Architekturschau Im Viktoriabad ist eine neue Ausstellung zu sehen

Bonn · Eine Architekturausstellung im Viktoriabad thematisiert die „Graue Energie“, die unter anderem durch Abriss von Bauten freigesetzt wird und die Ökobilanz belastet. Ein attraktives Rahmenprogramm widmet sich dem Viktoriabad und der Zukunft des Bonner Stadthauses.

 Die Architektinnen Barbara Schlei und Nicole Richter vom BDA in der Ausstellung im Viktoriabad

Die Architektinnen Barbara Schlei und Nicole Richter vom BDA in der Ausstellung im Viktoriabad

Foto: Meike Böschemeyer

„Was kommt nach den Badegästen?“ Diese Frage wirft der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) in den Raum, besser gesagt in die beiden Schwimmhallen des Viktoriabades. Denn kaum ein Ort eigne sich, so der BDA, besser, „die Hilflosigkeit im Umgang mit dem Bestand und die daraus resultierende Misere der leer stehenden Bausubstanz nicht nur anschaulich zu erläutern, sondern sie auch spürbar zu machen“. Deutliche Worte.

Das seit zehn Jahren geschlossene Viktoriabad ist in diesem Juni Ausstellungsort und -inhalt zugleich: Bis 29. Juni präsentiert der BDA dort die Wanderausstellung „Sorge um den Bestand – Zehn Strategien für die Architektur“. Hinzu kommen eine Reihe Veranstaltungen, Führungen, ein Symposium und ein Sommerfest. Bereits im Mai wurde das Viktoriabad als Ausstellungsort genutzt: Der Studienzweig Museumsstudien zeigte dort eine spannende Schau über die großen Friedensdemos in Bonn.

Empfindlich belastete Ökobilanz

Nun geht es um Architektur, um bestehende Architektur, die nicht abgerissen, sondern fantasievoll und sowohl ökologisch sinnvoll als auch ästhetisch befriedigend umgewidmet und umgebaut werden soll. Es geht um „Graue Energie“, die unter anderem durch Abriss von Bauten quasi freigesetzt wird und die Ökobilanz empfindlich belastet. Bauen im Bestand ist riskant, der Grat zwischen Verändern, Bewahren und Zerstören sehr schmal. Welcher Bestand lohnt den Umbau? Welche Kriterien muss man anlegen? Sind die Hochschulen und Universitäten für die anstehenden Fragen gerüstet? Wie ticken jene Architekten, für die einzig der Neubau das Non plus ultra war oder ist?

Für die meisten Studenten sei eine ressourcenschonende Architektur das große Thema, nicht nur für Masterarbeiten, sagt die Architektin Nicole Richter, beim BDA-NRW unter anderem für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Bei lehrenden und praktizierenden Architekten sei das Bild nicht so eindeutig. Und sie zitiert aus dem Begleitbuch zur Ausstellung: „Die Erde ist menschlich überformt, auf jedem Quadratmeter Erdoberfläche lagern durchschnittlich 50 Kilogramm vom Menschen gemachtes Zeug; Straßen, Häuser, Infrastrukturen und vieles mehr.“ Die Welt ist also gebaut – es ist alles schon da. Können wir das akzeptieren und seriös und kreativ mit dieser Ressource umgehen? Das fragt die erste von zehn Strategien für die Architektur, die der BDA aufgestellt hat.

Zehn Strategien für eine neue Architektur

Man liest die Thesen im Schnelldurchlauf vor der Damenumkleide des Viktoriabades. Im Schwimmbad selber wird erklärt, worum es im Detail geht. Dem Team um Richter und Barbara Schlei, Architektin und Geschäftsführerin des BDA-NRW, ist es gelungen, die Wanderausstellung des BDA, die bald nach der Realisierung wegen Corona pausieren musste, an die schwierige Topografie des Schwimmbads anzupassen. Und so geht es ziemlich steil bergab im hellblauen Fliesenambiente. Der Blick fällt auf zwei große Wände, deren Grundsubstanz das alte Fischgrät-Parkett aus einer Wohnung in Berlin-Schönefeld ist. Das wurde gerettet. Unter dem Parkett lag ein alter Bohlenboden. Auch für ihn fand sich eine Verwendung. Aus den Brettern baute man einen Tresen, der die Ausstellungsteile unterm Sprungturm mit denen in der Nichtschwimmerzone verbindet. Eine sinnfällige Konstruktion, die besagt, dass die zehn Thesen nur in Verbindung miteinander funktionieren.

