Interview mit Hans-Peter Herkenhöhner Siegburger Musikschulleiter: Der Online-Musikunterricht hat Zukunft

Siegburg · Die Corona-Pandemie hat auch die Musikschulen vor logistische Herausforderungen gestellt. Der Siegburger Musikschulleiter Hans-Peter Herkenhöhner schildert im Gespräch mit dem GA, wie rund 1300 Schüler und 50 Lehrer mit dem Unterricht per Internet zurechtkamen und wie er die Zukunft des Musikunterrichts sieht.

Eine Herausforderung für Schüler und Lehrer: Klavierunterricht digital.

Foto: Susanne Haase-Mühlbauer

Nach sieben Wochen digitalem Unterricht finden seit Dienstag auch an der Siegburger Engelbert-Humperdinck-Musikschule unter Corona-Regeln wieder Einzelstunden statt. Musikschulleiter Hans-Peter Herkenhöhner verrät im GA-Interview, welchen Stellenwert Online-Unterricht für den Musikschul-Betrieb der Zukunft haben könnte.

Die Corona-Krise verhindert seit fast zwei Monaten einen „normalen Schulbetrieb“. Wann hat die Entscheidung, den persönlichen Musikunterricht einzustellen, Sie getroffen?

Hans-Peter Herkenhöhner: Ab Freitag, 13. März, war klar, dass es massive Einschränkungen geben würde. Ab Montag, 16. März, wurde der Präsenzunterricht für uns alle überraschend eingestellt. In einer Besprechung mit unseren Dozenten und in enger Abstimmung mit Bürgermeister Franz Huhn und dem Leiter der Stadtbetriebe Siegburg, André Kuchheuser, haben wir uns entschieden, Unterricht auf digitaler Ebene anzubieten. Unseren Schülern wurde es freigestellt, das als Alternative zu akzeptieren, oder während der Krisenzeit auszusetzen.

Hat es auch Abmeldungen gegeben?

Herkenhöhner: Vereinzelt ja, aber das waren zu einem Großteil Schüler, die sich vermutlich ohnehin mit dem Gedanken trugen, die Abmeldefrist zum Ende des Monats Mai wahrzunehmen. 85 Prozent haben jedoch die digitale Alternative gewählt und werden jetzt über Skype, Zoom, Facetime und andere Plattformen unterrichtet.

Und die Lehrer? Sind alle den Schritt ins Digitale problemlos mitgegangen?

Herkenhöhner: Erstaunlicherweise gab es da von Anfang an größtes Einvernehmen, dass wir mit unserem Online-Angebot den Schülern ein Stück Normalität im veränderten Alltag geben wollten. Selbst Kollegen, von denen alle wussten, dass sie eigentlich mit Handy, Laptop und Internet nichts am Hut hatten, haben sich nach unserer Besprechung auf den Weg gemacht und zu Hause mit WLAN eingerichtet und mit einem Laptop ausgestattet. Das war schon großartig.

Klappt der digitale Einzel-Musikunterricht denn?

Herkenhöhner: Das läuft eigentlich erstaunlich gut, auch wenn es sehr anstrengend ist, wenn man als Lehrer den ganzen Tag über einen kleinen Bildschirm unterrichtet und konzentriert arbeiten will. Wir haben unsere Lehrer über Webinare fortgebildet, um zum Beispiel an der Verbesserung der technischen Voraussetzungen und der Klangqualität zu arbeiten und den digitalen Unterricht insgesamt zu professionalisieren.

Was sind denn die Nachteile des digitalen Unterrichts?

Herkenhöhner: Die Verzögerung in der Übertragung von Ton und Bild macht ein Zusammenspiel von Schüler und Lehrer nicht möglich. Schwierig ist auch der Einblick in die Noten des Schülers oder das Zeigen auf Noten oder Tasten. Das Unterrichtskonzept muss weitgehend an die veränderten Gegebenheiten angepasst werden.

Sind denn auch Vorteile erkennbar?

Herkenhöhner: Unbedingt. Man musste sich schon vor der Corona-Krise fragen, ob es ökologisch vertretbar war, dass ein Sechsjähriger für eine halbe Stunde Unterricht 40 Kilometer hin- und zurückgefahren werden musste, oder ob es da nicht andere Möglichkeiten gibt. Auch bei Erkältung wäre unabhängig von Corona der Digital-Unterricht besser machbar, und Barrierefreiheit, die wir an unserer Musikschule nicht haben, ist beim Online-Unterricht kein Thema.

Wie sieht es denn mit den Bands, Ensembles und der Orchesterarbeit aus?

Herkenhöhner: Man muss zugeben, dass die zentrale Aufgabe der Musikschulen im gemeinsamen Musizieren und nicht im Einzelunterricht liegt. Und dies lässt sich zurzeit leider nicht erfüllen. Der gesamte Sektor liegt unter Corona brach. Auch der Elementarbereich, in dem es um die Musikalisierung unserer jüngsten Schülerinnen und Schüler geht, kann leider nicht stattfinden.

Was spricht gegen Einzelunterricht mit Abstand oder Plexiglas-Wände, wie sie bei Apotheken und Supermärkten bereits bestehen?

Herkenhöhner: Es sind Plexiglas-Wände geordert für den Unterricht, in dem der Atem eine zentrale Rolle spielt, also bei Sängern und Bläsern. Denn eines steht für uns alle fest: Corona und die Folgen werden unseren Musikunterricht noch lange Zeit begleiten.

Gab es nun auch Schüler, die zukünftig lieber digital unterrichtet werden wollen?

Herkenhöhner: Wir haben einige wenige Schülerinnen und Schüler, die den digitalen Unterricht bevorzugen. Grundsätzlich wird auch zukünftig die Möglichkeit zum Unterricht über digitale Medien bestehen, allerdings ist derzeit ein Switchen zwischen diesen Unterrichtsformen nicht möglich.

Welchen Stellenwert hat Online-Unterricht für den Musikschul-Betrieb der Zukunft?

Herkenhöhner: Der Online-Unterricht wird eine weitere wichtige Komponente im Angebot der Musikschulen bleiben. Für Lehrer etwa, die selbst zu den Risikogruppen gehören, wird dies noch lange eine Möglichkeit sein, unterrichten zu können. Wir sollten auf jeden Fall damit weiter aktiv und kreativ umgehen. Auch inhaltlich. Denn schon vorher war uns allen klar, dass die Digitalisierung auch vor dem Musikunterricht nicht haltmacht. Beispielsweise gibt es unglaublich gute Tutorials, mit denen das Lernen erleichtert wird. Das alles müssen wir für unsere Zukunft nutzen.