Fall vor dem Landgericht Hat eine Bonnerin ihre pflegebedürftige Mutter erstickt?

Bonn · Seit Donnerstagmorgen steht eine 57-jährige Bonnerin vor dem Schwurgericht, weil sie ihrer 81-jährigen Mutter das Leben genommen haben soll. Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

 Eine 57-jährige Frau muss sich vor dem Bonner Landgericht verantworten. Ihr wird vorgeworfen, an dem Tod ihrer pflegebedürftigen Mutter Schuld zu sein.

Eine 57-jährige Frau muss sich vor dem Bonner Landgericht verantworten. Ihr wird vorgeworfen, an dem Tod ihrer pflegebedürftigen Mutter Schuld zu sein.

Foto: dpa/Arne Dedert

Vor der 4. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht hat am Donnerstagmorgen ein Prozess wegen Totschlags gegen eine 57-jährige Frau aus Bonn begonnen. Ihr wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, am 4. Oktober vergangenen Jahres ihre pflegebedürftige 81-jährige Mutter in der gemeinsamen Wohnung erstickt zu haben. Die Angeklagte bestreitet den Vorwurf: Ihre Mutter sei am frühen Montagmorgen kurz vor dem Eintreffen des von ihr benachrichtigten Rettungsdienstes verstorben. Dass sie erstickt sei und dass die Staatsanwaltschaft nicht von einer natürlichen Todesursache ausgeht, habe sie erst erfahren, als einige Tage später die Polizei vor ihrer Türe stand.

Angeklagte weist Vorwürfe weit von sich

Sie habe in einer Gemengelage aus Sorge, Angst, Wut, Panik und Müdigkeit gehandelt, sagte die sehr strukturiert wirkende Angeklagte ohne merkliche Gefühlsregung. So sei es zu erklären, dass sie gegenüber ihrer geliebten, aber wegen einer Demenz auch sehr schwer zu handhabenden Mutter wiederholt sehr „robust“ aufgetreten sei. Dazu hätten zu ihrem größten Leidwesen auch ein paar Mal Schläge mit der flachen Hand gehört. Den Vorwurf, die demente, bettlägerige Frau durch Ersticken umgebracht zu haben, wies die Angeklagte hingegen weit von sich. Sie könne sich das nur so erklären, dass ein Stückchen einer Banane, dass sie ihrer Mutter kurz zuvor gefüttert habe, in deren Hals stecken geblieben sein müsse.

Die Nahrungsaufnahme sei zunehmend schwierig gewesen, die Mahlzeiten hätten sich oft über Stunden hingezogen. Klein geschnittene Bananen habe ihre Mutter aber immer wieder gerne gegessen, so auch am Morgen des 4. Oktober. Weil sie sich nicht ganz sicher war, ob ihre Mutter das Stück auch tatsächlich heruntergeschluckt hatte, habe sie eigens eine kleine Taschenlampe geholt und ihr in den Mund geleuchtet. Gefunden habe sie aber nichts. Dennoch sei ihr in diesem Moment klar geworden, dass sie die Pflege nicht mehr alleine stemmen kann. Sie sei mit dem festen Entschluss, Hilfe zu rufen, ins Bad gegangen, um sich fertig zu machen. Als sie in das Schlafzimmer zurückkehrte, sei ihre Mutter aber bereits tot gewesen.

Ein Leben als alleinerziehende Mutter

Das Bild, das die Angeklagte dem Gericht in äußerst präziser, oft auch bildhafter Sprache von ihrem Leben zeichnete, zeigte immer wieder die Brüche innerhalb ihrer Familie. Über mögliche Lebenspartner hingegen verlor sie kein Wort. Als Kind eines libyschen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, wuchs die Frau bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf. Die sei eine durchsetzungsstarke Frau gewesen, was angesichts der Ablehnung, die ihr mit einem unehelichen Kind entgegengebracht worden sei, auch bitter notwendig gewesen sei. Dennoch habe das Tochter-Mutter-Gespann vor einigen Jahren die ebenfalls demente 100-jährige Großmutter aus deren süddeutschem Heimatort geholt und bis zu ihrem Tode im Jahr 2014 gemeinsam in Bonn gepflegt.

Die Vorwürfe gegen die Frau resultieren wohl hauptsächlich aus dem rechtsmedizinischen Gutachten: Darin heiße es – so hielt es der Vorsitzende Richter Klaus Reinhoff der Angeklagten vor –, dass der von der Tochter angegebene Todeszeitpunkt aufgrund des untersuchten Mageninhalts nicht plausibel sei. Mit einem Urteil wird Anfang März gerechnet.

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