Folgen der Flut Winzer verlagert Produktion von der Ahr nach Meckenheim

Meckenheim · Wegen der Zerstörungen in Dernau verlagert Winzer Kreuzberg seine Produktion in den Industriepark Kottenforst. Dazu braucht es viele Helfer, Fingerspitzengefühl und manchmal auch eine gute Portion Glück.

 Das zerstörte Weingut Kreuzberg aus Dernau – die Produktionshalle zieht in den IP Kottenforst nach Meckenheim um.

Das zerstörte Weingut Kreuzberg aus Dernau – die Produktionshalle zieht in den IP Kottenforst nach Meckenheim um.

Foto: Axel Vogel

Wenn man so will, macht das unternehmerische Einzelschicksal des alteingesessenen Weingutes von Ludwig Kreuzberg aus Dernau Hoffnung auf einen Neuanfang nach der Katastrophe. Der ebenfalls von den Juli-Fluten betroffene Winzerbetrieb, gegründet 1953 von Kreuzbergs Großvater Hermann-Josef, will angesichts der Mitte September beginnenden Weinernte umziehen – „und die Produktion an einem sicheren Standort mit einer intakten Wasserversorgung wieder aufnehmen“, erklärt Kreuzberg-Betriebsleiter Benno Wagner. Genauer gesagt auf 2000 Quadratmetern in einer bislang leerstehenden, ehemaligen Logistikhalle im Industriepark Kottenforst bei Meckenheim.

In der ingesamt 16.000 Quadratmeter großen Halle, die der Firma Meckenheimer Bioenergie (MBE) gehört, und die in den nächsten Jahren einem Biomasseheizkraftwerk weichen soll, ist seit einigen Wochen bereits die Katastrophenhilfe „Meckenheim hilft“ zu Hause. Stefan Pohl, Mitinitiator von „Meckenheim hilft“, hatte via Facebook von Kreuzbergs Nöten erfahren und dann auch den Kontakt zur MBE vermittelt.

Drei Edelstahltanks, gefüllt mit je bis 2200 Litern Wein

Nachdem bereits seit Mitte August einiges an Ausrüstung, Einrichtung und Bürologistik nach Meckenheim geschafft wurde, standen zuletzt die großen Dinge an: Drei Edelstahltanks, gefüllt mit je bis zu 2200 Litern Wein sowie ein weiterer, großer leerer Wein-Hochbehälter mussten nach Meckenheim gebracht werden. Das Verladen der Flüssigkeitsbehälter erwies sich bald als äußerst diffiziles Unternehmen. Bei sieben festangestellten Mitarbeitern, die zudem teils mit Arbeiten in den Weinbergen beschäftigt sind, nicht zu schaffen ohne zusätzliches Know-how. Und vor allem mit entsprechenden Maschinen und Ausrüstung.

Jüngst fand sich Kreuzbergs Helfertruppe um 8 Uhr morgens vor der Produktionshalle des Weingutes im Dernauer Industriegebiet zusammen. Auch die Halle war durch die Ahr-Fluten unbrauchbar geworden. Zum Dreh- und Angelpunkt wurde schnell der Westerwälder Spediteur Stefan Hagen, der mit Tochter Anne seinem 40-Tonner und dem befreundeten Landwirt Dominik Olivier nach Dernau gekommen war.

Für Spediteur Hagen, der am Morgen bereits auf dem Hinweg eine Spendenlieferung bei der Initiative „Meckenheim hilft“ abgeliefert hatte, stand außer Frage: „Wenn so was wie an der Ahr passiert, darf man nicht lange überlegen, man muss handeln.“ Ebenfalls mit dabei: Ein Stammgast des Weingutes Kreuzberg, der Troisdorfer Sportartikelausrüster Panos Hadjinicolaou. Zum unentbehrlichen Spezialisten der Truppe avancierte Lkw-Fahrer Andreas Holtmann aus Ochtrup, der zufällig aus Walporzheim zur Aktion dazugestoßen war. Holtmann sollte sich in den nächsten Stunden als wahrer Könner an den Hebeln eines geliehenen Teleskopstablers erweisen.

Auch das Festzurren auf der Ladefläche durch Spediteur Hagen war eine Wissenschaft für sich. Betriebsleiter Benno Wagner fieberte beim Verladen förmlich mit. Der gebürtige Münchner hoffte nämlich, den Rotwein aus den Edelstahltanks retten zu können. Eine Reihe Barriquefässer, gefüllt mit jenem Rotwein und Spätburgunder, für den das Weingut bekannt ist, hat die Flut ebenfalls heil überstanden.

