Bonner Wirtschaftstalk zu resilienten Infrastrukturen Was tun, wenn der Strom nicht fließt?

Bonn · Energieversorgung, Kommunikation oder Logistik: Der 53. Bonner Wirtschaftstalk beschäftigte sich mit dem Schutz kritischer Infrastruktur und mit dem Ernstfall eines Blackouts.

Diskussion über kritische Infrastruktur beim Wirtschaftstalk.

Diskussion über kritische Infrastruktur beim Wirtschaftstalk.

Foto: Martin Wein

Die Sicherheit kritischer Infrastruktur ist spätestens seit dem Anschlag auf die Ölpipeline in der Ostsee im Gespräch und bleibt dennoch weitgehend eine Blackbox. Wie gut Deutschland und seine Wirtschaft mit einem längeren Ausfall von Energieversorgung, Kommunikation oder Logistik zurechtkämen, lässt sich für Normalbürger nicht ermessen. Bei der Flut an Ahr und Erft waren 2021 gravierende Mängel bei der Koordination sichtbar geworden. Da wüsste man gerne, was Energieversorger, Behörden, Banken, Supermärkte, Kliniken, Logistiker und andere in künftigen Ernstfällen planen.

Die Betroffenen indes hüllen sich in Schweigen mit dem Hinweis, Kriminellen oder Akteuren anderer Staaten keine Einfallstore aufzeigen zu wollen. In diesem Umfeld klingt es dann eher wie ein Placebo, wenn der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn, Ralph Tiesler, den Kauf von Konserven, Kerzen und Batterieradios empfiehlt, damit die Leute ihre „Selbstwirksamkeit“ spürten. Mit diesem nachdenklich stimmenden Eindruck endete am Mittwochabend im hell erleuchteten Kammermusiksaal des Beethovenhauses der 53. Bonner Wirtschaftstalk der Sparkasse Köln/Bonn und der IHK Bonn Rhein-Sieg, moderiert vom Bonner Journalisten Christian David.

Ein Stromausfall für zwei bis drei Tage sei durchaus vorstellbar, hatte zuvor der Ingenieur Daniel Lichte erklärt. Lichte leitet in St. Augustin die Abteilung für Resilienz- und Risikomethodik im DLR Institut für den Schutz terrestrischer Infrastrukturen. In einem solchen Fall, auch regional begrenzt, sei bei einer Dauer von mehr als sechs Stunden mit erheblichen Problemen zu rechnen. Man denke im schlimmsten Fall an Heimbeatmungsgeräte. Aber auch mit einem Benzin- oder Diesel-Pkw bleibt man bei einem Blackout nur so lange mobil, wie noch etwas im Tank schwappt. Keine Tankstelle oder Ölpipeline funktioniert ohne elektrische Pumpen. Lichte riet zur ausreichenden Eigenvorsorge vor allem deshalb, damit Staat und Hilfsdienste sich im Ernstfall um Menschen kümmern können, die das nicht selbst vermögen.

Silke Krebs (Bündnis90/Grüne), die seit Juni als Staatssekretärin im NRW-Wirtschaftsministerium tätig ist, forderte alle staatlichen und privatwirtschaftlichen Betreiber kritischer Infrastruktur auf, ihre Notfallpläne regelmäßig anzupassen und praktisch zu üben. In Notsituationen müsse vor allem ergebnisorientiert entschieden werden. Krebs ließ aufhorchen, als sie Lichtes Forderung nach einer längeren Laufzeit für die drei letzten deutschen Kernkraftwerke in Deutschland über den März 2022 nicht kategorisch ausschloss. „Das Thema, das diskutieren wir jetzt vielleicht lieber noch nicht, ob ab April die Atomkraftwerke noch länger laufen“, sagte die grüne Staatssekretärin.

Uwe Borges, als Sparkassen-Vorstand für das Firmenkundengeschäft verantwortlich, warnte insbesondere Unternehmen vor einem kurzatmigen Krisenmanagement. Jeder müsse sein Geschäftsmodell so ausrichten, dass es in 15 Jahren CO2-neutral und digitalisiert funktioniere. Viele Unternehmen könnten dazu selbst zu Energieerzeugern werden und sich mit Energiespeichern autark aufstellen – natürlich gerne mit Krediten der Sparkasse. In diesem Sinne stellte Borges auch den lange anhaltenden Trend zu immer stärkerer Arbeitsteilung infrage und empfahl eine höhere Fertigungstiefe und die Diversifizierung der Materialquellen.

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