Spuren der Vergangenheit

„Hier ist alles recycelt“, sagt Schlei, nur nicht die orangen Liegestühle am Beckenrand – Ton in Ton mit der Geysirlandschaft auf dem Panoramafenster. Im Liegestuhl kann man die zehn Strategien, die im Ausstellungsparcours durch Objekte Fotos und Texte erläutert werden, geistig vertiefen. Es geht um den „Wert der Permanenz“, quasi Spuren der Vergangenheit, die man im Sinn eines nachhaltigen Bauens wertschätzen sollte; ferner geht es um den gebauten Bestand, dessen Potenzial und Kapazitäten für eine neue Nutzung; Thema sind ebenso klimaaktive Naturbaustoffe wie ressourcenschonendes Lowtech-Bauen oder auch, Wohnen, Arbeit und Bildung in der Stadt neu zu organisieren („bevor wir Neues errichten, sollten wir Altes anders nutzen“); es geht auch um den Slogan „Aus Donuts müssen Krapfen werden“, also die Wiederbelebung von Dorf- und Stadtzentren, und um Bauen in der Kreislaufwirtschaft, in der Gebäude so errichtet werden, dass darin enthaltene Rohstoffe mit einem geringen Aufwand für einen Wiedereinsatz zurückgewonnen werden können.

„Die Ausstellung zeigt die Metaebene des Problems“, sagt Schlei. Im Rahmenprogramm werde man deutlicher und lokaler, „Lass es bleiben – mach es besser!“ Unter dieser griffigen Formel steht etwa ein eintägiges Symposium am 10. Juni im Viktoriabad. Vier mit Experten bestückte Panels ventilieren Themen wie „Schön, dass ihr dabei seid! – Bauen im Prozess“, „Poesie des Gebrauchten – Recycling und Wiederverwendung“, „Metamorphosen – Umnutzung Weiterbau Reparatur und Wandel“ oder „Second Hand Urbanism – Das Potenzial der Fuge“. Eingeladen sind Projektentwickler, Architekten, Professoren, Städteplaner und Architekturhistoriker.

Auch Viktoriabad wird zum Thema

Am 12. Juni, 14 Uhr, führt Alexander Kleinschrodt von der Werkstatt Baukultur unter anderem durch das Viktoriaviertel und das Viktoriabad. In einer „Horizonterkundung: Das Viktoriabad ist kein Einzelfall“ befasst man sich am 16. Juni, 14 Uhr, mit ähnlich gelagerten Fällen. Am 26. Juni, 14 Uhr, heißt es „Weitersagen: Werde Multiplikator:in für eine neue Umbaukultur!“. Treffpunkt für die Führungen ist das Viktoriabad. Dort erinnert eine Klanginstallation von Nathalie Brum an fröhliche Badezeiten im Hallenbad.

Das Bonner Stadthaus ist gleich zweimal Thema: Am 18. Juni wird um 10 Uhr ein „Rundgang Stadthaus“ angeboten. Unter dem Titel „Das Bonner Stadthaus – Stadtumbauten als Chance diskutieren in einer hochkarätig besetzten Runde am 23. Juni, 18 Uhr, die BDA-Vorsitzende Bonn-Rhein-Sieg, Ines Knye, der Bonner Planungs- und Umweltreferent Helmut Wiesner, sowie die Architekten Jan Giesen (Köln) und Volker Staab (Berlin). Anschließend feiert der BDA sein Sommerfest. Insgesamt ein ambitioniertes Informations-Paket, das nicht nur das Viktoriabad in die Diskussion bringt.

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