Auch große Gebinde mit einzelnen „Flutwein“-Flaschen haben Wagner und seine Mitarbeiter aussortieren können. Nicht mehr zu retten sind dagegen viele leere Barriquefässer, die für die nächste Ernte gebraucht werden. „Hier ist Wasser in das Holz eingedrungen, das möglicherweise mit Heizöl belastet gewesen sein könnte“, erklärt Betriebsleiter Wagner.

Unterm Strich war nur noch wenig brauchbar aus der Produktionshalle, die einige hundert Meter entfernt vom Ahrufer liegt. Selbst hier stand das Wasser in der Unwetternacht noch etwa 3,50 Meter hoch. Besonders schmerzt Winzer Kreuzberg, dass dort alle Maschinen für die Arbeit im Weinberg zerstört wurden. Fest steht: In der Dernauer Produktionshalle, in der Flaschen vor dem 14./15. Juli in alle Welt verschickt wurden, geht nichts mehr weiter. Familie Kreuzberg muss sich gleichzeitig um mehrere „Baustellen“ kümmern.

Die Ahr fließt nur rund hundert Meter weit entfernt vorbei

Neben der bald beginnenden Weinernte auf rund 9,5 Hektar Rebfläche gilt es, den Wiederaufbau des eigentlichen Weingutes samt der erst jüngst renovierten Straußenwirtschaft und Pension im Herzen Dernaus zu stemmen. Das Weingut Kreuzberg blieb zwar stehen, musste aber wegen der Schäden in den Zustand eines Rohbaus versetzt werden. Immer noch ungeklärt ist, ob die drei Gebäude abgerissen werden müssen. Die Ahr fließt nur rund hundert Meter weit entfernt vorbei. Wie für viele andere Winzerbetriebe, wurde genau diese Nähe zu dem sonst idyllisch dahinplätschernden Gewässer Winzer Kreuzberg zum Verhängnis.

 Betriebsleiter Benno Wagner begutachtet die Gebäude des Weinguts und der Straußenwirtschaft in Dernau.

Betriebsleiter Benno Wagner begutachtet die Gebäude des Weinguts und der Straußenwirtschaft in Dernau.

Foto: Axel Vogel
 Freiwillige Helfer verladen mit Wein gefüllte Behälter für den Transport in Richtung Meckenheim.

Freiwillige Helfer verladen mit Wein gefüllte Behälter für den Transport in Richtung Meckenheim.

Foto: Axel Vogel

An der Produktionshalle war das Werk gegen 16 Uhr vollbracht. Alle Tanks hatten die Helfer verladen, und Spediteur Hagen wollte sich vorsichtig mit seiner sensiblen Fracht und der Helfertruppe in Richtung Meckenheim aufmachen. Aber ein neues Problem kam auf: Ohne Teleskopstabler konnten die Tanks dort nicht entladen werden. Was die Helfer brauchten, war ein Tieflader, der den Stapler nach Meckenheim transportieren konnte.

Und jetzt kam Glück ins Spiel. Tobias Wilhelm stand gegen 16 Uhr völlig entnervt mit einem Laster voller Hilfsgüter und einem Tieflader, auf dem ein Radlader festgezurrt war, ein paar Meter vor der Kreuzbergschen Halle. Wilhelm war morgens mit seinem Freund Alexander Musch von Singen am Bodensee gestartet, um an der Ahr zu helfen. Doch das konnte er nicht – vor Ort fühlte sich nämlich niemand zuständig, die Hilfsgüter entgegenzunehmen. War sein Lkw aber nicht leer, konnte Wilhelm keinen Schutt aufnehmen und abtransportieren.

Ein vor Ort spontan zusammen telefonierter Deal stellte alle Seiten zufrieden: Nach einem Anruf bei „Meckenheim hilft“, die ja in derselben Halle wie das Weingut Kreuzberg untergebracht sind, stand fest: Wilhelm kann dort seine Hilfsgüter loswerden. Im Gegenzug nahm er den Teleskopstapler mit.

Betriebsleiter Wagner strahlte. Es sieht so aus, als ob der Plan mit Hilfe seines Teams tatsächlich gelingt: Dass sein Weingut rechtzeitig vor der Lese wieder mit dem Betrieb starten kann. „Wir schaffen das“, glaubt er. Ein Hoffnungsschimmer im geschundenen Ahrtal.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort