Besuch auf dem Tierfriedhof in Bornheim Warum Halter ihre verstorbenen Tiere bestatten lassen

Bornheim · Auf dem Tierfriedhof in Bornheim trauern Halter um ihre verstorbenen Lieblinge. Warum sie ihre Hunde, Katzen und Kaninchen wie Menschen bestatten lassen – und warum Kritik daran an ihnen abprallt.

 Stefan Gläske (46) schaut am Grab seines Katers „Monster“ nach dem Rechten und zündet eine neue Kerze an.

Stefan Gläske (46) schaut am Grab seines Katers „Monster“ nach dem Rechten und zündet eine neue Kerze an.

Foto: Alexander C. Barth

Es sieht so aus, als würde er nur schlafen: Nach 17 Jahren hat „Caipi“ seine Augen jedoch für immer geschlossen. Der Jack-Russell-Terrier liegt in einem Leichentuch aus grobmaschigem Naturmaterial, ein Plüschtier und ein Foto seines Menschenrudels dienen als Grabbeigabe. Die Aufnahme von der Beisetzung zeigt Anja Hafermann (54) auf ihrem Handy, als der GA sie und Ehemann Hans Günther (57) auf dem Tierfriedhof Katke in Bornheim antrifft. „Danke für die schönste Zeit unseres Lebens“, steht auf einer Tafel auf der kleinen quadratischen Fläche, die in Erinnerung an das geliebte Haustier mit Fotos, Blumen und Lichterketten geschmückt ist. Unter Caipis Lebensdaten steht ein Kreuzsymbol, weiter vorn eine Bhudda-Figur, daneben ein beleuchteter „Love“-Schriftzug.

Ein Foto seines menschlichen Rudels und ein Plüschtier dienten bei der Beisetzung von „Caipi“ als Grabbeigaben.

Ein Foto seines menschlichen Rudels und ein Plüschtier dienten bei der Beisetzung von „Caipi“ als Grabbeigaben.

Foto: privat

Knapp ein Jahr liegt das Begräbnis zurück, seitdem kommen die beiden Bonner täglich, manchmal sind auch die Kinder dabei. „Man braucht ja Zeit, um loszulassen. Hier lernt man das, langsam“, sagt Anja Hafermann. Sie komme in der Regel morgens, ihr Mann nach der Arbeit vorbei. Der Besuch gehöre für sie zum Tagesrhythmus: „Beim Kaffeetrinken freue ich mich schon.“ Der Tod des Hundes sei für die ganze Familie eine schlimme Erfahrung gewesen. „Ich war dabei, als Caipi eingeschläfert wurde“, erinnert sich die 54-Jährige. „Ich bin bis zum Schluss geblieben, dann musste ich raus. Ich hab’s nicht mehr ausgehalten.“

„Caipi“ sollte nicht verbrannt werden

Die Nummer vom Tierfriedhof habe sie von einer Freundin bekommen. Früher seien die Hunde der Familie im Garten von Bekannten begraben worden, bei dieser Lösung sei man aber weniger flexibel, was den Besuch und die Gestaltung des Grabs angehe. So erklärt Anja Hafermann, warum sich die Familie für das ungewöhnliche Angebot in Bornheim entschieden hat. Die Betreiber hätten am Telefon geduldig zugehört und seien beim Begräbnis behutsam vorgegangen, lobt sie. „Ich glaube nicht, dass der richtig tot ist. Irgendetwas ist noch da“, sagt Ehemann Hans Günther. „Da sagen manche vielleicht, ich hätte sie nicht mehr alle, aber ich glaube da dran.“ Die Art der Bestattung ist ihm wichtig: „Caipi“ einäschern zu lassen, das hätte er nicht über sich gebracht, sagt er, auch seine Frau schüttelt den Kopf.

Anja Hafermann bezeichnet sich als spirituell, sie interessiere sich für Esoterik und habe früher Karten gelegt. Sie zeigt ein Wolkenfoto, auf dem sich die Silhouette eines Hundekopfes erkennen lässt. Die Aufnahme habe sie nach dem Tod ihres Terriers gemacht, berichtet sie: „Ich habe geweint und raus geguckt, da habe ich im Himmel ein Herz gesehen. Als ich das fotografieren wollte, hat sich die Form geändert. Jeder sagt, das sieht aus wie Caipi.“ Sie selbst sei evangelisch und ihr Mann katholisch, er sei jedoch aus der Kirche ausgetreten. „Ich gehe manchmal noch gern in die Kirche, aber einen Pastor brauche ich nicht“, sagt die Bonnerin. Was mehr helfe, seien Gespräche mit anderen Tierfreunden, die man in Bornheim treffe. Die Trauer sitze noch zu tief für ein neues Haustier: „Dazu sind wir noch nicht bereit.“

