Kommentar Wahlausgang in Israel - Skrupellos zum Erfolg

Jerusalem · Viele Israelis, die auf einen politischen Wechsel gehofft hatten, sind enttäuscht. Die Meinungsumfragen deuteten auf einen satten Vorsprung für den sozialdemokratischen Herausforderer Jizchak Herzog hin.

Doch traditionell sind in Israel mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten bis kurz vor der Stimmabgabe unentschlossen. Das hat Amtsinhaber Benjamin Netanjahu auszunutzen gewusst - und dabei innen- und außenpolitisch viel Schaden angerichtet.

Es gab trotz Unzufriedenheit über die soziale Lage und einer allgemeinen Verdrossenheit über "Bibi" und seine obsessive Art, sich als alleinigen Garanten von Israels Sicherheit darzustellen, keine Wechselstimmung. Der sympathische Arbeitsparteichef Herzog blieb blass. Seine neue Wahlliste "Zionistische Union" hat Stimmen dazugewonnen, was zweifellos sein Erfolg ist. Aber als möglicher Regierungschef konnte er gegen das Macherimage von Netanjahu nichts ausrichten.

Der Likud-Chef muss nun die Scherben zusammenkehren. Auf Kosten der Beziehungen zu den USA, zu Europa und zu der arabischen Minderheit in Israel selbst, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung, hat er im Endspurt viel Porzellan zerschlagen. Netanjahu ist zweifellos der Sieger dieser Wahlen. Ironischerweise aber auch die arabischen Parteien, gegen deren Wähler er skrupellos Stimmung machte. Sie sind mit ihrer "Vereinigten Liste" als drittstärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen, auch dank eines Vorsitzenden, der um Ausgleich bemüht ist. Das ist ein Lichtblick. Netanjahu muss nun beweisen, dass er die Macht nicht nur um der Macht willen hat.

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