Weihnachtsgeschichte in Medinghoven Nachbarn helfen spontan einer Flüchtlingsfamilie

Medinghoven · Wäre diese Geschichte nicht wirklich passiert, man hätte sie sich an Weihnachten nicht passender ausdenken können. Wie Nachbarn in Medinghoven einer Flüchtlingsfamilie spontan unter die Arme griffen, sie mit dem Nötigsten ausstatteten und zum Essen einluden, ist ein Zeichen von Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit, das Mut macht.

 Verena Zimmer (l.) und Alfred Ziegler (r.) haben einen Weg gefunden, sich mit den Flüchtlingskindern zu verständigen.

Verena Zimmer (l.) und Alfred Ziegler (r.) haben einen Weg gefunden, sich mit den Flüchtlingskindern zu verständigen.

Foto: Rolf Kleinfeld

Der Reihe nach: Einen Tag vor dem 24. Dezember hielt ein Auto am Fußballplatz des 1. FC Hardtberg. Eine Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan stieg aus, um ihr Quartier in der ehemaligen Hausmeisterwohnung zu beziehen. Das Mobiliar bestand aus Betten, einem Tisch und Stühlen - mehr nicht. Die drei Erwachsenen und vier Kinder hatten nichts außer dem, was sie am Leib trugen. Es fehlte an allem, und das einen Tag vor Heiligabend.

In dieser Situation fackelten die Nachbarn nicht lange. Sie besorgten Lebensmittel und Getränke. Obwohl die Kommunikation mit den ausschließlich Persisch sprechenden Ankömmlingen nicht möglich war, verstanden die Deutschen sehr wohl die Zeichensprache. Und die Hand zum Mund geführt, bedeutet in allen Sprachen: "Hunger." Die Nachbarn schenkten her, was in der Küche überzählig war, Gläser und Geschirr, Besteck und einen Zweiplattenherd. Eine Nachbarin kochte und lud die Familie ein.

"Aber es herrschte auch große Ratlosigkeit, weil nichts vorbereitet war und alles unorganisiert wirkte", sagt Nachbar Alfred Ziegler, der einen Nudelauflauf in die Unterkunft brachte. Angeblich sei den Flüchtlingen alles erklärt worden, fügt Verena Zimmer hinzu. Doch sie hätten nicht gewusst, woran sie waren. "Wir kommunizieren mit Händen und Füßen, da sie auch kein Englisch verstehen." Inzwischen nutzen sie ein Übersetzungsprogramm auf dem Smartphone und halten sich die Displays hin.

Familie hat achtwöchigen Marsch hinter sich

Zu allem Überfluss fiel am zweiten Weihnachtstag die Heizung aus. Ein leitender Mitarbeiter des städtischen Gebäudemanagements kam an seinem freien Tag vorbei und schraubte mehr als eine Stunde, bis sie wieder lief. Auch CDU-Ratsherr Bert Moll war vor Ort. Von ihm erfuhren die Nachbarn, dass die Familie den Nachnamen Golmahamadi trägt und einen achtwöchigen Marsch hinter sich hat.

Inzwischen weitet sich die Hilfe aus. Pater Gottfried aus dem Malteser-Krankenhaus wolle sich um weitere Möbel kümmern, hieß es. Ein Afghane, der in Medinghoven wohnt, fungiert als Übersetzer. Nachbarin Renate Bergener brachte ein paar Zeilen zu Papier, nachdem sie und ihr Mann Claus die Flüchtlingsfamilie am ersten Feiertag zum Essen eingeladen hatten: "Unsere neuen Nachbarn sind richtig nett. Sie tauten auf und es gab auch was zu lachen. Der Zehnjährige war nicht dabei, er hätte Bauchweh. Das Mädel kann ein bisschen Englisch. Sie seien zu Fuß gekommen und acht Wochen unterwegs gewesen."

Die Familie habe sich mit großem Appetit über eine Schüssel Pellkartoffeln mit Salz und orientalischen Gewürzen hergemacht, die Renate Bergener auf den Tisch gestellt hatte. Blumenkohl nahm jeder nur einen Esslöffel voll. "Meine Frikadellen aus Rindfleisch gingen weg wie warme Semmeln. Die kleinen Putenschnitzel bei den Jungs nicht so. Ich habe sie ihnen aber trotzdem zum Abendbrot mitgegeben." Das Eis zum Nachtisch kam gut an.

"Die Buben haben dann unten gespielt. Das Mädel hat ins Gästebuch gemalt, und wir Alten tranken Tee." Mit einer Kiste Lego und Schirmen seien sie dann nach zwei Stunden heimgegangen, aber nicht bevor man ihnen die Weihnachtsgeschichte erklärte. "Und sie standen an unserem Baum und werden es wohl nie vergessen, wann sie im Wesselheideweg angekommen sind."

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