Senioren Hilfe auf Knopfdruck

BONN · Das Hausnotrufsystem ermöglicht vor allem älteren Menschen, länger allein in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben. Wer beispielsweise gestürzt ist, kann per Knopfdruck über eine ans Telefon angeschlossene Freisprecheinrichtung Hilfe holen.

 Silke Meis vom Arbeiter Samariter Dienst in Troisdorf zeigt den Handauslöser für das Notrufssystem

Silke Meis vom Arbeiter Samariter Dienst in Troisdorf zeigt den Handauslöser für das Notrufssystem

Foto: Axel Vogel

Axel Vogel

Es sind zutiefst traurige Schicksale, die es immer wieder in die Medien schaffen. So Ende vergangenen Jahres der Fall einer 87 Jahre alten Frau, die rund eineinhalb Jahre unentdeckt in ihrer Wohnung in Nordhessen gelegen hatte. Wie die „Hessisch/Niedersächsische Allgemeine“ (HNA) damals mit Hinweis auf die Polizei berichtete, sei die Rentnerin erst wegen eines Wasserschadens tot in ihrem Bett entdeckt worden.

Fälle von älteren Menschen, die völlig allein leben und für die eine rettende Direktverbindung zu einer Hilfsorganisation elementar wichtig wäre, kennt auch Silke Meis, Fachfrau beim Arbeiter-Samariter-Bund Bonn/Rhein-Sieg/Eifel e.V. (ASB) in Troisdorf. Eine Verbesserung der Situation könnte ein Hilfssystem sein, für dessen Verleih und Betreuung Meis beim ASB zuständig ist, das inzwischen aber auch viele andere Rettungs- und Hilfsorganisationen anbieten: den Hausnotruf. Dieser leistet aus Sicht des ASB einen Beitrag dazu, „dass vor allem ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben können“.

Das Prinzip der Technik ist simpel: Wenn der Teilnehmer in Not gerät, weil er etwa gestürzt ist, kann er per Knopfdruck über eine ans Telefon angeschlossene Freisprecheinrichtung Hilfe ins Haus holen. Und zwar bei einer Zentrale, die bei vielen Anbietern und um die Uhr und 365 Tage im Jahr besetzt ist. Anfang der 70er Jahre wurde der Hausnotruf von Wilhelm Hormann an einem Krankenhaus in Wilhelmshaven entwickelt, sagt Claudia Groetschel, Sprecherin der Initiative Hausnotruf (www.initiative-hausnotruf.de): „1980 wurde der Hausnotruf der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt.“ Ziel sei es gewesen, vorwiegend die ambulante Betreuung etwa von Kranken und Senioren sicherzustellen.

Umfassende statistische Angaben zur Verbreitung des Hausnotrufs hat Groetschel zwar nicht. Aber sie sagt, „die Tendenz ist deutlich steigend“, wobei sie auf Zahlen der AOK Nordost von 2015 verweist: „Danach hat sich die Zahl der Hausnotrufnutzer unter ihren Versicherten in Mecklenburg-Vorpommern von 2010 bis 2013 mehr als verdoppelt“, so Groetschel. In Berlin habe es Zuwächse von 50 Prozent gegeben, und insgesamt sei die Zahl der Hausnotrufnutzer im Bereich der AOK Nordost in diesen drei Jahren um 65 Prozent gestiegen.

Allerdings vermutet die Expertin noch reichlich Potenzial bei den Nutzern: „Bundesweit pflegen rund sechs Millionen Menschen ihre Angehörigen zumindest teilweise selbst. Die Zahl der Hausnotrufnutzer lag 2010 hingegen bei 400 000.“

