Erinnerung zum Tag der Deutschen Einheit Bonner war beim Videodreh zu „Wind of Change“ dabei

Bonn · Klaus Hirschmann ist großer Fan der Scorpions. Dass das Konzert der Band im Dezember vor 30 Jahren in Dortmund ein besonderes werden würde, ahnte der Bonner zunächst nicht.

 Klaus Hirschmann kennt Ostdeutschland. Die Cousine kam 1989 zum ersten deutsch-deutschen Treffen.

Klaus Hirschmann kennt Ostdeutschland. Die Cousine kam 1989 zum ersten deutsch-deutschen Treffen.

Foto: Benjamin Westhoff

Dass dieses Konzert am 13. Dezember 1990 ein ganz besonderes werden würde, ahnte Klaus Hirschmann zunächst nicht. Die Scorpions traten an dem Donnerstagabend in Dortmund auf, mit dabei der 51-jährige Bonner. Der eigentliche Auftritt war schon vorbei, erinnert sich Hirschmann, als Sänger Klaus Meine ankündigte, dass sie gleich noch das Musikvideo zu „Wind of Change“ drehen würden. Zu dem Lied also, das heute als Hymne der Wende bekannt ist, und das die Band zwei Monate nach dem Konzert als Single veröffentlichte. „Was mache ich jetzt?“, fragte er sich damals, schließlich musste er am nächsten Morgen wieder arbeiten. Er blieb, auch wenn er dadurch den letzten Zug zurück nach Bonn verpasste.

Die Band rockte auf der Bühne, das Publikum feierte das Lied auch ein zweites Mal. „Es war ein Bonus zum Konzert“, sagt Hirschmann. Der einzige Unterschied: Das Lied wurde Playback eingespielt, und es liefen Kameras, die das Geschehen auf und vor der Bühne filmten. „Doch es war dasselbe Feeling.“ Im Musikvideo wechseln sich diese Aufnahmen aus der Westfalenhalle mit Bildern aus der UdSSR ab.

Dass er im Anschluss mit dem Zug nur nach Essen kam und von dort 170 Mark für das Taxi nach Bonn bezahlte, war ihm am Ende auch egal. „Ich habe es nicht bereut. Dieses Gefühl beim Konzert, die Fahrt mit dem Taxi; genau das war das Richtige“, erzählt der Bonner. Während er von dem Abend schwärmt, läuft im Hintergrund in seiner Wohnung in Beuel der Live-Mitschnitt des Konzerts.

Scorpions tourten durch die Sowjetunion

Hirschmann ist großer Fan der Hard-Rock-Band. Dutzende  Schallplatten und CDs stehen in seinen Regalen, in Fotoalben bewahrt er Bilder, Artikel und Konzertkarten auf. Sein Interesse an der Band führte auch dazu, dass er sich um das Jahr 1989 näher mit dem Thema Ost-West beschäftigte. Die Scorpions tourten in dem Jahr auch durch die Sowjetunion und traten unter anderem in Moskau auf.

Kalter Krieg und KGB waren nur zwei Begriffe, die Hirschmann dann im Zusammenhang mit der Tour immer wieder las. „Dann habe ich damit angefangen, mich damit auseinanderzusetzen“, erzählt er. Mit dem Thema in Kontakt kam er jedoch schon vorher.

Flucht aus Polen nach Bonn

Seine Großmutter floh während des Zweiten Weltkriegs mit seinem Vater aus dem polnischen Landsberg an der Warthe nach Poppelsdorf. Die Schwester der Großmutter und deren Mann lebten in Ostdeutschland und besuchten sie immer zu Weihnachten. „Für mich war es ganz normal, dass die einmal im Jahr aus dem Osten kamen“, sagt Hirschmann. „Ich bin so groß geworden.“ Von dem ganzen bürokratischen Aufwand für eine Erlaubnis oder auch den Kontrollen an der Grenze verstand er als kleines Kind kaum etwas.

Das änderte sich 1989. Als die Cousine seines Vaters nach Bonn kommen wollte, brauchte sie keine Genehmigung mehr. „Es war quasi das erste deutsch-deutsche Treffen“, sagt Hirschmann. Da wurden ihm auch erst so richtig die Unterschiede und Möglichkeiten bewusst. „Die Cousine war von Dingen beeindruckt, die bei uns normal waren“, erzählt er und nennt neben Kaffee auch die Auswahl der Produkte im Einkaufszentrum als Beispiele. „Das kannte sie gar nicht.“

Für Hirschmann selbst bedeuteten die Jahre nach dem Mauerfall einen beruflichen Wandel. Der gelernte Kaufmann wechselte 1992 in die Justiz und begann dort eine Beamtenlaufbahn. Heute ist er Justizoberwachtmeister am Landgericht. „Ich habe meinen Weg gefunden. Ich habe das Gefühl, ich bin dort angekommen“, sagt der 51-Jährige, der nicht nur viel und gerne liest, sondern der Ende der 1990er Jahre eine Leidenschaft für Filme entwickelte.

Kleindarsteller in „Die Frau vom Checkpoint Charlie“

Er übernahm Komparsenjobs und war Kleindarsteller, unter anderem im Tatort, Polizeiruf und Lindenstraße sowie im Film „Die Buddenbrooks“. Er zeigt Fotos von sich in den verschiedenen Rollen. Für die Kostümprobe und den Dreh zum Zweiteiler „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ fuhr er 2007 für einige Tage nach Leipzig, erzählt er. „Selbst organisiert, wie immer.“ In dem Fernsehfilm spielte er einen Grenzoffizier. Eine ganz besondere Rolle für ihn, schließlich reiste seine Großmutter von Bonn häufig nach Ostdeutschland und musste somit auch die Grenze passieren. „Was ich gespielt habe, hat sie erlebt.“

Die Erfahrungen in der Familie, die dort vermittelten Werte und die eigenen Reisen in den Osten Anfang der 1990er Jahre haben Hirschmann und dessen Einstellung geprägt. „Die Leute müssen lernen, aufeinander zuzugehen. Sie müssen sich die Hand reichen“, meint er und ergänzt mit Blick auf den Tag der Deutschen Einheit: „Das ist das, was an dem Tag wichtig ist.“ Wichtig seien generell, den Austausch zu suchen, auch mal genügsam zu sein und lernen zu teilen, findet er. „So bin ich aufgewachsen. Das war prägend für mein Leben“, sagt er.

Bis heute behält er sich das bei. Daher hat er immer noch Kontakt zur Cousine seines Vaters. Auch die Leidenschaft für die Scorpions wird wohl nie enden. „Ich würde es sofort wieder machen“, sagt er rückblickend auf das Konzert vor 30 Jahren und blättert weiter in seinen Fotoalben.

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Von GA-Redakteur
Philipp Königs
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