvolle Krieg bei allen hinterlassen hatte, gewichen war. Sogar einige Offiziere der englischen Besatzungsmacht, darunter der Stadtkommandant Oberst Brown feierten mit uns und freuten sich so wie wir über die gebastelten bunten Fackeln und die leuchtenden Kinderaugen. Dieser erneute Auftakt hat gezeigt, daß unser Martinsfest in der Bonner Bevölkerung ein fester, bleibender Begriff geworden ist und jedes Jahr wieder alt und jung erneut begeistert.“

Natürlich bekamen die Kinder auch damals schon einen leckeren Weckmann. „Zum Schnörzen sind wir natürlich auch gegangen“, erzählt Rosemarie Beyel. Auch wenn die Kinder in den Nachkriegsjahren offenbar einen anderen Geschmack hatten, als die heutige Jugend. „Ich erinnere mich daran, dass ich sogar einmal ein Stück Blutwurst bekommen habe“, sagt die 83-jährige Enkelin des ersten Bonner Sank Martins lachend. Umso trauriger ist sie, dass es in diesem Jahr aufgrund der Pandemie keine Züge geben wird. „Wir hoffen alle darauf, dass es sie im nächsten Jahr wieder gibt“, macht sie Mut. Dann wird sie natürlich wieder am Straßenrand stehen, das Spektakel verfolgen und die Lieder mitsingen.

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