Aktion im Siebengebirge Warum die VHS nach Hause ins Wohnzimmer kommt

Königswinter · Die Volkshochschule Siebengebirge bietet jetzt interessante Schnupperkurse an. Dafür müssen die Teilnehmern noch nicht einmal das Haus verlassen: Die Dozenten kommen für die wissbegierige Gruppe nach Hause – so wie jetzt in Rauschendorf.

 VHS-Leiter Andreas Meese (3. v. r.) erhielt für einen spontanen Kursus in Russisch mit seinem Team Einlass im Haus von Familie Hanschke in Rauschendorf.

VHS-Leiter Andreas Meese (3. v. r.) erhielt für einen spontanen Kursus in Russisch mit seinem Team Einlass im Haus von Familie Hanschke in Rauschendorf.

Foto: Iris Zumbusch

Der Volksmund sagt: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg kommen. Bedeutet, wenn die Menschen nicht zu einem hin kommen, muss man eben auf die Menschen zu gehen. Getreu dieser Redensart ist Andreas Meese, Leiter der Volkshochschule (VHS) Siebengebirge, jetzt vorgegangen.

Es gibt Kurse, die über die Jahre nicht so gut oder gar nicht belegt werden. Nun war das auch für die VHS Siebengebirge pandemiebedingt nicht einfach, den Spannungsbogen in Sachen Bildung zu halten. „Uns sind zahlreiche Dozenten abgesprungen, die sich neue Tätigkeitsfelder gesucht haben“, erklärt Meese. Die Akteure der Volkshochschule haben indes auf die schwierige Situation reagiert, haben Onlinekurse angeboten, Podcasts erstellt und haben sogar als originelles i-Tüpfelchen in der Altstadt von Königswinter einen Escaperoom eingerichtet, also einen Raum, in dem man bestimmte Rätsel lösen muss, um wieder hinaus zu kommen.

„Wir tun vieles, um in die Köpfe zu kommen“, so Meese. „Insgesamt sind wir auch wieder gut besucht“, zeigte sich der Volkshochschulleiter optimistisch. Aber einige Kurse liefen eben nicht und das sei etwa der Sprachkurs Russisch. 2016 sei der letzte Kurs in Russisch gelaufen, danach nicht mehr. Da kam Meese auf die Idee, die „Teilnehmer da abzuholen, wo sie sind“, gab Meese an. „Und die Teilnehmer sind ja irgendwo zu Hause“. Also warum nicht Kurse direkt bei den Menschen in den heimischen Wohnzimmern anbieten, dachte sich Meese.

Schönschreiben, Russisch oder Pizzabacken im Kursangebot

In Absprache mit seinem Team erstellte er das Konzept „VHS4Friends“. Damit für jeden ein Kursangebot dabei ist, wurden bestimmte Kurse dafür vorgeschlagen. Neben Russisch ist querbeet im Angebot die Feldenkrais-Methode, Pizzabacken, Handlettering, also die Kunst der Schriftgestaltung und Rakeln, eine bestimmte Form der Bildgestaltung. Die Angebote werden in den jeweiligen Wohnzimmern als Schnupperkurse entwickelt.

Wenn sich ein Gastgeber meldet, verpflichtet er sich jedoch, weitere Teilnehmer anzuwerben. Mindestens sechs sollen es sein. Bestenfalls gefragt sind solche Teilnehmer, die noch nie einen Kurs an einer Volkshochschule belegt haben. „Wir wollen ja an die Menschen heran, für die so ein Kurs Neuland ist“, so Meese.

Insgesamt sieben Dozenten haben sich bereit erklärt, einen dieser Kurse zu übernehmen und zu den Teilnehmern nach Hause zu kommen. Öffentlich seien die Kurse nicht, betonte Meese, sondern es sich geschlossenen Kreise von Teilnehmern, der angeworben wurde, wie etwa Freunde oder Nachbarn. So habe bereits der Kurs der Maltechnik „Rakeln“ stattgefunden. Die Gastgeberin sei total begeistert über den netten Abend bei ihr zuhause gewesen, berichtet Meese. Geplant ist nach so einem Schnupperabend zu den jeweiligen Kursen, dann die weiteren Treffen in den Räumen der Volkshochschule fortzuführen.

Russisch-Kursus in der vom Ofen gewärmten guten Stube

Bei einem Hausbesuch in Rauschendorf bestätigte sich: Diese Abends unter dem Motto VHS4Friends können richtig gemütlich sein. Quer durch alle Generationen hatten sich sieben Teilnehmer im Hause Hanschke in Rauschendorf eingefunden, um in der vom Holzofen durchwärmten guten Stube des Hauses den Schnupperkurs „Russisch für Einsteiger“ zu belegen.

Andreas Hanschke stammt aus Thüringen. „Wir hatten Russisch in der Schule“, sagt er. Ein Basiswissen sei noch vorhanden. „Die Schrift kann ich noch“, erklärt Teilnehmerin Annett Muryshkin, die ebenfalls Russisch in der Schule hatte. Aber sprechen sei eben doch was anderes. Tina Hanschke, die Gastgeberin und Initiatorin des Abends, gab an, ihr Russisch seit einiger Zeit mittels einer Sprachapp aufzubessern. Sie freue sich nun auf einen echten Kurs.

Kursleiter für Russisch ist Stephan Köhnen. Er ist in der Studienzeit mit Russisch in Berührung gekommen und spricht die Sprache heute fließend. „Zunächst teste ich kurz die Vorkenntnisse der Teilnehmenden“, so Köhnen. Dann sei Plaudern über Land und Leute angesagt. Köhnen selbst hat Freunde in Russland. „Leider trauen sich in Deutschland derzeit nicht viele Menschen öffentlich Russisch zu sprechen“, hat Köhnen die Erfahrung gemacht.

Der von Russland initiierte Ukraine-Krieg sei eben auch diesbezüglich spürbar. Dabei gäbe es in Russland auch viele mutige Menschen, die sich gegen den Krieg öffentlich stark machten, sagt er. Die familiäre Wohnzimmer regte also auch zu allerlei Gesprächsstoff über das aktuelle Weltgeschehen an.

Nach einem Schnupperabend heißt es für die Teilnehmer, einen Fragebogen auszufüllen. „Im Fragebogen erfragen wir zum Beispiel, warum noch kein Kurs gebucht wurde, wo die Kurse gut erreichbar sind oder ob Kurse am früheren oder am späteren Abend gewünscht werden. Somit können wir unsere Angebote und unsere Werbung anpassen“, erklärt Meese. „Wir überlegen, ob wir dieses Angebot in 2023 nicht fortführen.“ Er freue sich überdies, wenn sich wieder Dozenten an der Volkshochschule melden würden. „Wir brauchen viele neue Gesichter und neue Ideen.“

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