Sonderfahrt von Münster ins Ahrtal Historische Dampflok sorgt für Staunen in Sechtem

Bornheim-Sechtem · Am Samstag fuhr die historische Dampflok mit Personenwagen auf ihrer Sonderfahrt von Münster ins Ahrtal durch den Sechtemer Bahnhof. Zuschauer und Mitfahrende waren begeistert.

 Eine historische Dampflok fuhr unter anderem durch den Sechtemer Bahnhof.

Eine historische Dampflok fuhr unter anderem durch den Sechtemer Bahnhof.

Foto: Axel Vogel

Leises Tuckern war aus der Ferne zu hören: Langsam näherte sich die Dampflok 78468 mit ihren historischen Personenwagen dem Sechtemer Bahnhof – mit 20 Minuten Verspätung. Denn auf der Sonderfahrt von Münster ins Ahrtal gab es „in Opladen ein Problem mit der Weichenstellung. Wir wurden auf ein falsches Gleis geleitet und mussten erst einmal wenden“, schmunzelte Sönke Windelschmidt, Gründer der Arbeitsgemeinschaft NostalgieZugReisen und Organisator der Tour am Samstag.

Zwischen 15 und 20 Nostalgiefahrten mit historischen Eisenbahnen bietet der Mühlheimer Planungsstatiker im Jahr an, zum ersten Mal ging es unter dem Motto „Goldener Oktober im Ahrtal“ mit Volldampf nach Kreuzberg. Für „Ah“s und „Oh“s der dichtgedrängt stehenden Zuschauer sorgte schon das „Zugpferd“ – die 1924 von der damaligen Reichsbahn in Dienst gestellte – und mit Steinkohle befeuerte Dampflok. Schon lange vor der Ankunft knubbelten sich große und kleine Eisenbahnfans auf dem Bahnsteig, der Sechtemer Brücke und entlang der Schienen und warteten geduldig – Fotokameras und Smartphones griffbereit, um auch nicht anwesende Familienmitglieder an „diesem seltenen Erlebnis teilhaben zu lassen. Der Enkel interessiert sich sehr dafür“, erzählen Edgar und Uta Schmitt aus Walberberg.

Einzige Lok ihrer Machart, die noch unterwegs ist

Die „alte Dame“ 78468, in ihrer aktiven Zeit im Ruhrgebiet und ab Mitte der 60er Jahre im Hamburger Nahverkehr im Einsatz, fand als „Rentnerin“ ab 1969 zunächst einen Abstellplatz im „Museum der Hamburgischen Geschichte“, wurde 1999 reaktiviert und begeistert seitdem Liebhaber historischer Eisenbahnen auf Ausstellungen und bei Sonderfahrten, denn sie ist die einzige Lok ihrer Machart, die in Deutschland noch unterwegs ist. Sechs Tonnen Steinkohle wurden vor dem Start eingelagert – alle paar Minuten muss der Heizer ein wenig Material nachlegen. Auch beim Wasser, dessen Dampf zum Antrieb der Maschine benötigt wird, waren in Münster rund 15 Kubikmeter in den Wassertank hinter der Lok gefüllt worden - für die Hin- und Rückreise von insgesamt 520 Kilometern nicht genug.

So wurden sowohl in Kreuzberg Kohle als auch in Sechtem der Wasservorrat bei der Hin- und Rückfahrt aufgefüllt. Die Einsatzabteilung und die Jugendfeuerwehr der Sechtemer Löschgruppe um Löschgruppenführer Markus Braun genossen ihren eher ein wenig anders gearteten Einsatz, als sie einen 20 bis 30 Meter langen Schlauch an einen Hydranten anschlossen. „Hier haben zwar schon einmal zwei Nostalgiezüge gehalten, aber die 78468 ist doch etwas ganz Besonderes“, freute sich Braun.

Sonderfahrt war restlos ausgebucht

Und nicht nur die Dampflok versetzte das Publikum in Staunen. So waren die zwei- und vierachsigen Personenwagen aus den 1920er bis 1930er Jahren sowie aus den 1960er Jahren in ihrem Original-Ambiente ausgesprochen sehenswert. In der rustikalen dritten Klasse reisten die Passagiere auf sogar recht bequemen Holzbänken, in der zweiten und ersten Klasse standen Leichtpolster- und Polstersitze zur Verfügung.

