Bilanz der Bonner Stadtwerke Energiepreise könnten bald wieder fallen

Bonn · Die Stadtwerke Bonn erzielen beim Jahresabschluss 2022 ein Minus von 1,1 Millionen Euro. Geschäftsführer Olaf Hermes kündigt für das nächste Jahr einen erheblichen Ausbau von Strom- und Fernwärmenetz an.

Die Energiepreise in Bonn könnten bald wieder fallen. (Symbolfoto)

Die Energiepreise in Bonn könnten bald wieder fallen. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Uli Deck

Die Bonner Stadtwerke (SWB) haben das Jahr, in dem die Pandemie noch das öffentliche Leben stark tangierte und der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, unterm Strich mit einem Minus von 1,1 Millionen Euro abgeschlossen. Am Mittwoch präsentierten SWB-Chef Olaf Hermes und Geschäftsführer der Tochtergesellschaften die Bilanzzahlen des größten kommunalen Unternehmens der Stadt Bonn für 2022, äußerten sich zum zurückliegenden Jahr und gaben einen Ausblick in die Zukunft des Unternehmens. Wie Hermes bei der Gelegenheit im Haus der Netze an der Karlstraße sagte, ständen die einzelnen Geschäftsbereiche des Konzerns „vor einer Zäsur, die es so noch nicht gegeben hat“. Deshalb sei möglichst hohe Transparenz gefragt, um den Bürgern Auswirkungen von energie- und verkehrspolitischen Entscheidungen zu verdeutlichen.

Energie: Die Bonn-Netz und die Stadtwerke Energie und Wasser sind die gewinnträchtigen Sparten der SWB. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten sie einen Gewinn von 47 Millionen Euro. Kriegsbedingt sind die Gaspreise und die letztlich an den Gaspreis gekoppelten Strompreise in die Höhe gegangen. Das führte trotz Energiepreisbremsen letztlich auch zu Preissteigerungen, die auf die Kundinnen und Kunden umgelegt wurden. Die SWB hatten zwischenzeitlich, wie berichtet, einen Liquiditätsengpass von 100 Millionen Euro, weil sie die Energie zu teureren Marktpreisen kaufen und in die Vorfinanzierung gehen mussten. Den notwendigen Kredit holten sie sich von der Stadt Bonn. Er soll im Laufe dieses Jahres abbezahlt werden. SWB-Arbeitsdirektor Marco Westphal geht davon aus, dass die Preise im Oktober oder bis Ende des Jahres wieder sinken werden.

Vor großen Aufgaben steht Bonn-Netz. Wie deren Geschäftsführer Urs Reitis sagte, ist nach bisheriger Sachlage in den kommenden Jahren ein erheblicher Ausbau der Stromnetze und des Fernwärmenetzes notwendig. Um den zu erwartenden steigenden Strombedarf durch den Umstieg auf E-Autos oder Wärmepumpen-Heizungen in Zukunft decken zu können, sei bis zum Jahr 2035 eine Verdopplung der Stromtrassenlänge von bisher 1000 Kilometer auf 2000 Kilometer notwendig. „Das wären fast 100 Kilometer pro Jahr, in der Vergangenheit haben wir zehn Kilometer geschafft.“ Bei der Fernwärme sei in dieser Zeit eine Verdopplung von 120 Kilometer auf dann 240 Kilometer Länge zu bewältigen. Gemeinsam mit der Stadt würden die SWB eine Wärmeleitplanung erarbeiten, wie das zu bewältigen sein wird. Doppelstrukturen seien bei dem erforderlichen Tempo möglichst zu vermeiden. Will heißen: Wo Fernwärme möglich ist, sollen nach Möglichkeit die Stromleitungen nicht verstärkt werden und umgekehrt.