Ein Ort, an dem man trauern kann

Anders ist das bei Stefan Gläske. Der 46-Jährige aus Niederkassel besucht auf dem Tiefriedhof seine beiden Kater „Krümel“ und „Monster“, die im Abstand von sieben Monaten gestorben sind; der zweite im Februar 2022. „Man hat 15 Jahre mit seinen Tieren verbracht. Die danach beim Tierarzt zu lassen, fand ich eine doofe Vorstellung“, begründet er seine Entscheidung, in Bornheim zwei Grabstellen zu buchen. Zwei bis dreimal die Woche fahre er auf dem Rückweg von der Arbeit in Bad Godesberg dort vorbei, bei gutem Wetter auch öfter. Er tauscht Kerzen und Batterien aus, sieht nach dem Rechten. „Hier hat man einen Ort, wo man hingehen kann. Das war mir wichtig und ist mir auch noch wichtig“, sagt Gläske. Vor ein paar Wochen hätten drei junge Katzen, von ihren Besitzern ausgesetzt, bei ihm ein neues Zuhause gefunden. Die Gräber von „Krümel“ und „Monster“ werde er aber weiter regelmäßig besuchen.

Auf der eingezäunten Anlage in direkter Nachbarschaft des Menschenfriedhofs kennt man sich: Die Fläche ist überschaubar, und jeder, der herkommt, weiß, wie es ist, sich von einem Haustier verabschieden zu müssen. „Ich sage immer, mein Tier war ein Wegbegleiter, durch Höhen und Tiefen“, sagt Jule Mangin (69) aus Bornheim, die ihren Kater „Aristo“ besucht, der kurz vor Weihnachten 2021 einer schweren Erkrankung erlag. „Er war immer da, auch in der Pandemie. Als er gestorben ist, ist mir das schon sehr nahe gegangen“, erklärt die Seniorin. Für ihre Gefühle müsse sie sich nicht rechtfertigen, findet sie: „Ich weiß, es gibt Leute, die das unsinnig und albern finden, und nicht verstehen, wie man so etwas für ein Tier tun kann.“ Das verstehe man nur, wenn man die Erfahrung selbst gemacht habe, sagen viele der Besucher.

Auch Tiere seien lebende Wesen, betonen Besucher

Wer auf dem Tierfriedhof zuhört, begegnet dennoch Sichtweisen, die so individuell sind wie die Menschen, die dort um ihre Lieblinge trauern. „Ich muss es doch immer noch ein bisschen unterscheiden, ich darf nicht das da drüben mit dem hier vergleichen“, sagt etwa Günter Roszak (71) aus Bornheim, dessen Labrador-Hündin „Lara“ vor fünf Jahren gestorben ist – mit deren Grab sei er einer der ersten Kunden gewesen, erzählt er. Mit „drüben“ meint er den Menschenfriedhof. Auch wenn der Tod eines Menschen und der eines Haustieres in seinen Augen nicht gleichzusetzen sind, gebe es keinen Grund, Letzteres zu belächeln: „Das ist trotzdem ein Lebewesen, das seine Berechtigung hat.“

Christian und Frank Katke sehen das ähnlich: Vater und Sohn betreiben die Friedhofsgärtnerei im Ort, der Tierfriedhof ist für sie ein Nebengeschäft. Auf die Idee sind sie gekommen, weil sie selbst Tiere halten. „Reich wird man damit nicht“, sagt der Junior, aber die Kosten ließen sich decken. Neben Hunden und Katzen begraben die beiden hier auch Kleintiere wie Kaninchen, sogar eine Schlange ist dabei. Solange sie die Hygienevorgaben des Kreisveterinäramts einhalten würden, hätten sie bei der Gestaltung des Tierfriedhofs freie Hand.

Der neue Leichenwagen kommt gut an

„Das meiste bestimmen die Leute selbst“, erklärt Frank Katke: Trauerfeier, Tuch oder Sarg, Grabdeko. Auf Wunsch würden er oder sein Vater ein paar Worte sagen, in der Regel täten das die Besitzer. „Wir hatten hier auch schon Begräbnisse, zu denen 15 Leute kamen, oder kleine Zeremonien mit Musik“, erzählt er. Ein paar Tage im Monat wenden die beiden für den Tierfriedhof auf, eine Neuerung ist der Leichenwagen: Ein umgebauter Chevrolet, den die Katkes stolz präsentieren. „Das macht was her, wenn wir damit vorfahren“, sagt er und grinst – bei den Kunden komme das richtig gut an, weil es sich dadurch noch mehr wie eine „richtige“ Beerdigung anfühle.

Für Unmut und Ärger sorgt auf dem Tierfriedhof nur eines: Die Anweisung der Stadtverwaltung, den überdachten Unterstand zurückzubauen. Beim GA-Besuch nieselt es, den Besuchern bleiben nur Regenschirme. Eine „Sauerei“ sei das und völlig unverständlich, ist man sich einig. Aus Gehässigkeit habe jemand den Tierfriedhof angeschwärzt, lautet die Vermutung. Fakt ist, dass die Baugenehmigung seinerzeit keine Erlaubnis für die Errichtung der kleinen „Trauerhalle“ beinhaltete. Schon seit Längerem gibt es in der Sache keine Lösung. Die Betreiber wollen aber nicht aufgeben, lässt Frank Katke durchblicken: „Wir haben Unterschriften gesammelt.“

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