Besuch im Lengsdorfer Heimatmuseum Fundstücke im Heimatmuseum spiegeln den Alltag wider

Lengsdorf. · Hunderte Exponate lassen im Heimatmuseum Lengsdorf die Vergangenheit lebendig werden. Es sind meist unscheinbare Dinge, die jedoch das Alltagsleben der Menschen entscheidend geprägt haben, wie emaillierte Blechteller, rustikale Bauernmöbel und Küchengeräte aller Art.

 Wilfried Palm rückt im Lengsdorfer Heimatmuseum den Haussegen gerade.

Wilfried Palm rückt im Lengsdorfer Heimatmuseum den Haussegen gerade.

Foto: Stefan Hermes

Während in den vielen Museen Bonns meist nur Exponate mit hohem Aufmerksamkeitswert ausgestellt sind, finden sich im Lengsdorfer Heimatmuseum all die Dinge des Alltags, die erst durch die Aufnahme in Vitrinen und Schaukästen ihre oft vernachlässigte Aufmerksamkeit erfahren. Es sind meist unscheinbare Dinge, die jedoch das Alltagsleben der Menschen entscheidend mitprägen. Statt kunstvoller Petitessen aus herrschaftlichen Häusern, finden sich in der ehemaligen Schule an der Lengsdorfer Hauptstraße emaillierte Blechteller und rustikale Bauernmöbel und Küchengeräte aller Art.

„Niemals kommt die Flasche aus dem 18. Jahrhundert“, schmunzelt Wilfried Palm, als er eine kleine Bügelflasche entdeckt, deren Archivschild auf das vermeintlich frühe Herstellungsdatum verweist. Dass der ehemalige Besitzer der industriell hergestellten Glasflasche offensichtlich einer Fehleinschätzung erlegen ist, übersieht der Kurator des Museums großzügig. Oft werden die Mitglieder des Lengsdorfer Heimat- und Verschönerungsvereins (HVV) zu Haushaltsauflösungen eingeladen oder man übergibt ihnen Gerätschaften aus längst vergangenen Tagen, für die in modernen Zeiten oder in den kleiner gewordenen Wohnungen kein Platz mehr vorhanden ist. „Vieles davon ist es nicht unbedingt wert, in unserem Museum gezeigt zu werden oder ist bereits vorhanden“, weiß Palm. Trotzdem können gerade die Alltagsgegenstände des 19. Jahrhundert ihren besonderen Reiz entfalten, wenn beispielsweise die Enkel ihre Großeltern zu einem (übrigens kostenlosen) Besuch im Heimatmuseum einladen. So wird die jüngere Generation vielleicht auch die Bedeutung zu dem Spruch erfahren können, der von einem „schiefen Haussegen“ erzählt.

Es war die Erfindung der Lithografie, die im 19. Jahrhundert als neue Drucktechnik dazu führte, dass Grafiken auch für die ärmeren Schichten der Bevölkerung erschwinglich wurden. Damit fanden auch christliche Bilder eine erhebliche Verbreitung. Besonders beliebt waren zu Anfang des 19. Jahrhunderts die kolorierten Wandsprüche, Kommunions- und Konfirmationsurkunden sowie eben auch der Haussegen. Es war kein glückliches Zeichen, wenn der schief hing, erklärt und demonstriert Palm an einer Wand mit ebensolchen Exponaten.

Es muss etwas ganz Besonderes gewesen sein, Anfang 1900 im Besitz eines gerade erfundenen Grammophons zu sein, wie es im Heimatmuseum zu sehen ist. Erstmals war es damit möglich, den in Schellackplatten gepressten Ton als gesprochenes Wort oder Musik zu speichern und zu hören. Ab 1923 kam das Radio hinzu, das zehn Jahre später mit dem sogenannten Volksempfänger – von den Nazis als Propagandainstrument erkannt – eine deutschlandweite Verbreitung erfuhr. Zu dieser Zeit war auch bereits das erste vollelektronische Fernsehgerät erfunden.

Doch erst 1935 konnte man bei dem ersten regelmäßig für einige wenige Stunden in der Woche ausgestrahlten Programm „in die Röhre gucken“. Bis der Fernsehapparat Einzug in alle deutschen Haushalte hielt, dauerte es noch eine Weile, denn bis in die 1970er Jahre betrug der Preis für ein Fernsehgerät rund 1000 Mark und damit mehr als den durchschnittlichen Monatslohn eines Facharbeiters. Manch ein älterer Besucher des Museums wird sich noch an diese Zeit erinnern können. Deren Enkel, die heute mit dem Handy in der Tasche nicht nur Videos sehen und telefonieren können, sondern auch einen Zugriff auf das Wissen dieser Welt haben, wird bereits der Anblick eines Wählscheibentelefons fremd vorkommen. Auch das im Museum ausgestellte Spinnrad unbekannter Herkunft wird – wenn überhaupt – nur aus der Märchenwelt bekannt sein. Neben den vielen und bedeutsamen Archäologika, die zur Gründung des Heimatmuseums führten, sind es die scheinbar banalen Gegenstände aus der Alltagskultur, die vom Leben der Menschen erzählen, die heute noch ihr Wissen hinzufügen können.

Krauthobel, Bohnenschnippler und Fleischwolf oder auch mechanische Rasierapparate, Wäschestampfer und -mangeln sowie die schmucke Uniform des Junggesellenvereins und der oft geteilte Mantel des Lengsdorfer St. Martins sind neben Mobiliar, Fotografien und den Gemälden, die nach dem Brand in St. Petrus ebenfalls Aufnahme im Museum fanden, inspirierender Anlass für manche Geschichte, die noch nicht erzählt wurde.

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