Flüchtlinge in Bornheim „Wir wollen den Helfern den Rücken stärken“

Bornheim · Zahlreiche Bornheimer engagieren sich in ihrer Freizeit für Flüchtlinge im Stadtgebiet. Unterstützung für die Ehrenamtlichen will der Malteser Hilfsdienst mit seinem neuen Projekt „Integrationslotsen“ bieten, das am Mittwoch startet.

 Luise Görlitz koordiniert das Projekt für die Malteser.

Luise Görlitz koordiniert das Projekt für die Malteser.

Foto: Christoph Meurer

Luise Görlitz, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft „Am Ühlchen“, koordiniert das Programm. Worum es dabei geht und ob die Arbeit nach den jüngsten Anschlägen schwieriger geworden ist, darüber sprach mit ihr.

Was braucht man, wenn man sich als Ehrenamtlicher für Flüchtlinge engagieren möchte?

Luise Görlitz: In unserem Projekt hoffentlich nicht mehr ganz so viel Geduld, Durchhaltevermögen und Zeit wie vorher. Indem wir die Hilfen koordinieren und zusammenhalten, erhoffen wir uns, dass wir es den Ehrenamtlichen leichter machen. Indem die Leute sich in verschiedenen kleineren Projekten wie einer Koch-, einer Deutsch-Lern-Gruppe oder einer Kulturgruppe mit Tanzen und Musik engagieren können, soll es möglich sein, dass man zum Beispiel sagt: „Ich komme nur dienstagsabends für eine Stunde.“ Man soll sich die Zeit also flexibel einteilen können.

Diese Gruppen gibt es zum Teil ja schon in Bornheim, da sind ja schon viele Menschen sehr aktiv. Bauen Sie darauf auf?

Görlitz: Wir wollen das verbindende Glied dazwischen sein, damit die Sachen nicht nebeneinander herlaufen und es mit uns eine zentrale Anlaufstelle gibt – nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Ehrenamtlichen. Die wollen wir schulen und, das ist unser Hauptanliegen neben der Integrationsarbeit, ihnen den Rücken stärken.

Was wollen Sie den Ehrenamtlichen beibringen?

Görlitz: Erst einmal bieten wir eine Basisschulung „Integrationslotse“ an. Die wird aus verschiedenen Themenbereichen bestehen wie Asylrecht, interkulturelle Kommunikation, Informationen zu den Herkunftsländern und worauf man in der Integrationsarbeit achten muss.

Was ist das zum Beispiel?

Görlitz: Dass man offen ist, sich sagt, es ist alles ein bisschen anders als bei uns, Man braucht Geduld und Verständnis.

Ist die Arbeit schwieriger geworden nach den jüngsten Anschlägen, gibt es mehr Ängste?

Görlitz: Das Gefühl habe ich nicht. Die Leute, die bei uns ehrenamtlich aktiv sind, kennen unsere Bewohner in den Unterkünften sehr gut, das ist eine sehr enge Betreuung. Und ich denke, allen ist bewusst, dass der Querschnitt einer jeden Gesellschaft aus den Herkunftsländern hierhergekommen ist, dass es solche und solche Leute gibt. Bisher haben wir keine Probleme gehabt.

Sind Sie auch Anlaufstelle, wenn Ehrenamtliche den Eindruck haben, da läuft etwas nicht gut, wenn sie ein ungutes Gefühl mit Blick auf eine mögliche Radikalisierung von Flüchtlingen haben?

Görlitz: Ja, natürlich. Wir haben dann auch Kontakte, etwa zu „Wegweiser“ in Bonn (Präventionsprogramm des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW gegen extremistischen Salafismus, Anmerkung der Redaktion). Bisher ist das in Bornheim aber nicht vorgekommen.

Gibt es umgekehrt auch Sorgen unter den Flüchtlingen, dass man sie unter Generalverdacht stellt?

Görlitz: Wir haben da schon in der Vergangenheit viele Gespräche geführt und auch jetzt ist das natürlich ein Thema. Die Menschen möchten sich ganz klar von diesen Geschehnissen distanzieren und zeigen, dass sie Deutschland nützlich sein möchten.

Warum ist es wichtig, dass Ehrenamtliche sich engagieren?

Görlitz: Einmal für die deutsche Gesellschaft. Die Ehrenamtlichen sind unsere Multiplikatoren, die die Akzeptanz gegenüber den Geflüchteten weitertragen können. Und natürlich ist es auch wichtig für die Geflüchteten: Von wem können sie besser lernen als von jemandem aus der Gesellschaft?

Ihr Projekt nennt sich „Integrationslotsen“. Wo fängt Integration an, wie kann sie gelingen, gerade auch in einer Situation, in der es auch Skepsis, vielleicht sogar Ängste in der Bevölkerung gibt?

Görlitz: Durch den Kontakt würde ich sagen. Also das Zeichen: „Hey wir nehmen dich mit, wir zeigen dir alles“. Das Ziel sollte sein, dass sich alle wohl fühlen. Auch die bestehende Gesellschaft muss somit an Integration arbeiten – wenn die Mitbürger sich nicht mit dem Neubürger wohlfühlen, wird es schwer für den Neubürger, dies zu tun. Aufeinander zuzugehen ist also ganz wichtig.

Mit welcher Motivation kommen die Ehrenamtlichen zu Ihnen?

Görlitz: Oft ist es die Neugier, aber auch viel Willkommenskultur, sie wollen helfen. Und es ist sehr schön zu sehen, wie viele sich engagieren. Jeder Ort in Bornheim hat ja bereits eine Initiative.

Und das soll auch alles weiterlaufen? Also die Menschen, die sich schon engagieren, brauchen keine Sorge haben, dass sie das nicht weitermachen dürfen?

Görlitz: Nein, das fassen wir nicht an. Wir sind total froh, dass da schon Projekte in den einzelnen Unterkünften laufen. Wir sind dafür da, Unterstützung zu bieten. Wir wollen auch regelmäßig Gruppenstunden zu verschiedenen Themen mit verschiedenen Referenten bieten.

Warum wurde Bornheim für das Projekt ausgewählt?

Görlitz: Weil wir hier Bedarf gesehen haben. Die ehrenamtliche Leistung in Bornheim ist enorm, da können wir gut unterstützen.

Ist die Integration im ländlichen Raum schwieriger als in Großstädten?

Görlitz: Sie kann im dörflichen Bereich sogar einfacher sein, weil die Leute sich näherstehen, sich kennen. Viele Geflüchtete zieht es schon in die Großstädte, weil sie da die günstigeren Wohnungen erwarten oder die besseren Jobs. Aber es ist da ja nicht unbedingt einfacher, und es ist auch ein Ziel, den Leuten die Chancen, auch hier in Bornheim, aufzuzeigen.

Was sind die drängendsten Themen? Arbeit? Sprache lernen?

Görlitz: Sprache natürlich, aber da werden wir eher Nachhilfe anbieten, zumal die Integrationskurse ja über die Volkshochschule laufen. Die Freizeitgestaltung ist wichtig: Die Leute haben Langeweile, sie sitzen aufeinander und haben irgendwann Gruppenkoller. Ich finde es ganz wichtig, dass man die Menschen aus den Unterkünften herausholt und zum Beispiel auch den Kontakt zu Vereinen vermittelt, damit sie merken, da gibt es ganz viel, was ich machen kann.

Ist es inzwischen schwierig, ehrenamtliche Helfer, die sich vielleicht schon über Monate engagieren, bei der Stange zu halten?

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