Geräte reichen noch nicht GEW fordert Luftfilter für alle Schulen in Bonn
Bonn · Die Stadt lässt die ersten mobilen Luftfiltergeräte in ausgewählten Kitas und Schulen aufstellen. Gewerkschaft und Eltern kritisieren, dass angesichts explodierender Inzidenz in Bonn nur ein Bruchteil der Klassenzimmer damit ausgestattet werden soll.
Unter den fachmännischen Augen des Bonner Hygieneexperten Professor Martin Exner und des Chefs des Städtischen Gebäudemanagements (SGB) Lutz Leide hat die Stadt Bonn nach der Königin-Juliana-Schule nun auch in der Derletalschule, eine Förderschule in Duisdorf, die ersten Luftreinigungsgeräte in Klassenräumen aufstellen lassen. Geräte, wie sie sich allerdings viele Eltern für die Klassenzimmer ihrer Kinder wünschen, um sie besser vor den Coronaviren schützen zu können. Für Exner, ehemaliger Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit und Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Infektiologie und Infektionsschutz der Universität Bonn, ist das aber nicht zuletzt auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
165 Geräte hat die Stadt Bonn, wie berichtet, geordert, um sie entsprechend einer Empfehlung des Umweltbundesamtes in 150 Räumen von städtischen Kitas und Schulen aufstellen zu lassen, die zur sogenannten Kategorie 2 gehören (nur schlecht zu lüften). In allen anderen Unterrichts- und Kitaräumen machen der Stadt zufolge Klimaanlagen oder weit zu öffnende Fenster den Einsatz der Geräte überflüssig.
Elf Räume würden wegen mangelnder Lüftungsmöglichkeiten nicht genutzt. 42 dieser Filtergeräte sind jetzt mit Verzögerung aufgrund von Lieferschwierigkeiten in einer ersten Charge angekommen, die restlichen sollen in den nächsten Tagen und Wochen folgen. „Ich sehe die Luftfilter als eine Option für Räume, die sich nur schlecht lüften lassen“, erklärte Exner, der den Bonner Krisenstab berät. Sie seien allerdings kein Ersatz für das Lüften, betont der Experte. So nannte er als eine andere Option den Einbau von Luftventilatoren, wie man sie etwa in dem Klassenraum in der Derletalschule, der lediglich über Oberlichter zu lüften ist, einbauen könnte. Sie könnten anders als die Luftreinigungsgeräte Frischluft zuführen. „Sie werden von Experten ebenfalls als eine gute Alternative angesehen.“
Bester Schutz für Schüler bleibt die Maske
Für Exner ist es vor allem wichtig, dass die Schüler nach wie vor einen Mund- und Nasenschutz als sehr wirkungsvollen Schutz gegen Corona tragen und feste Sitzplätze haben. Er kenne Kitas, wo es trotz der Luftfilter zu Corona-Ausbrüchen gekommen sei. Ein weiterer Aspekt sei, dass es „für Kommunen natürlich auch schwierig ist, sich über die Empfehlungen des Umweltbundesamtes hinwegzusetzen. Es handelt sich bei der Anschaffung der Luftfiltergeräte schließlich um einen erheblichen Kostenfaktor.“
Damit legt der Professor nach Meinung von Rolf Haßelkus, Vorsitzender des Stadtverbands Bonn der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Finger in die richtige Wunde: In einem Offenen Brief der Bonner GEW an Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) von vorigerer Woche heißt es unter anderem auch mit Blick auf die in Bonn explodierenden Corona-Zahlen insbesondere unter Kita-Kindern und Schülern: „Nach einem langen Hin-und-Her sind wir froh, dass die Stadt Bonn endlich die ersten Luftfilter an Kitas und Schulen einbaut. Uns ist aber immer noch nicht ersichtlich, warum zum Schutz der Kinder und Jugendlichen nicht wesentlich mehr Luftfilter in Kita- und Klassenräumen eingebaut werden. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Länder und Kommunen kaum Gelder für Luftfilteranlagen abgerufen haben.“
Aus dem 200-Millionen-Euro-Förderprogramm des Bundes seien zur Beschaffung von Raum-Luftfiltern erst 3,7 Millionen Euro an die Bundesländer ausgezahlt worden, so Haßelkus weiter. „Wir sehen, dass andere Kommunen wie Siegburg und Köln wesentlich mehr Luftfilteranlagen für ihre Kitas und Schulen einbauen lassen wollen. Wir fragen uns, warum die Stadt Bonn nicht kooperativer auf die vielen Elterninitiativen eingegangen ist, die teilweise mit Elterngeldern, eigenständig Raum-Luftfiltergeräte anschaffen wollten“, klagt der GEW-Vorsitzende, der hauptberuflich als Lehrer in Bonn tätig ist. Die GEW sei der Auffassung, dass bei der Anschaffung von Luftfilteranlagen „noch Luft nach oben ist und bitten Sie, die sehr eingeschränkte Haltung der Stadt Bonn in dieser Frage noch einmal zu überdenken“.
Wie berichtet, hatten unter anderem Eltern der Erich-Kästner-Grundschule im vorigen Jahr auf eigene Kosten mobile Luftreinigungsgeräte mit Hepa-14-Filtern angeschafft. Die Stadt hat die Inbetriebnahme allerdings bisher untersagt.
Eltern sind um ihre Kinder besorgt
Drastische Worte für die bisherige Corona-Politik von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) findet Tanja Balhamra. Ihre Tochter besucht die Elsa-Brändström-Schule in Tannenbusch, berichtet die Mutter dem GA am Dienstag, und sei gefühlt andauernd in Quarantäne. „Schule ist kein sicherer Ort, wie Frau Gebauer gern behauptet“, klagt Balhamra. Im Gegenteil, die Kinder steckten sich dort inzwischen reihenweise an. Dabei sei ihre Tochter besonders gefährdet, weil sie an einer Immunschwäche leide. Doch nach wie vor gebe es noch nicht einmal Luftfilter in den Klassen, auch sei das neue Testverfahren für Kinder und Lehrer eine Zumutung.
„Eine Schule ist doch kein Test- und Corona-Informationszentrum, aber genau das mutet man allen jetzt zu“, schimpft die Mutter. An diesem Mittwoch wolle sie deshalb mit anderen Eltern ab 8 Uhr vor der Schule an der Hohe Straße mit Plakaten gegen die aktuelle Corona-Politik des NRW-Schulministeriums protestieren. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich habe den Eindruck, dass unsere Kinder wie Kanonenfutter behandelt werden, weil man einfach eine Durchseuchung hinnimmt.“