Bonner Bundestagskandidat Hans Neuhoff im Porträt Gegenwind ist er gewohnt

Bonn · AfD-Bundestagskandidat Hans Neuhoff hat Trommelspielen in Indien gelernt und wird von seinen Studenten angefeindet, aber auch respektiert. Er findet, dass Björn Höcke falsch interpretiert wird - Andreas Kalbitz in der Partei aber nichts zu suchen habe. Ein Besuch in seiner Mehlemer Wohnung.

 Musikprofessor Hans Neuhoff, Bonner Bundestagskandidat der AfD, spielt in seinem Wohnzimmer in Mehlem Cajón. Zu seinen Spezialgebieten gehört Rhythmusforschung.

Musikprofessor Hans Neuhoff, Bonner Bundestagskandidat der AfD, spielt in seinem Wohnzimmer in Mehlem Cajón. Zu seinen Spezialgebieten gehört Rhythmusforschung.

Foto: Nicolas Ottersbach

Der Briefkasten verrät viel über einen Menschen. Dass er keine Werbeprospekte will, ein „wachsamer Nachbar“ ist oder er regelmäßig liest und dafür eine zusätzliche Zeitungsrolle anbringt. Bei Hans Neuhoff ist es Angst. Davor, dass das Mehrparteienhaus am Mehlemer Rheinufer beschmiert wird. Deshalb trägt das Klingelschild der Wohnung nicht den Namen des Bonner Bundestagskandidaten, sondern den seiner Frau.

Im Flur steht ein Babybett neben einem Kickertisch. „Das ist gerade die ungeschönte Wahrheit bei uns“, erzählt er. Die Wohnung ist eine Mischung aus Kinderbetreuung, Büro, Hörsaal und Rückzugsort für die Familie. „Die letzten anderthalb Jahre haben mich mit zwei Jungs im Grundschulalter viel Kraft gekostet, denn sie waren ständig zu Hause und mussten von mir unterrichtet werden“, sagt Neuhoff, der Professor an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz ist. Im Mai stieß dann noch ein Nachzügler dazu.

Studenten starten Petition

An der Hochschule haben Studenten eine Petition gestartet, um sich von dem Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) zu distanzieren. Rund 320 Unterschriften ist die Liste lang, die Hochschule hat etwa 1600 Studenten. Neuhoff nimmt den Vorgang gelassen. „Die meisten sind längst exmatrikuliert.“ Ob sich seine aktuellen Studenten, die von seiner Bewertung abhängig sind, überhaupt trauen würden, zu unterschreiben? Das weiß Neuhoff nicht, schließt aber aus, dass das bei Benotungen eine Rolle spielen würde.

Gegenwind ist Hans Neuhoff gewohnt. Repräsentative Aufgaben darf er an der Hochschule nicht mehr wahrnehmen, seine Lehre ist dank des Landesbeamtengesetzes, das ihm seinen Job garantiert, aber nicht in Gefahr, auch wenn es Kollegen gibt, die seine Parteizugehörigkeit stört. „Meine interdisziplinär angelegten Seminare kommen bei vielen Studenten gut an. Sie sind froh, dass bei Themen wie Geschlechterrollen bei mir auch die Biologie mit einbezogen wird.“ Seine Positionen seien bürgerlich-konservativ und die „Krise des Konservatismus“ der Grund, warum er 2017 in die AfD eingetreten sei. „Die anderen Parteien haben diese Positionen nicht mehr vertreten.“ Er findet, dass es ein „links-grünes Wahrheitsregime“ gibt, das „durchbrochen“ werden muss. Neuhoff drückt sich gewählt aus. Mal intellektuell, mal wie am Stammtisch.

Parteikollege Björn Höcke, der mit seiner scharfen und zweideutigen Sprache bei Rechten gerne Gehör findet, werde oft „falsch interpretiert“. Das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Mahnmal der Schande“ zu betiteln, sei als Bewunderung zu bewerten. „Dass wir Deutschen den Mut haben, so unsere Geschichte aufzuarbeiten.“ Höckes 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur geht Neuhoff aber zu weit. „90 Grad wären zu wenig, aber 110, 120 Grad würden uns gut tun.“ Bei AfD-Mann Andreas Kalbitz ist er deutlich: Jemand mit dessen rechtsextremer Vergangenheit habe nichts in der Partei zu suchen, deshalb unterstütze er das Ausschlussverfahren. Ob er sich von Rechtsextremen wählen lassen will? „Nein.“ Auf der Landesliste steht er nicht, er kann nur mit einem Direktmandat in den Bundestag einziehen.

Dass Neuhoff in Köln lehrt und in Bonn wohnt, ist Zufall. 2004 kam er in die Bundesstadt, weil man ihm die Stelle an der Hochschule angeboten hatte. Nach seiner musikalischen Ausbildung an Violine und Tabla in Deutschland und Indien studierte Neuhoff Musikwissenschaft und Indische Philologie in Berlin. Die Fachgebiete des zweifach habilitierten Wissenschaftlers sind Kultursoziologie, Musikpsychologie und Musiktheorie. Zu seinen Spezialgebieten gehört die Rhythmusforschung. Für ein Foto packt Neuhoff spontan eine Cajón aus. Er hätte sich auch an das Klavier setzen können, auf dem sein jüngerer Sohn gerade lernt. „Aber Klavier spiele ich nur amateurhaft.“ Seine Lieblingsmusik? „Richard Wagner.“ Beim Autofahren gerne Al Jarreau.

Die Nähe zu Niederbachem, wo er aufgewachsen ist, hatte einen Vorteil: Neuhoff konnte sich mit seinen Geschwistern – Bruder Thomas leitete den Philharmonischen Chor der Stadt Bonn – um ihre Mutter kümmern. „Für uns kam es nie in Frage, sie in ein Altersheim zu stecken“, sagt Hans Neuhoff. Er hat ein klassisches Familienbild: „Mutter, Vater, Kinder und Generationensolidarität.“ Neuhoff trifft damit genau die AfD-Linie. In der Öffentlichkeit präsentieren möchte er seine Frau und die Kinder nicht – zu groß seien die Ressentiments wegen seiner Person. Dennoch macht er kein Geheimnis daraus, dass seine Frau, die er bei einem internationalen Kunstprojekt kennengelernt hat, aus Burkina Faso stammt und schwarz ist.

Wie das mit den AfD-Ansichten zur Einwanderung zusammenpasst? Kulturen müssten in ihren eigenständigen Facetten und Unterschieden verstanden werden. Deshalb brauche Deutschland eine Leitkultur, um nicht „zu überfremden“. Für ihn bedeutet das: „In Situationen kulturell bedingter Wert- oder Normkonflikte muss einer Kultur der Vorrang zukommen.“ Seine Frau macht gerade einen Deutschkurs, um das Niveau B2 zu erreichen. Er einen auf Französisch. Aber gestritten werde in ihrer Muttersprache.

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