Auch in der Region nutzen den Hausnotruf viele Kunden. Beim ASB hätte sich in den vergangenen drei Jahren die Zahl der Teilnehmer um etwa 280 auf 380 erhöht, sagt Expertin Meis. Auch die Zahl der Meldungen über den Hausnotruf sei zuletzt leicht gestiegen, und zwar von 289 im Jahr 2014 auf 306 im Jahr 2015. Während Axel Menk vom DRK Kreisverband Bonn „450 Kunden mit gleichbleibender Tendenz“ nennt, zählen die Bonner Malteser „rund 1300 Hausnotrufteilnehmer in Bonn und nochmals 1100 im Rhein-Sieg-Kreis“, so Ruth Horn-Busch, Leiterin Soziale Dienste Bezirk Rheinland und des Hausnotrufes Bonn der Malteser: „Durch die demografische Entwicklung und die Tendenz, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen, ist mit steigender Nachfrage zu rechnen.“ Das hängt aus Sicht von Ruth Horn-Busch auch damit zusammen, „dass die ältere Generation Technik heute durchaus aufgeschlossener begegnet als noch vor zehn Jahren.“ Derweil würden viele Senioren selbstverständlich etwa mit Handy und schnurlosen Telefonen umgehen. Außerdem würden sich oft nach einem Beratungsgespräch die letzten Zweifel zerstreuen, „weil der Hausnotruf leicht zu bedienen ist, so dass man auch im Notfall keine Bedienungsprobleme hat“. Die Entwicklung hänge auch damit zusammen, dass sich derweil für die Hersteller aufwendige Entwicklungen lohnten, weil die Zielgruppe weiter wachse. „Zudem hat die Bundesregierung aber auch die EU-Projekte gefördert, um Technik für alte und hilfsbedürftige Menschen zu entwickeln“, ergänzt Ruth Horn-Busch.

Auch ASB-Expertin Silke Meis verweist auf die vergleichsweise einfache Einrichtung der Technik und deren unkomplizierte Handhabung. Es wird lediglich ein Hausnotrufgerät, welches etwa so groß wie ein Anrufbeantworter und eine Art Fernsprecheinrichtung ist, an den Telefonanschluss angeschlossen. „Den Anschluss übernehmen unsere Techniker“, so Meis. Dann bekommt der Teilnehmer noch einen Handsender, der sich wie eine Uhr am Armband tragen lässt, Kommt es zu einem Notfall, drückt der Teilnehmer entweder den Knopf an seinem Handsender oder direkt an dem Hausnotrufgerät: „Dann wird sofort eine Verbindung zur Zentrale des ASB in Köln aufgebaut“, erklärt Meis: „Per Freisprecheinrichtung wird kommuniziert.“

Was anschließend passiert, hängt von der Situation ab, in der sich der Teilnehmer befindet. In jedem Fall wird unter Einhaltung der Rettungskette umgehend Hilfe für den Betroffenen organisiert.

Bei einem Basisanschluss zu einem Preis von 18,36 Euro im Monat zuzüglich einer einmaligen Anschlussgebühr in Höhe von 29,90 Euro informiert die ASB-Zentrale im Falle eines erfolgten Notrufs eine vorher definierte Bezugsperson des Teilnehmers. Handelt es sich um einen Notfall, wird laut Meis direkt der Rettungsdienst alarmiert. Einen vergleichbaren Grundtarif bieten auch andere Organisationen wie die Malteser an. Oft lassen sich auch teurere Tarife mit mehr Service buchen.

Zudem bietet der ASB eine Tagestaste an. „Bei Abschluss des Tarifes kann festgelegt werden, dass sich der Kunde einmal pro Tag zu einer festgelegten Zeit melden muss, indem er die Tagestaste bestätigt“, erklärt Silke Meis: „Tut er das nicht, ruft der ASB den Teilnehmer an und leitet gegebenenfalls weitere Maßnahmen ein.“.

Was manchem die Entscheidung für die Anschaffung eines Hausnotrufsystems erleichtern könnte: „Wenn man eine Pflegestufe hat, wird die Grundsicherheit in Höhe von 18,36 Euro in der Regel von der Pflegekasse übernommen“, erklärt Malteser-Fachfrau Ruth Horn-Busch. Sie verweist darauf, dass es auch für Menschen mit dementiellen Erkrankungen Hilfsmittel für den Notfall gibt, wie den Fallsensor: „Hiermit kann das Notrufgerät auch Menschen helfen, die selbst den Notrufknopf nicht mehr bei einem Sturz betätigen können.“

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