Twitter als Lyrikmaschine Selina Seemann kommt zum Poetry Slam ins Pantheon

Bonn · Die Autorin Selina Seemann hat ein neues Buch veröffentlicht und tritt am 26. Mai beim Poetry Slam „Raus mit der Sprache“ im Pantheon auf. Wir haben vorab mit ihr gesprochen – über Kunst, künstliche Intelligenz und ihre Meinung zu Bonn.

 Freut sich auf ihren Auftritt und den Besuch in Bonn: Selina Seemann.

Freut sich auf ihren Auftritt und den Besuch in Bonn: Selina Seemann.

Foto: Philipp Zimmer

19:58 früher stand mir die welt offen, / jetzt steht sie mir zu

Zeilen wie diese sind es, die ­­Selina Seemanns Tweets so besonders machen. Unter dem Namen Selinakrispy (@SelinaKristin) textet die Wortakrobatin den Kurznachrichten­dienst auffallend geistreich voll. In ihrem neuen Buch „#kleingedrucktes“ hat sie die witzigsten der sonst so flüchtigen Tweets haltbar gemacht. Am Donnerstag, 26. Mai, misst sich die Autorin beim Poetry Slam „Raus mit der Sprache“ im Pantheon mit ihren Kollegen Jan Wattjes, Florian Wintels und Björn Rosenbaum.

Selina Seemann schätzt an gedruckten Medien, dass sie dem Digitalen eine gewisse Haltbarkeit voraushaben. „Bücher sind für die Ewigkeit, das Internet ist für den Moment“, sagt die Kielerin im Interview mit dem General-Anzeiger. „Das hat beides seine Vorteile, mit meinem Buch wollte ich den schnellen Gedanken einen festen Ort geben, bevor sie wieder verfliegen.“

Dabei lesen sich ihre Tweets wie Verse. Kaum verwunderlich also, dass auch 25 kurze Gedichte in dem Buch enthalten sind. So wird der Kurznachrichtendienst Twitter unter Seemanns Regie zur Lyrikmaschine. „Twitter hat durch seine Zeichenbegrenzung einen eigenen Reiz“, erläutert die Autorin. „Da versuche ich, so knapp wie möglich den Kern einer Idee rüberzubringen, und dann kann es auch mal poetisch werden.“

Dass sich Technik und Sprache vertragen und mitunter perfekt miteinander harmonieren, beweist auch „Eloquentron3000“. Der Bot schreibt schon seit 2018 Gedichte, die man sich auf Instagram ansehen kann. Seemanns guter Freund und Kollege Fabian Navarro hat das Programm geschrieben. Aus Datenbanken mit Tausenden Wörtern setzt „Eloquentron3000“ Sätze zusammen, die manchmal unfreiwillig komisch oder umwerfend poetisch sind. So schrieb der Bot sowohl die Sätze „Liebe ist die stärkste Ente der Welt“ als auch „Und mit jedem Herzschlag stirbt ein Gedankengebäude“. Selina Seemann hatte dann noch die Idee, die Texte mit ­­kitschigen Fotos zu kombinieren. Inzwischen halten die beiden Künstler Vorträge zum Thema „Kunst & KI“.

„Im Frühjahr und Sommer hat Bonn einen ganz eigenen Charme“

2020 wurde Selina Seemann Vizemeisterin im Poetry Slam in Schleswig-Holstein. Außerdem gewann sie mehrfach den NDR-Poetry-Slam auf Plattdeutsch und ist Stammautorin der Lesebühne „Irgendwas mit ­­Möwen“. Auch wenn die Slam-Poetin ein Nordlicht ist, verbindet sie einiges mit dem Rheinland und mit der Bundesstadt. „Einige sehr gute Freunde und Freundinnen von mir kommen aus Bonn, ich komme immer gern in die Stadt und genieße die Atmosphäre“, sagt sie. „Im Frühjahr und Sommer hat Bonn einen ganz eigenen Charme.“ Besonders freut sie sich auf die Stimmung im Pantheon und einen kleinen Ausflug in das Bonner Nachtleben. „In der Wache habe ich beispielsweise schon einige gute Stunden verbracht.“

Warum die Bonnerinnen und Bonner sich den Auftritt ansehen sollten? Selina Seemann meint: „Der Poetry Slam im Pantheon ist immer einen Besuch wert. Da stehen tolle Menschen auf der Bühne und zeigen, was mit Sprache so möglich ist. Ich würde sogar behaupten, dass niemand es bereuen wird, dabei gewesen zu sein!“

Buch: Selina Seemann: #kleingedrucktes, KJM Buchverlag, 192 Seiten, 18 Euro. Poetry Slam: „Raus mit der Sprache“, Do., 26.5., 20 Uhr, Pantheon, Siegburger Straße 42 Tickets für 15 Euro (erm. 10 Euro) unter www.pantheon.de, Vorbestellungen unter Tel. 0228/21 25 21

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