Der Junge im gestreiften Pyjama

"Der Junge im gestreiften Pyjama" dürfte Kontroversen auslösen

Der Junge im gestreiften Pyjama
Foto: dpa

Weil der Vater (David Thewlis) Karriere macht, muss die Familie den Wohnort wechseln und von Berlin aufs Land ziehen. Vor allem für den achtjährigen Bruno (Asa Butterfield) bedeutet dies eine große Umstellung, denn in dem neuen Zuhause auf dem Land gibt es keine gleichaltrigen Spielgefährten.

Und der Umgang mit den Kindern des naheliegenden landwirtschaftlichen Betriebs ist Bruno streng untersagt. Doch die Neugierde und der Wunsch, andere Kinder zu treffen, sind größer als die Furcht vor Strafe, und Bruno schleicht immer wieder zu dem Gelände, das mit hohem Stacheldraht umzäumt ist. Hier trifft er sich mit dem gleichaltrigen Shmuel (Jack Scanlon).

Obwohl der Stacheldraht sie trennt und Bruno vieles an dem Jungen im gestreiften Pyjama seltsam und verstörend findet, freunden sich die beiden Kinder an. Eine Freundschaft, die Bruno auf eine harte Probe stellt, als er Shmuel in einer Notsituation verrät. Bruno möchte seinen Fehler wiedergutmachen und schleicht sich mit Shmuels Hilfe hinter den Zaun, um seinem Freund bei der Suche nach dessen Vater zu helfen.

So verläuft aus Brunos Sicht bis zu diesem Moment die Geschichte, der Zuschauer aber sieht etwas gänzlich anderes. Brunos Vater (David Thewlis) steigt zum KZ-Kommandeur auf, und das, was die Eltern ihrem Kind als Bauernhof erklären, ist ein neu errichtetes Vernichtungslager.

Ist das Kino der richtige Ort, um das Grauen des Holocaust begreifbar zu machen? Mark Hermans "Der Junge im gestreiften Pyjama" dürfte Kontroversen auslösen. Ist seine Sicht der Dinge verharmlosend oder gar romantisierend, wie ihm manche Kritiker vorwerfen? Sicherlich nicht, denn die Reduzierung des Gezeigten ist legitim, solange der Film die Sichtweise des Jungen wählt und damit aus ungewohnter, bewusst naiver Perspektive auf die Schrecken des Holocaust schaut.

Problematischer ist da schon die Naivität der Frau des KZ-Kommandanten, die beispielhaft für die vielen Personen steht, die nichts von dem Horror gewusst haben wollen, auch wenn sie in unmittelbarer Nähe waren. Gegen Ende aber ist man mit Herman wieder ganz bei den Kindern, die den Schrecken bis zur letzten fürchterlichen Konsequenz begreifbar machen.

Hermans Verzicht auf drastische Bilder ist kein Verrat an der Realität, dem Grauen und Leid in den Lagern, sondern wie bei Roberto Benignis "Das Leben ist schön" ein spannender Versuch, den Holocaust auf eine Weise erfahrbar zu machen, der auch für Jugendliche geeignet ist. Auf jeden Fall regt die fiktive Geschichte des Films auch den erwachsenen Zuschauer zur Diskussion an.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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