Rech, Mayschoß und Dernau laden Touristen ein „Wandern für den Wiederaufbau“ im Ahrtal

Kreis Ahrweiler · Mit der Aktion „Wandern für den Wiederaufbau im Ahrtal“ laden Rech, Mayschoß und Dernau im Oktober wieder Touristen auf den Rotweinwanderweg ein. Die ersten Wanderer kamen bereits. Sie wollen keine Katastrophentouristen sein, sondern sich solidarisch zeigen.

 Aus Krefeld kamen diese vier Wanderer spontan an die Ahr, auch, um ihre Solidarität mit dem Tal zu zeigen.

Aus Krefeld kamen diese vier Wanderer spontan an die Ahr, auch, um ihre Solidarität mit dem Tal zu zeigen.

Foto: Weber

Ist mit der Flutkatastrophe auch das touristische Interesse am Ahrtal davongeschwemmt worden? Genau das will man zumindest in Rech, Mayschoß und Dernau aktuell wissen und rief dazu auf, den Oktober zum „Wandern für den Wiederaufbau im Ahrtal“ zu nutzen und die Ahr bei den Freizeitaktivitäten nicht links liegen zu lassen. „In den vergangenen Wochen und Monaten hat man ja kaum Menschen auf dem Rotweinwanderweg gesehen, sicherlich auch aus Pietätsgründen“, hatte der Mayschosser Tourismuschef Rudolf Mies vorab eine gespannte Erwartungshaltung, was passieren würde. Denn das „zarte Pflänzchen Tourismus“, das zu den Haupt-Wirtschaftsfaktoren im Ahrtal gehört, soll auf jeden Fall gerettet werden. Das Ahrtal war bis zur Flut im Juli Naherholungs- und Urlaubsgebiet und will das auch wieder werden.

Der Herbst ist dabei die stärkste Zeit im Tal. Dann treffen die Menschen bei der Traubenlese auf Tausende von Wanderern, dann finden an den Wochenenden die großen Weinfeste in den Dörfern statt, Hotels und Pensionen sowie die Gastronomie haben im Herbst die wirtschaftlich beste Zeit. Aber den Flauten durch die Corona-Pandemie in den beiden vergangenen Jahren folgte im Juli die alles zerstörende Flutwelle. Es gibt so gut wie keine Restaurants oder Hotels mehr, in Ferienwohnungen sind Menschen ohne Obdach einquartiert, je näher man der Ahr kommt, desto unwirklicher wird die Gegend. Häuser haben keine Fenster mehr, Straßen sind voller Staub. Bagger, Lastwagen und Wasserwerfer sind statt Reisebussen unterwegs, Bohrhämmer statt Stimmungsmusik bilden die Geräuschkulisse, bis es dunkel wird.

Trotzdem wagen die Touristiker es, ins Ahrtal einzuladen. "Es ist uns als Gastgeber in einer vom Tourismus- und Weinanbau geprägten Region ein besonderes Anliegen, unsere Gäste so schnell wie möglich wieder in unserer schönen und besonderen Heimat willkommen zu heißen", war von den Verkehrsvereinen aus Dernau, Rech und Mayschoss zu hören. Ganz bewusst hatten sie keine Aktivitäten in den Orten geplant, nur der Weg von der Bushaltestelle in die Weinberge führte durch die Katastrophenregion.

 Rund ein Dutzend Ausschankpunkte empfingen die Wanderer am Wochenende, überall war gut zu tun.

Rund ein Dutzend Ausschankpunkte empfingen die Wanderer am Wochenende, überall war gut zu tun.

Foto: Weber

Ausschankstellen am Rotweinwanderweg

Es ging auf den Rotweinwanderweg, wo die Winzer am ersten Wochenende des Aufbauwanderns mit rund einem Dutzend Ausschankstellen aufwarteten. Hier gab es die Weiß- und Rotweine, Federrote und dazu Speisen und Getränke. Das Wetter spielte mit, es war bewölkt und nur ab und zu fiel ein Tropfen Regen. Am Samstagmorgen gaben Touristiker und Weinköniginnen den Startschuss. "Wir wollen kein Weinbaugebiet der Trümmer sein, sondern des Comebacks" zitierte die Dernauer Verkehrsvereins-Vorsitzende Ingrid Näkel-Surges die Deutsche Weinprinzessin Linda Trarbach aus Dernau.

 Gegensätze in Mayschoß: An einem zerstörten Ladenlokal hängt der Hinweis auf die nahe Wanderstrecke.

Gegensätze in Mayschoß: An einem zerstörten Ladenlokal hängt der Hinweis auf die nahe Wanderstrecke.

Foto: Weber

Weil die Organisatoren in keinster Weise abschätzen konnten, wie die Veranstaltung angenommen wird, bat man die Gäste, nicht mit den Autos ins Tal zu fahren, sondern den Schienenersatzverkehr ab Gelsdorf zu nutzen. Hier standen ausreichend Parkplätze zur Verfügung.

Und siehe da: Das Konzept ging auf. Es waren jede Menge Menschen mit Wanderstock oder Rucksack in den Weinbergen unterwegs. "Nicht so viele wie sonst beim Dernauer Weinfrühling, aber wir sind hochzufrieden", zog Näkel-Surges am ersten Wochenende schon ein positives Fazit.

„Wandern für den Wiederaufbau im Ahrtal“

Dass sich die Menschen am Rande eines Katastrophengebiets bewegten, wurde ihnen dabei nicht vorenthalten. Schon der Name der Veranstaltung "Wandern für den Wiederaufbau" machte das klar. Zudem gab es SolidAHRitäts-Armbändchen und Weingläser zum Kauf, alleine von den Bändchen musste Ingrid Näkel-Surges ständig nachbestellen, am Ende waren es 20 000 Stück, die sie bisher orderte. Mittels Infoschildern wurden die Gäste aber auch auf die schrecklichen Zahlen aufmerksam gemacht: 134 Tote, 62 beschädigte Brücken oder 32 Hektar verlorene Rebfläche. Nur drei verschonte Weinbaubetriebe, 40 beschädigte Schulen und 55 Kindertageseinrichtungen – das brachte die Menschen mit Blick auf die Dörfer schon zum Schlucken.

Dennoch ließen sie es sich gutgehen, genossen Wein und Imbiss und die 15 Kilometer lange Strecke durch die Weinberge im Ahrtal. "Wir haben erst am Freitag von der Aktion gehört und uns sofort entschieden, tags darauf ins Ahrtal zu kommen", sagten zwei Pärchen aus Krefeld. Sie seien keineswegs Katastrophentouristen, sondern wegen der Solidarität mit dem Tal, seinen Winzern und Bewohnern gekommen, machten sie deutlich und ließen sich dabei einen Blanc de noir schmecken. "Ja, die Stimmung war an den Ständen sehr gut, die Menschen waren fröhlich und gut gelaunt", hatte auch Rudolf Mies bereits am ersten Tag des Wanderevents festgestellt.

Nur mit den vielen Helfern, die auch am Wochenende wieder zu Hunderten aus dem ganzen Land zumeist über den Helfershuttle ins Ahrtal gekommen waren, gab es seitens der Wanderer, die sich auf den Höhen aufhielten, keinen richtigen Kontakt. Dazu musste man schon die Dörfer herabgehen.

Aufatmen war derweil bei den Verkehrsvereinen angesagt, weil das zarte Pflänzchen "Tourismus" nicht gänzlich fortgespült wurde – und überlebt hat.

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