Russland-Ukraine-Konflikt Flammender Appell für Menschlichkeit
Bonn · Die Kultur und der Ukraine-Krieg Das Beethoven Orchester Bonn reagiert und bietet ein Friedenskonzert statt eines Karnevalskonzerts in der Oper an. Russland steht unterdessen in der Kulturbranche zunehmend isoliert da
Für den Bonner Generalmusikdirektor (GMD) Dirk Kaftan war klar: Business as usual ist jetzt keine Option: „Als wir gestern Morgen an einem historischen Wendepunkt aufwachten, war uns klar, dass wir nicht zur karnevalistischen Tagesordnung übergehen können.“ Also machten sich Kaftan und sein Team an die Arbeit, und aus dem geplanten Karnevalskonzert des Beethoven Orchesters Bonn (BOB) wurde aus aktuellem Anlass ein Friedenskonzert. Einziger Programmpunkt: die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, laut Kaftan ein perfektes „Beispiel für die Entwicklung von Chaos zu Menschlichkeit.“
Die kurzfristige Programmänderung war organisatorisch allerdings eine große Herausforderung, selbst für das BOB. „Die Verwaltung hat durchgearbeitet, um heute einen PCR-getesteten Chor auf die Bühne zu bringen.“ Auch einige der jüngeren Orchestermitglieder, die Beethovens 9. laut Kaftan noch nicht mit dem BOB gespielt hatten, sollen eine Nachtschicht eingelegt haben. Das Ergebnis: Menschen aus rund 30 Nationen standen an diesem Abend auf der Bühne, auch aus der Ukraine und Russland. Ein Kraftakt für den GMD, aber auch ein Herzensanliegen. Gleichzeitig machte Kaftan sich aber keine Illusionen: „Wir helfen damit niemandem, der direkt vom Krieg betroffen ist. Für uns ist das ein Symbol.“
„Wir erleben düstere Tage“, sagte die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner. Sie betonte die Dramatik der aktuellen Situation, in der bislang eher die Pandemie im Vordergrund stand: „Wir haben in den letzten Wochen oft bangen Blickes auf das Karnevalskonzert geschaut.“ Ausdrücklich lobte sie die Bonner Karnevalisten für alle Umplanungen und ihr Verantwortungsbewusstsein. Scharf verurteilte Dörner „den Angriffskrieg von Putin, den man ganz klar als Aggressor benennen muss. Umso wichtiger ist es, dass wir als Demokraten zusammenstehen und Solidarität mit der Ukraine bekunden.“
Gleichzeitig lenkte Dörner den Blick auf die russischen Bürger, die in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen sind, um gegen den Krieg zu demonstrieren. „Das sei ein unglaubliches Zeichen von Mut. Es geht um den Kern und die Grundfeste unseres Zusammenlebens.“ Trotz des Ernstes der Lage versuchte sie aber auch, zu ermutigen. Sie zitierte Außenministerin Annalena Baerbock („Wir sind fassungslos, aber nicht hilflos.“) und hob die Solidarität der Stadtgesellschaft hervor, denn auch in Bonn sei man bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Dirigentin des Abends war Anna Skryleva, die in Magdeburg als Generalmusikdirektorin amtiert. Wie ihr Bonner Kollege Kaftan machte sie sich keine Illusionen: „Wir werden mit unseren Instrumenten keine Panzer besiegen können, wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir Menschen bleiben müssen.“ Skryleva engagiert sich schon lange für den Frieden, hat etwa 2014 die Initiative „Classic for Peace“ gegründet, die die Völkerverständigung mit musikalischen Mitteln fördern soll. „Mit Krieg kann man keinen Frieden schaffen“, so ihr Statement.
Nach den Reden ließ man mit einer zutiefst bewegenden Aufführung der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven die Musik sprechen. Das Beethoven Orchester Bonn, Sänger aus dem Opernchor und Extrachor des Theaters Bonn, dem Philharmonischen Chor der Stadt Bonn, dem WDR Rundfunkchor und weiteren Partnerchören des BOB ließen zusammen mit dem aus Ensemblemitgliedern der Bonner Oper bestehenden Solistenquartett (Anna Princeva, Dshamilja Kaiser, Kieran Carrell und Giorgos Kanaris) Beethovens Ode an die Freude als flammenden Appell für Menschlichkeit und Frieden erklingen.