Mit 300 Kindern und Erwachsenen war die Sonderfahrt – wegen Corona in leicht abgespeckter Form – restlos ausgebucht. Zu den Passagieren gehörten auch Iris Hannemann und Jürgen Severin. Die beiden Oberhausener waren in Duisburg zugestiegen und wollten sich bis zur Rückfahrt Ahrweiler ansehen. „Bei geöffnetem Fenster konnten wir auch den einmaligen Geruch des Eisenbahnparfüms genießen“, erzählten die Ruhrgebietler.

Nicht mitgefahren war und dennoch dabei sein wollte Max Müller (Name geändert). Für den 78-Jährigen aus Morenhoven sind Dampfloks, „ein Relikt des Eisenbahnbaus, die die Anfänge des Industriezeitalters verdeutlichen“. Uwe Eckert sah in der 78468 eine Erinnerung an die eigene Kindheit. „Solche Bahnen kenne ich noch aus dem normalen Zugverkehr. Wenn man dann unter einer Brücke entlangfuhr und das Fenster nicht geschlossen hatte, wurde alles schwarz“, schmunzelte der Witterschlicker.

Frank Schilenski aus Marl beobachtete von der Plattform das Treiben auf dem Bahnsteig, als das Signal zur Weiterfahrt ertönt. Zwei Schnellzüge mussten noch vorbeigelassen werden. Dann hob Zugführer Dirk Breuter die Kelle. Lokführer Stefan Jeggle machte sich bereit für die Weiterfahrt nach Ahrweiler.

Kurz gefragt

Sönke Windelschmidt liebt Eisenbahn-Oldtimer – eine Leidenschaft, die der 56-jährige Planungsstatiker als Passagier zahlreicher Nostalgiereisen jahrelang auslebte. Dann gründeten der Familienvater und seine Frau Doris Schiborr 2010 in Mühlheim an der Ruhr die Arbeitsgemeinschaft NostalgieZugReisen, um auch anderen Fans ein Reiseerlebnis wie anno dazumal zu ermöglichen. 15 bis 20 Sonderfahrten bietet Windelschmidt jedes Jahr an, nun ging es zum ersten Mal ins Ahrtal. Über seine Liebe zu historischen Bahnen sprach Sönke Windelschmidt mit Susanne Träupmann

Warum lieben Sie historische Loks und ausrangierte Züge?

Sönke Windelschmidt: Als Kind hatte ich eine H0-Anlage, mit der ich gerne gespielt habe. Aber erst durch einen Besuch im Bochumer Eisenbahnmuseum – da war ich 30 Jahre alt – wurde ich mit dem Virus für historische Bahnen infiziert. Von da ab waren wir regelmäßig in historischen Eisenbahnen in ganz Deutschland unterwegs. Dann habe ich 2007 meine theoretische und praktische Prüfung als Lokführer für Dieselloks abgelegt und seitdem fahre ich auch selber. Allerdings habe ich keine Fahrerlaubnis für Dampfloks, sodass ich es heute genieße, wieder mal als Passagier bei einer Fahrt dabei zu sein.

Ihre Arbeitsgemeinschaft besitzt keine Züge. Woher kommen Ihre Bahnen für die Sonderfahrten?

Windelschmidt: Es gibt in Deutschland rund 100 Museumsbahnen, von denen allerdings nicht alle fahrtüchtig sind. Für unsere Touren leihen wir uns Loks und Waggons von Museen und entsprechenden Vereinen aus - wie für die heutige Fahrt vom Verein für Eisenbahn-Tradition aus Lengerich. Entsprechend der jeweiligen Abstellstandorte organisieren wir unsere Fahrten.

Was ist das Besondere an der 78468?

Windelschmidt: Diese Dampflok ist die einzige dieser Konstruktion, die in Deutschland noch fährt. Auch wenn sie erst 1924 gebaut wurde, ist sie doch ein typisches Beispiel für Bahnen aus der Kaiserzeit. Diese preußischen Dampfloks finde ich am schönsten.

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