Jahresprogramm steht fest Geballte Frauenpower im Arp Museum Rolandseck

Bonn · Es ist das Jahr der Frauen im Arp Museum in Rolandseck. Unter dem Motto „Wegbereiterinnen“ präsentieren die kommissarische künstlerische Direktorin Petra Spielmann und ihr weibliches Museumsteam zahlreiche Ausstellungen in 2022.

 Selbstbewusste Malerein: 1906, ein Jahr vor ihrem frühen Tod, malte Paula Modersohn-Becker ihr „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“. 

Selbstbewusste Malerein: 1906, ein Jahr vor ihrem frühen Tod, malte Paula Modersohn-Becker ihr „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“. 

Foto: Museen Böttcherstraße

Das Arp Museum in Rolandseck hat das Jahr der „Wegbereiterinnen“ ausgerufen, ein Jahr, das fast exklusiv starken Frauen gewidmet ist. Mit dem Ausscheiden des Direktors Oliver Kornhoff Anfang Dezember 2021 habe das nichts zu tun, schmunzelte Petra Spielmann, kaufmännische Direktorin und kommissarische künstlerische Direktorin des Hauses, am Freitag bei der Vorstellung des Jahresprogramms 2022. Spielmann führt ein rein weibliches Museumsteam an, die einzelnen Kuratorinnen präsentierten ihre Ausstellungen. Nach den Muskelspielen der vergangenen Jahre – man sah etwa Auguste Rodin, Salvador Dalì, Henry Moore – ist jetzt mal die Frauenperspektive angesagt. Streng genommen hat das Jahr der „Wegweiserinnen“ bereits Ende 2021 mit den Stahlskulpturen aus Leitplanken und Baumschützern der Berlinerin Bettina Pousttchi begonnen.

Spektakulärer Höhepunkt dieses Jahres der geballten Frauenpower ist die längst fällige Neubewertung von Sophie Taeuber-Arp, die seit den Anfängen der Arp-Sammlung und des Museums in Rolandseck im Schatten des Gatten steht, ohne dass dies intensiver hinterfragt worden wäre. Anlass dieser Neujustierung, an der nach Vorstellung des Museums auch das Publikum verschiedener Altersstufen mitwirken soll, ist die Vorbereitung einer neuen Dauerpräsentation der beiden Museumspatrone ab 2023. Der Blick von außen, das kollektive Brainstorming sollen gegen eine gewisse Betriebsblindheit der Museumsleute steuern, wie Spielmann andeutete.

Künstlerisch beginnt das Jahr mit der großen Malerin Paula Modersohn-Becker

Partizipation ist ohnehin ein großes Thema in diesem Jahr: Zum Beispiel im „arp labor“ in der ersten Etage des Künstlerbahnhofs, die aus konservatorischen Gründen nicht mehr mit Ausstellungen bespielt werden darf. Dafür ist jetzt dort die Museumspädagogik mit einem umwerfenden Ensemble eingezogen, das als Werkstatt Raum für künstlerische Aktivitäten bietet, sich als Labor für Ideen und Diskussionen eignet oder auch nur als Rückzugsraum dient. Es lohnt sich, die Angebote des „arp labors“ zu verfolgen.

Künstlerisch beginnt das Jahr der „Wegbereiterinnen“ mit der großen Malerin Paula Modersohn-Becker (1876-1907), die im Rahmen der Kunstkammer Rau mit ihren Hauptthemen Menschenbild und Landschaft vertreten ist. Das Arp Museum kooperiert dabei mit der Sammlung Roselius aus den Museen Böttcherstraße in Bremen, die 35 Highlights an den Rhein schicken. Ergänzt wird die Präsentation durch Werke von Cranach bis Renoir, die die Malerin inspirierten.

De Bruyckeres strenger Realismus steigert Wirkung ihrer Skulpturen

Zauberhafter Mittelpunkt der Schau ist Modersohn-Beckers wunderbares „Selbstbildnis zum 6. Hochzeitstag“. Das in Paris entstandene Bild steht beispielhaft für Modersohn-Beckers Modernität. Mit einer zurückgenommenen Formensprache und einem ebenfalls reduzierten Kolorit versuchte sie das zu erreichen, was sie „große Einfachheit der Form“ nannte.

Die zeitgenössische Kunst bekommt in Gestalt der Belgierin Berlinde De Bruyckere (Jahrgang 1964) ihren Auftritt. Die für ihre oft faszinierenden und mitunter schockierenden Arbeiten aus Wachs und Kunstharz, Tierfellen, Metall, Holz und Stoffen bekannte Bildhauerin war schon wiederholt mit einzelnen Arbeiten im Arp Museum zu sehen. Jetzt bekommt sie unter der Regie von Jutta Mattern eine große Einzelschau. Es sind verstörende Kreaturen, die sie zeigt, kopflose, zum Teil ausgeweidete Menschen, kollabierte Pferde, gefesselte Kälber, aber auch menschliche Figuren, die sich unter Stoffen verbergen.

De Bruyckeres strenger Realismus, ihr unerschütterlicher Mut zur Hässlichkeit und zum Schockmoment steigern die Wirkung ihrer Skulpturen. 2003 und 2013 sorgte sie etwa auf der Kunstbiennale in Venedig mit ihren morbiden Installationen für Aufsehen. Etliche Posen erinnern an die Körpersprache von Tänzern – in der Ausstellung wird der portugiesische Tänzer Romeu Runa, mit dem sie schon länger zusammenarbeitet, mit drei Performances zu sehen sein.

Das Jahr endet tierisch

Das Ausstellungsjahr klingt mit einem zweiten Gastspiel der Sammlung Rau aus, die noch bis Mitte 2026 unter der Obhut des Arp Museums steht. Dann wird sie, so hat es der 2002 gestorbene Mediziner und Menschenfreund Gustav Rau verfügt, zugunsten von Unicef verkauft.

Rau hatte ein besonderes Faible für Tiere und da bevorzugt für Hunde. Ein guter Teil seiner einst 700 Werke umfassenden Kunstsammlung zeigt Tiere. Was die Kuratorin der Kunstkammer Rau, Susanne Blöcker, dazu beflügelte, einmal eine Schau mit dem Titel „Tierisch was los! Tiere und ihre Menschen“ zu konzipieren. Die einzige Ausstellung des Jahres übrigens, die sich dem Hauptmotto „Wegbereiterinnen“ verweigert.

Und schon arbeitet man an einem Format, wie Besucher ihre Hunde mit in die Kunstkammer nehmen können. Ob die Vierbeiner wirklich etwas davon haben, darf bezweifelt werden.

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