Sorge um die Zukunft Kleiderstuben in Bonn rechnen mit viel mehr Kunden

Hardtberg · Die Teuerung hält sich seit Monaten auf dem höchsten Niveau seit Jahrzehnten. Immer mehr Menschen sind daher auf Second-Hand-Angebote angewiesen. Eine Seniorin aus Duisdorf berichtet.

 Immer mehr Menchen sind auf Kleiderspenden angewiesen, wie hier in der AWO-Kleiderstube in Duisdorf am Kirchplatz.

Immer mehr Menchen sind auf Kleiderspenden angewiesen, wie hier in der AWO-Kleiderstube in Duisdorf am Kirchplatz.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Preise für Lebensmittel steigen und steigen, wenn sie an die nächste Nebenkostenabrechnung für ihre kleine Wohnung denkt, wird der 74-jährigen Seniorin aus Duisdorf angst und bange. „Ich habe mein ganzes Leben rechnen müssen und habe dennoch meine Familie mit dem Einkommen meines Mannes gut über die Runden gebracht“, erzählt die Frau, die namentlich nicht zitiert werden will. „Aber jetzt mache ich mir große Sorgen wie es weitergehen soll“, sagt sie bedrückt auch mit Blick auf einen möglichen Gaslieferstopp und explodierenden Energiepreisen.

Von dem Verdienst ihres mittlerweile verstorbenen Mannes, der bei einem Bauunternehmen beschäftigt war, konnte die vierköpfige Familie gut leben. Um sich um die gemeinsame Tochter und den Sohn zu kümmern, hat die 74-Jährige jahrelang lediglich kleine Aushilfsjobs angenommen. Fest angestellt war sie jedoch nie, einen Anspruch auf eine eigene Rente hatte sie somit nicht. „Das rächt sich jetzt“, zieht sie bitter Bilanz. Seit dem Tod ihres Mannes muss sie mit einer kleinen Hinterbliebenenrente zurechtkommen. „Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“, meint sie sarkastisch. Nun stehe sie allerdings mit dem Rücken zur Wand. „Sparsamer als momentan kann ich nicht leben. Ich muss jetzt versuchen, meinen Alltag anders zu organisieren.“

74-Jährige benötigt warme Jacke und Pullover

Dazu zählt, dass sie nicht mehr in die Stadt fährt, um sich einzukleiden. „Nein“, winkt die 74-Jährige ab. „Ich werde mich erst einmal umsehen, ob ich in einer der hiesigen Kleiderstuben oder Kleiderkammern etwas Passendes finde. Eine Herbstjacke und einen warmen Pullover hätte ich gerne“, ergänzt sie.

Noch macht sich die Urlaubszeit bei der Awo-Kleiderstube am Duisdorfer Kirchplatz bemerkbar. Cornelia Ockenfels rechnet in den nächsten Wochen allerdings mit sehr vielen Besuchern. „Spätestens dann, wenn die Temperaturen wieder fallen, kommen wieder deutlich mehr Kunden, um bei uns nach der passenden Kleidung für Herbst und Winter zu suchen. Wir rechnen damit, dass wir aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Energiekosten deutlich mehr Kunden haben werden wie früher.“

Dabei müsse derzeit niemand Angst haben, in den nächsten Wochen zu frieren. „Wir haben viele Pullover und warme Jacken“, versichert sie. Schließlich würden erfahrungsgemäß in den nächsten Tagen auch wieder mehr Spenden abgegeben. „Wer es sich leisten kann, der kauft sich jetzt neue Kleidung. Das, was dann nicht mehr gebraucht wird, wird nicht selten gespendet und geht an die Kleiderstuben“, weiß sie aus Erfahrung.

Nachfrage nach Kinderkleidung steigt ebenfalls

Gerade erst hat Ursula Tubbesing von der Kinderkleiderstube Medinghoven einen Hilferuf einer verzweifelten Mutter entgegengenommen. „Sie hat fünf Kinder und benötigt für drei Mädchen dringend Schuhe oder Sandalen“, berichtet Tubbesing. Vor allem Flüchtlingsfamilien sowie Eltern, die wenig Geld verdienten, würden zunehmend nach Kleidung für ihren Nachwuchs suchen. Derzeit sei die Nachfrage noch auf einem normalen Niveau. „Aber aufgrund der wirtschaftlichen Lage rechnen wir damit, dass wir spätestens im Herbst wesentlich mehr Anfragen bekommen als in den Vorjahren“, vermutet sie. Daher freue sie sich über weitere Spenden. „Gut erhaltene und gepflegte Kinderkleidung können wir immer gut gebrauchen“, versichert sie. Jetzt sucht sie im Fundus der Kinderkleiderstube Medinghoven der Ökumenische Flüchtlingshilfe Hardtberg jedoch erst einmal nach Sandalen für die drei Mädchen. „Ich hoffe, ich finde etwas Passendes“, sagt sie.

Die Angst vor Inflation und unbezahlbaren Lebensmittel- und Energiekosten macht sich längst auch bei der Bedarfshilfe auf dem Brüser Berg bemerkbar. „Wir haben schon deutlich mehr Kunden“, beobachtet Ludwig Klöckner, Geschäftsführer der Bedarfshilfe Bonn, Rhein-Sieg und Umgebung. Schon jetzt würden viele nach Herbst- und Winterkleidung suchen. „Außerdem entdecken immer mehr Menschen, dass Second-Hand nicht unbedingt unmodern und abgetragen sein muss“, sagt er. Zumal in den Räumen der Bedarfshilfe an der Edisonallee nicht nur gebrauchte Kleidung und Haushaltsgegenstände angeboten werden. „Wir bekommen oft sogar Neuware, die nicht in den Handel gekommen ist“, erklärt Klöckner.

Jeder kann bei der Bedarfshilfe einkaufen. Egal ob Kleidung, Schuhe, Bücher, Kindermöbel, Geschirr oder Schuhe – in den Regalen und an den Kleiderstangen findet sich für jedes Alter und jeden Geschmack etwas. Dabei sind die Preise gesetzt, zwei Euro kostet Kleidung für Erwachsene, ein Euro die für Kinder.

Haushaltsgegenstände sowie gut erhaltene und gewaschene Kleidung werden gerne während der Öffnungszeiten der Bedarfshilfe entgegengenommen. „Wir holen die Gegenstände sogar bei den Spendern ab“, verspricht der Geschäftsführer.

Nähere Informationen unter www.bedarfshilfe.de. Mehr zur Kleiderstube am Kirchplatz sowie die Öffnungszeiten unter www.awo-duisdorf.de.Wer Kinderkleiderspenden abgeben möchte, kann sich unter u.tubbesing@oefh.info melden.

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