Serie: Ehrenamt in Beuel Die „Initiative Torus“ will Familien Kraft geben

Beuel · Der Beueler Verein „Initiative Torus“ unterstützt in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis Familien mit Kindern, die eine schwere oder chronische Erkrankung haben. Für diese Arbeit sind Ehrenamtliche wichtig. Zusammen mit der Freiwilligenagentur Bonn sucht der Verein nun weitere Helfer.

 Während des Lockdowns haben sich David Budek (v.r.), Jan Covaci (8), Anna Budek (7) und Tim Covaci (3) die Tiere im Kölner Zoo über das Internet angesehen.

Während des Lockdowns haben sich David Budek (v.r.), Jan Covaci (8), Anna Budek (7) und Tim Covaci (3) die Tiere im Kölner Zoo über das Internet angesehen.

Foto: Initiative Torus

„Es war ein unfassbarer Schock für mich, und ich war völlig überfordert“, sagt Katharina Budek. Sie beschreibt ihr Gefühle nach der Geburt ihres inzwischen 13-jährigen Sohnes David – und nach Monaten der Freude über die Schwangerschaft. Ihr Sohn erlitt wenige Tage nach der Geburt eine Schwerst- und Mehrfachbehinderung. Ihre Erfahrung bringt die 40-Jährige als Vorsitzende in die Arbeit der Initiative Torus ein. Der Beueler Verein unterstützt in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis Familien und Erziehungsberechtigte mit behinderten oder dauerhaft erkrankten Kindern und Jugendlichen, bietet Betreuung und Informationen an. Dafür braucht die Initiative Helfer. In Zusammenarbeit mit der Freiwilligenagentur Bonn sucht der Verein nun weitere Ehrenamtliche.

Seit 2012 gibt es die Initiative Torus. Der Verein war durch das Engagement von Helfern des Deutschen Kinderhospizvereins entstanden, berichtet Wolfgang Willems (62), zweiter Vorsitzender. Der IT-Berater und Vater einer herzkranken Tochter (22) gehört mit seiner Ehefrau zu den Mitinitiatoren des Vereins, der sich als Erweiterung zum Angebot des Kinderhospizvereins gründete. Deren Mitglieder unterstützen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. „Hier gab es aus unserer Sicht eine Lücke, die wir schließen wollten“, sagt Budek. Denn die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien, die die Initiative Torus begleitet, leben dauerhaft mit schweren Behinderungen oder chronischen Erkrankungen.

Kein Anzeichen für eine Erkrankung

Budek wohnt mit ihrem Ehemann Peter und den beiden Kindern David und Anna (7) in Königswinter-Oberpleis. Seit etwa vier Jahren ist die ausgebildete Krankenpflegerin Vorsitzende der Initiative Torus, begleitet den Verein von Anfang an. Bis zur Geburt von David habe es keine Anzeichen auf eine schwere Erkrankung und in der Folge auf die Schwerst- und Mehrfachbehinderung gegeben. „David kam mit einem Thrombus in der Hauptschlagader auf die Welt“, sagt Budek. Dann bildeten sich Blutgerinnsel. Daraufhin entschieden sich die Ärzte für eine sogenannte Lösetherapie und die Gabe von Medikamenten. Ab dem dritten Tag nach der Geburt erlitt David mehrere Schlaganfälle. Die Folge ist eine dauerhafte spastische Tetraparese.

Dies bedeutet, dass David nicht selbstständig sitzen, essen und sprechen kann. Und er benötigt eine ständige Betreuung. „Seit der Geburt kämpfen wir mit dem Alltag, der nicht planbar ist“, sagt Budek. Für ihre Familie sind feste Abläufe wichtig. „Alles muss vorher geplant werden, auch der Urlaub“, sagt sie. Sie fügt aber auch hinzu: „Heute besucht David die Frida-Kahlo-Schule in St. Augustin, die Betreuung, Therapie und Förderung – körperlich und geistig – bietet. David ist ein sehr glückliches Kind.“

