Michael Endes Momo steht Pate bei der Inszenierung Ein Stück über die „Grauen Herren“ unserer Zeit

Königswinter · Was würde Michael Endes Momo wohl über die „Zeitdiebe“ des 21. Jahrhunderts sagen? Schülerinnen und Schüler der Jugenddorf Christophorusschule Königswinter jedenfalls wissen: Die „Grauen Herren“ von heute haben viel mit dem ständigen Blick aufs Handy zu tun. Diesem Umstand widmeten sie jetzt ein Theaterstück.

 Bitte lächeln: Das Handy gehört zum täglichen Leben dazu. Und es frisst dabei jede Menge Zeit, wissen die CJD-Schülerinnen und -Schüler.

Bitte lächeln: Das Handy gehört zum täglichen Leben dazu. Und es frisst dabei jede Menge Zeit, wissen die CJD-Schülerinnen und -Schüler.

Foto: Frank Homann

„Ihre Bildschirmzeit war in dieser Woche 25 Prozent höher.“ Wohl jeder Handynutzer kennt diese Meldungen, die überdeutlich machen: Mobiltelefone gehören zu den Zeitfressern unserer Tage. Das wissen auch die Akteure der Literaturkurse an der Jugenddorf Christophorusschule (CJD). Und nahmen sich ein Stück Weltliteratur, in dem es um Zeitdiebe anderer Prägung geht, als eine Vorlage für ihre neueste Inszenierung. „Disconnected - surfen ins Graue“ , so der Titel des Stückes, das auf dem Michael Ende-Klassiker Momo basiert.

Die Theater-Aufführungen der Literaturkurse an dem Königswinterer Gymnasium gelten als besondere Veranstaltung im Jahreslauf. Pandemie bedingt hatte es drei Jahre lang keine Darbietung gegeben. Umso größer war nun die Vorfreude auf das, was der diesjährige Kurs sich erarbeitet hat.

„Die Schüler sind wirklich ganz grundlegend heran gegangen“, so Edith Gogos, die mit Kollegin Stephanie Manz die Literaturkurse begleitet. Nach einem Grundkursus Schauspielunterricht machten sich die Schülerinnen und Schüler auf die Suche nach Ideen für eine Theateraufführung, wie auch Kursteilnehmerin Désiree Reinhard berichtet. Und: „Wir haben uns gefragt, was denn die berühmten ‚Grauen Herren‘ aus Michael Endes Roman Momo, der vor 50 Jahren erschienen ist, wohl heute machen.“

Die Geschichte von den Zeitdieben und dem Kind Momo, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbringt, habe viel mit dem eigenen Leben zu tun. „Uns fehlt auch oft Zeit“, so Reinhard. Die Ursachenforschung ergab schnell: Wesentlicher „Zeitdieb“ ist die fast allgegenwärtige Nutzung der Handys. Die Idee für das Theaterstück war geboren.

Zu Zeit am Mobiltelefon macht einsam

Vieles sei den Schülerinnen und Schülern bei ihrer Arbeit klar geworden. Darunter: Die den Handys gewidmete Zeit gewinnt immer mehr Macht über das Leben von Menschen. Auch über sogenannte Influenzer dachten die Teilnehmer nach - und darüber, dass Handys zur Vereinsamung beitragen können.

Mit viel Elan seien die 21 Schüler dann zu Werke gegangen, blickte Gogos auf die intensive Kursarbeit zurück. Die Schüler hätten die Szenen selbst geschrieben und ein Probenwochenende in Leutesdorf verbracht, um den Szenen einen Feinschliff zu geben. Michael Endes „Momo“ stand dabei Pate für die moderne Fassung „Disconnected - surfen ins Graue“.

Viele Zuschauer waren neugierig auf die Machenschaften der Grauen Herren des 21. Jahrhunderts, die Plätze in der Aula füllten sich rasch. Die Schauspieler hatten sich derweil bereits in einer magischen Kulisse aus überdimensionierten, transparent verschleierten Handysilhouetten positioniert. Sphärische Musik erklang, dazu das laute Ticken einer Uhr - die Handlung begann.

In den Hauptrollen spielten Jolie Tietz (Momo), Birk Wiens (Beppo), Katja Glushkov (Gigi) und Mara Aufdermauer (Kassiopeia). Die Rollen der „Grauen Herren“, Handynutzer, Arbeiter, Kinder und Eltern waren durch die übrigen Schüler in Doppelbesetzungen besetzt. Nicht zu vergessen: Auch ein Handy spielte da ganz aktiv mit.

Dabei sind die Grauen Herren in „Disconnected“ keine menschlichen Wesen, sondern sie bestehen aus dem Quantum an Zeit, das ihnen die Menschen überlassen. Das Ziel: „Zeitbesetzer“ nicht verbannen, aber „gesunden“ Umgang mit ihnen pflegen. „Du hast die Kraft, dein Leben so zu führen, dass es deinem Tempo entspricht. Gehe dein Leben Stein für Stein, Besenstrich für Besenstrich“, bringt Momo es im Dialog mit Handynutzern auf den Punkt.

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