Trauer um Flutopfer 73 Kerzen erinnern an die Toten

Bad Neuenahr · Am Samstag fand eine Gedenkfeier im Bad Neuenahrer Kurgarten mit über 500 Besuchern statt. Bürgermeister Orthen rief zu Mut und Zuversicht auf. Die Feier stand unter dem Titel „Gedenken, Gedanken, Danken“.

Der evangelische Pfarrer Friedemann Bach und Dechant Jörg Meyrer spenden Trost nach der Katastrophe.

Der evangelische Pfarrer Friedemann Bach und Dechant Jörg Meyrer spenden Trost nach der Katastrophe.

Foto: Martin Gausmann

73 brennende Kerzen leuchteten im Kurpark in die anbrechende Dämmerung hinein – 73 Lichter im Gedenken an die 73 Mitbürger, die in der Kreisstadt in der Flutnacht mit ihren entfesselten Naturgewalten ihr Leben ließen. „Es sind Menschen, die aus unserer Mitte gerissen wurden. Es sind Menschen, die wir nicht vergessen werden“, sagte Bürgermeister Guido Orthen. Spuren hätten sie hinterlassen, in den Herzen lebten sie weiter, so das Stadtoberhaupt der Kreisstadt.

Es war eine bewegende und würdige Gedenkfeier, zu der die Stadt eingeladen hatte. Mehr als 500 Bürger waren gekommen, um sich gemeinsam an die verheerende Katastrophennacht mit ihren vielen Toten und Verletzten, mit ihrer Zerstörungskraft, mit dem damit einhergehenden Schmerz und Leid, mit der ausgelösten Trauer und Not und dem Elend zu erinnern. Aber auch, um in großer Gemeinschaft nach vorne zu schauen. Mit Kraft und Zuversicht.

„Leben sind ausgelöscht, aber nicht vergessen“, sagte Orthen in der unter dem Titel „Gedenken, Gedanken, Danken“ stehenden Feier. Die verhängnisvolle Nacht habe Herzen gebrochen, habe Seelen geschunden. Niemand gehe unverletzt zur Tagesordnung über. „Wir gedenken der Toten und Verletzten der Flutkatastrophe, wir gedenken der trauernden Hinterbliebenen und wir gedenken aller Menschen unseres Tals und unserer Stadt, die vor einem Trümmerhaufen ihres Lebens stehen, weil sie Haus und Wohnung, Arbeitsplatz und wirtschaftliche Existenz verloren haben, die mit gebrochenem Herzen und verletzten Seelen weiterleben“, so der Bürgermeister der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Blick nach vorne und großer Dank an­ die vielen Helfer

Es gelte aber auch, den Blick nach vorne zu richten. Dies mit Entschlossenheit und dem Willen, die Stadt neu aufzubauen. Orthen: „Auch wenn die Signatur der Katastrophe tief in die Landschaft und in unserer Erinnerung eingekerbt ist, bin ich zuversichtlich, dass das Ahrtal bald wieder in neuer Schönheit und Einzigartigkeit erblüht.“

Zu großen Dank sei man den vielen Helfern verpflichtet, „die uns von der ersten Stunde an solidarisch zur Seite standen. Tausende Menschen, die uns aufgerichtet haben, als wir am Boden lagen, die Mut machten, als uns für einen Moment die Katastrophe blind gemacht hat, um zuversichtlich in die Zukunft zu schauen“. Die Zukunft werde gelingen, wenn alle gemeinsam, Hand in Hand, für die Menschen der Stadt handelten, wenn jeden Tag ein wenig mehr aufgebaut werde und sich die Menschen gegenseitig dabei stützten. Orthen: „Wir können uns halten, weil wir gehalten werden. Gemeinsam schaffen wir das.“ Heimat sei dort, wo man gemeinsam mit anderen ein gemeinsames Ziel verfolge: nämlich diese Heimat zu bewahren oder – wie in Bad Neuenahr-Ahrweiler – neu aufzubauen.

Stadtbrandmeister Marcus Mandt schilderte die mühevolle und oft gefährliche, manchmal auch vergebliche Rettungsarbeit in der Nacht, die im Ahrtal insgesamt mehr als 130 Menschen das Leben kostete und fast 800 Verletzte verursachte. Noch immer werden drei Personen vermisst.

Die Geistlichen von katholischer und evangelischer Kirche sprachen als Vertreter aller Religionen und Konfessionen Worte des Trostes und der Zuversicht. An die vielen Hilfskräfte gerichtet, sagte Dechant Jörg Meyrer: „50 000 Helfer wurden in unser Tal gebracht, sie sind unser Licht. Da kam Gott mit einem Lächeln, mit offenen Ohren und zupackenden Händen.“ Pfarrer Friedemann Bach von der Evangelischen Kirchengemeinde sagte: „Am Tiefpunkt beginnt der Aufbruch.“

Einen thematischen Schwerpunkt bildete das Wort „Dank“. Jeweils gesprochen von Menschen, denen man als Bürger der Stadt selbst zu großem Dank verpflichtet ist.

So dankte Erster Beigeordneter Peter Diewald den Männern der Feuerwehr, Löschzugführer Richard Lindner dem Technischen Hilfswerk, das THW den Spontanhelfern, die wiederum den Helfer-Shuttle-Initiatoren, die Stadtverwaltung dankte den Ortsvorstehern und Beiräten, die ihren Dank den nach der Katastrophe herbeigeeilten auswärtigen Stadtwerken und Versorgungsunternehmen zollten, die Vertreter der Kirchen danken den Initiatoren der privaten Versorgungsstützpunkte, die schnell handelten und Ordnung in das erste Chaos brachten. Christiane Thul-Steinheuer als besonders engagierte Helferin an einem solchen Stützpunkt, gab schließlich den Dank weiter an die Junggesellenvereine, die stellvertretend für den großen Einsatz vor allem junger Menschen Erwähnung fanden.

Mit Beethovens fünfter Sinfonie  – dargebracht von Violina Petryschenko – fand die Gedenkfeier im vor acht Wochen noch komplett überfluteten und stark zerstörten Kurpark ihren Abschluss.

Das Werk war wohl nicht zufällig ausgewählt. „So klopft das Schicksal an die Pforte“, soll der Komponist und Pianist 1808 bei der Uraufführung schließlich erklärt haben. Seither spricht man von der Schicksalssinfonie.

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