Im nächsten Jahr soll die bereits eingebaute Wasserstoffturbine am Heizkraftwerk Nord in Betrieb gehen, mit der eine Verdreifachung der Stromproduktion möglich werde. „Der Trend ist klar. Weg vom Gas, hin zu mehr Strom und Fernwärme. Ganz ohne Gas werden wir es in den nächsten Jahren aber nicht schaffen“, sagte Hermes. Er betonte ausdrücklich, dass „es dringend nötig war, das Energiengesetz zeitlich nach hinten zu verschieben“. Die bundespolitischen Diskussionen verliefen eigentlich falsch herum. Bevor man den Verbrauchern bestimmte Heizungstypen wie die Wärmepumpe vorschreibe, sei eigentlich zu klären, wie zuvor die Energienetze entsprechend auszubauen sind. Um den Fotovoltaikausbau auf kommunalen Gebäuden, aber auch auf privaten Liegenschaften voranzutreiben, wollen die Stadtwerke hier das Personal aufstocken.

 Die Stadtwerke-Geschäftsführer (v. l.): Marco Westphal, Olaf Hermes, Urs Reitis, Hansjörg Spielhoff und Manfred Becker.

Die Stadtwerke-Geschäftsführer (v. l.): Marco Westphal, Olaf Hermes, Urs Reitis, Hansjörg Spielhoff und Manfred Becker.

Foto: Benjamin Westhoff

Verkehr: Der Nahverkehr ist seit jeher zuschussbedürftig. Das vergangene Jahr haben die Verkehrsbetriebe mit einem Defizit von 50 Millionen Euro abgeschlossen. Hansjörg Spielhoff, Geschäftsführer der SWB Bus und Bahn, war im Jahr zuvor noch von Schlimmerem ausgegangen. Das Minus wäre deutlich höher ausgefallen ohne die Bundesgelder aus dem Nahverkehrs-Rettungsschirm, der Einnahmen von 34,5 Millionen Euro brachte, letztlich natürlich Steuergelder. Ins Kontor schlugen neben hohen Spritpreisen, Folgen der Corona-Pandemie, weil Fahrgäste wegblieben, und die fehlenden Einnahmen in den drei Monaten, in denen der Bund das 9-Euro-Ticket anbot. Noch kann Spielhoff nicht genau sagen, wie viele Neukunden das kürzlich eingeführte Deutschlandticket gebracht hat oder bringen wird. Was er aber absehen kann, sind die künftigen Projekte mit beträchtlichen Investitionen. Der Kauf von 28 Niederflurbahnen und 32 Stadtbahnwagen wäre da zu erwähnen, der Umbau aller Betriebshöfe für die zusätzlichen Bahnen und die Verstromung der Busse. Ab dem kommenden Jahr wollen die SWB nur noch emissionsfreie Fahrzeuge anschaffen. Hermes sagte zum bevorstehenden Ausbau des Nahverkehrs bei zugleich schwindenden Einnahmen durch das Deutschlandticket. „Hier werden sich Bund und Land etwas überlegen müssen, denn für die Kommunen werden diese Mehrkosten nicht zu stemmen sein.“ Die SWB erwarten für die Zukunft, dass das Plus aus dem Energiebereich das Minus aus dem Verkehrsbereich bei Weitem nicht mehr wird decken können. Hermes: „Diese Zeiten sind vorbei.“

Müll: Die SWB Verwertung haben 2022 ein Minus von 28.000 Euro gemacht, wo in den Jahren zuvor ein sechsstelliger Gewinn erwirtschaftet wurde. Deren Geschäftsführer Manfred Becker nannte mehrere Gründe für dieses Ergebnis. Zum einen sei im Konzern die Entscheidung gefallen, Müll im letzten Quartal 2022 zu bunkern, um ihn im Fall einer Gasmangellage verbrennen zu können. Die in der Müllverwertungsanlage entstehende Energie aus der Verbrennung wird an das Heizkraftwerk nebenan weitergeleitet und in Fernwärme oder Strom umgewandelt. Zum anderen sei, so Becker, in der Pandemie das Abfallaufkommen zurückgegangen. Unklar sei, ob womöglich der besonders umweltschädliche Verpackungsmüll anteilig zugenommen habe, und ob dieser Trend von Dauer sei. Die Einnahmen aus den Gewerbeabfällen in Millionenhöhe werden aus rechtlichen Gründen nicht in der Bilanz der SWB Verwertung aufgeführt, sondern an die Holding übertragen.

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