Schwere Zeit für die Mutter

Für Budek begann mit der Diagnose auch persönlich eine schwere Zeit. „Es war wie eine Ohnmacht. Und ich habe mir immer wieder die Frage gestellt: Was habe ich falsch gemacht?“, sagt Budek. Zudem musste sie auch berufliche Pläne überdenken, denn eigentlich wollte sie Pflegepädagogik studieren. Mit der Zeit geriet sie in eine Depression. Viel Unterstützung erhielt sie, als David zwei Jahre alt war, während eines Aufenthalts in einer Rehaklinik. Dort habe ein alleinerziehender Vater trotz der schweren Behinderung eines Sohnes und des Tods der Ehefrau Lebensfreude ausgestrahlt. „Er war ein Vorbild für mich. Er hat das Schicksal angenommen, sein eigenes Leben weitergeführt und es auch genossen, im Motocross-Verein, beim Skifahren“, sagt Budek.

Die Begegnung löste eine Veränderung bei ihr aus, wie auch ihre Schwester nach dem Klinikaufenthalt festgestellt habe. „Sie sagte, du hast die Krankheit akzeptiert. Und es ist so, dass ich vorher nur funktioniert habe und dachte, mein Leben ist vorbei, jetzt bist du eine Pflegekraft“, sagt Budek. Mit der neu gewonnenen Kraft setzte sie zusammen mit ihrem Ehemann Peter auch alles dafür ein, ihren Lebenstraum, den Aufstieg zum Kilimandscharo in Tansania, zu verwirklichen. 2016 erklommen sie das mit 5895 Metern höchste Bergmassiv Afrikas.

Willems: „Hilfe zur Selbsthilfe“

Vor allem aber nach der Gründung der Initiative Torus habe sie die Hilfe gespürt, die sie brauchte. „Hier sind viele tolle Menschen, die mich aufgefangen haben. Es ist wie eine große Familie“, sagt Budek. Die Mitglieder möchten mit ihrem Angebot betroffenen Familien einen geschützten Rahmen bieten, mit Gesprächen sowie Kontakten zu anderen Familien. Zwei Arbeitsschwerpunkte gibt es: Erstens die Klärung sozialrechtlicher Frage mit einem entsprechenden Leitfaden, den Budek entwickelt hat, und zweitens eine körperlich-mentale Entlastung für Familienangehörige. „Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Willems und verweist auf den Vereinsnamen: Torus, ein geometrischer Körper, bedeute Unendlichkeit, Stabilität und stehe für Kreise, die ineinander verflochten sind.

Die aktuelle Pandemie führte beinahe zum Aus für die Initiative, wie Willems verdeutlicht. Sie erschwerte neue Förder-Bewilligungen für zwei hauptamtliche Kräfte – sowie die Zusammenarbeit unter den Helfern und mit den Familien vor Ort. Der Verein hatte aber vorgesorgt. „Wir hatten schon vor Corona ein Projekt gestartet, um unsere Arbeit digital umzusetzen und schalteten mit Beginn der Pandemie schnell um“, sagt Willems. Dies führte auch dazu, dass der Verein den Mietvertrag für die Geschäftsstelle vor kurzem beendete. Willems sorgt zudem als Projektleiter dafür, dass die Trainings der Helfer und Lernangebote nun über das Internet stattfinden.

  Das gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit, die Dieter Area-Hoffmann (56) übernimmt. Seit 2020 engagiert sich der Controller und Heilpraktiker (Psychotherapie) als Beisitzer im Vereinsvorstand. Ein Kind seiner Schwester ist ebenso schwer erkrankt, seine Erfahrung bringt er nun in die Arbeit ein. Er bietet Interessenten Gespräche zum Kennenlernen an. Seine Motivation, sich als Ehrenamtlicher zu engagieren, ist klar: „Für mich und die Initiative ist das oberste Ziel: Wir lassen keinen allein.“

Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.freiwilligenagentur-bonn.de und www.initiative-torus.de.

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