Nach der Flut im Ahrtal Winzer und Landwirte beklagen 200 Millionen Euro Schaden

Rech · Die Flutkatastrophe hat die Winzer an der Ahr stark getroffen. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm, auch der Wiederaufbau hakt an verschiedenen Stellen. Den Landwirten bereitet die Konkurrenz mit Kommunen und Naturschützern Sorgen, weil es um ihre Flächen geht.

 Adolf Schreiner (l.) zeigt Hubert Pauly das brachliegende Gelände am Ahrufer, wo bis zur Flut noch Weinberge standen.

Adolf Schreiner (l.) zeigt Hubert Pauly das brachliegende Gelände am Ahrufer, wo bis zur Flut noch Weinberge standen.

Foto: Weber

Adolf Schreiner steht am östlichen Rand von Rech und zeigte dem Präsidenten des Weinbauverbands Ahr, Hubert Pauly, eine große Fläche Brachland. Bis vor einem Jahr war hier Weinberg, dann kam die Flutkatastrophe und riss alles mit.

90 Ar (9000 Quadratmeter) bewirtschaftete Schreiner in der Lage „Recher Blume.“ Ob er dort jemals wieder einen Weinberg aufbauen kann, weiß er nicht. Immerhin gebe es Überlegungen, in der Lage wieder Weinbau zuzulassen. Wieviel und wo hat ihm die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord noch nicht gesagt. Auch nicht, auf wessen Kosten Grund und Boden wieder hergerichtet werden.

Weinbau-Experten bewerten Flut-Folgen als Totalschaden

Pauly und Schreiner blicken auf einen verwahrlost wirkenden Weinberg am Ahrufer gegenüber. Den zu bewirtschaften, fällt schwer, denn der einzige Weg dorthin wurde von der Flut fortgespült. 1,2 Millionen Euro soll die Wiederherstellung kosten. Für die betroffenen Winzer und Landwirte ist also auch ein Jahr nach der Flut noch vieles im Unklaren, wie Pauly und der Vorsitzende des Kreisbauern- und Winzerverbandes Ahrweiler, Franz-Josef Schäfer, anlässlich einer Pressekonferenz ein Jahr nach der Flut auf Schreiners Weingut erzählen.

 Im Weingut von Adolf Schreiner (v.l.) berichten Knut Schubert, Hubert Pauly und Franz-Josef Schäfer über die Situation von Weinbau und Landwirtschaft ein Jahr nach der Flut.

Im Weingut von Adolf Schreiner (v.l.) berichten Knut Schubert, Hubert Pauly und Franz-Josef Schäfer über die Situation von Weinbau und Landwirtschaft ein Jahr nach der Flut.

Foto: Thomas Weber

Pauly listet noch einmal auf, wie stark der Weinbau an der Ahr betroffen ist. Von 65 Weingütern und Genossenschaften erlitten 60 Flutschäden. Die Katastrophe schädigte mit 60 Hektar gut zehn Prozent der Anbaufläche, von denen erst zehn Hektar wieder angepflanzt wurden, auch weil Grundstücksgrenzen nicht mehr deutlich sind. Ebenfalls zehn Hektar können nicht mehr aufgebaut werden. „Das ist ein Totalschaden“, sagt Pauly. Die Gesamtsumme der Schäden bei Winzern und Landwirtschaft wurde auf 200 Millionen Euro beziffert. Darin sind Inflation und aktuelle Preisexplosionen nicht eingerechnet.

Rückblickend auf die Zeit nach der Flut zeigte sich der Weinbau-Präsident dankbar für die große Hilfe, die dem Ahrtal durch Landwirte, Gartenbauer und ungezählte Freiwillige aus ganz Deutschland und dem Ausland zuteilwurde. Vor allem der große Anteil an jungen Menschen sei „Wahnsinn“ gewesen. Dankbar zeigte sich Pauly auch für die schnell organisierte Hubschrauberspritzung, so konnte die Ernte des vergangenen Jahres gerettet werden. Bei deren Lese und Verarbeitung halfen Winzer aus allen deutschen Anbaugebieten mit Maschinen und Manpower. „Ich kann nur hoffen, dass die Hilfen von Bund und Ländern auch bald greifen“, legte der Weinbau-Präsident den Finger in die aktuellen Wunden. Er habe große Bedenken wegen der Komplexität der Verfahren und der personellen Engpässe in den für die Abwicklung zuständigen Behörden und Institutionen, von denen nach außen hin kaum jemand erfahre.

28 Landwirtschaftsbetriebe sind ebenfalls betroffen

Dass die Flutschadensbilanz bei der Landwirtschaft glimpflicher ausfiel, machte Franz-Josef Schäfer deutlich. Hier gab es in den landwirtschaftlichen Betrieben an Ober- und Unterahr sowie in den Seitentälern in erster Linie Schäden an landwirtschaftlichen Flächen. Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) berichtete von 28 betroffenen Betrieben, 60 Hektar Grünland und 50 Hektar Ackerland seien durch die Flut geschädigt. Ablagerungen von Schutt und Geröll sowie Schäden durch das Überfahren mit schwerem Gerät sind entstanden. Schäfer denkt, dass die Zahlen noch deutlich ansteigen. Viele Betroffene hätten noch gar keine Anträge für Fluthilfen gestellt. Auch der Vorsitzende des Kreisbauern- und Winzerverbandes erinnerte noch einmal daran, dass vor allem die Landwirtschaft sich in der ersten Hilfe hervorgetan habe. „Es ist traurig, dass dies medial gar nicht mehr stattfindet und scheinbar vergessen wurde“, sparte Schäfer auch nicht mit entsprechender Kritik an der 250 Seiten starken Hochglanzbroschüre „Ein Jahr Wiederaufbau in Rheinland-Pfalz“ der Landesregierung.

Eine aktuelle Herausforderung sieht Franz-Josef Schäfer in der Wiederherstellung der beschädigten Flächen. Hier entstehen teilweise hohe Kosten, die aber nur zu 80 Prozent gefördert werden. Viele Grundbesitzer können und wollen die Differenz nicht tragen, in der Folge kommen die Flächen auf den Markt. Hier gibt es nun eine Flächenkonkurrenz, denn gut betuchte Naturschutzverbände wollen Land für ihre Projekte erwerben. Kommunen suchen Land als Ausgleich- oder Retentionsfläche und haben sich teilweise ein Erstkaufrecht gesichert. „Das ist ein großes Problem“, sagte der Kreisgeschäftsführer des Bauern- und Winzerverbandes, Knut Schubert. Problematisch sei auch die notwendige Neuvermessung der Grundstücke, weil Grenzsteine fortgespült wurden. Dies sollen die Eigner zahlen. „Das und auch die Wegeherstellung sind hoheitliche Aufgaben, dass können die Winzer nicht leisten“, so Schubert.

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