Kostenlose Stadtführungen Wie Bonner Greeters Fremden die eigene Stadt erklären

Bonn · Seit über fünf Jahren führen die Bonner Greeters kostenfrei Besucher durch die Stadt und erzählen dabei ihre ganz persönlichen Geschichten.

 Trotz Pandemie und winterlicher Temperaturen führt Wolfgang Wiemers (2.v.r) seine Gruppe durch Bonn.

Trotz Pandemie und winterlicher Temperaturen führt Wolfgang Wiemers (2.v.r) seine Gruppe durch Bonn.

Foto: Sven Festag

 Geduldig wartet Wolfgang Wiemer am Bahnsteig auf eine Touristengruppe, die in Königswinter übernachtet. Er ist ehrenamtlicher Stadtführer, ein sogenannter Greeter. In seiner letzten Führung in diesem Jahr zeigte er am Montag einer fünfköpfigen Gruppe einige Sehenswürdigkeiten der Stadt. „Jede Route ist ein bisschen anders", erklärte er." Die Teilnehmer können die Inhalte der Tour mitgestalten".

Erstes Ziel dieser Führung war das Opernhaus. Noch bevor er die Historie des Bauwerkes erklärte, kommentierte er mit einem Augenzwinkern: „Die Oper ist sehr schön, wenn man darin sitzt. Von außen ist sie eher hässlich." Die Gruppe zog weiter vorbei am Alten Zoll über Hofgarten und Markt bis zum Beethovenhaus. Immer wieder hielt Wiemer an und erzählte ohne Notizen oder auswendig gelernte Phrasen – Teile der Bonner Geschichte. Entfallene Jahreszahlen oder Namen überspielt er selbstironisch: „Ich überlege noch, wie der Architekt heißt. Mir fallen drei Namen ein, aber nur einer davon stimmt."

Eine Stadtführung auf ganz andere Art

Seit über fünf Jahren sind die Bonner Greeters in einem Verein organisiert, der Besuchern und Touristen die Stadt auf eine persönliche Art näher bringen will. Daher ist die Gruppengröße auf sechs Personen begrenzt. Besucher können den Verein kontaktieren und werden dann an einen Greeter vermittelt, mit dem sie die Details der Führung besprechen können. Die Teilnahme an der Führung ist kostenlos. Der Verein finanziert sich über Spenden. „Viel Geld brauchen wir nicht, aber ganz ohne lässt sich ein Verein nicht tragen", erklärt Wiemer.

Die Teilnahme am Vereinsleben sei für die Greeter freiwillig. Es werden aber viermal jährlich Treffen angeboten, bei denen sich die ehrenamtlichen Stadtführer austauschen können. „Ich bin mir sicher, dass es Geschichten von mir gibt, die die anderen Greeter auf ihren Touren erzählen", sagt Wiemer. Er selbst habe dort aber auch interessante Geschichten gehört, die er nun weitererzählt. Die Bonner Greeters unternehmen auch gemeinsame Reisen.

Bonner Stadtgeschichte ist faszinierend

Wiemer selbst wurde vor etwa zwei Jahren zum Greeter. „Ich bin Bonner und finde die Stadtgeschichte faszinierend", sagte er. Besonders gefällt ihm, dass er anderen Menschen Geschichten erzählen kann. Dabei legt er Wert auf das Persönliche. „Bei den Greeter-Führungen kann ich mit den Leuten ins Gespräch kommen. Bei einer professionell organisierten Tour geht das nicht." So habe Wiemer Menschen verschiedener Kontinente kennengelernt. „Nicht-Europäer stellen interessantere Fragen als Landsleute", merkt er an.

Das Greeter-Motto „Komm als Gast, geh als Freund" sei nicht nur eine Floskel. Wiemer erinnerte sich an ein junges Ehepaar aus Slowenien, das an einer seiner Führungen teilgenommen hatte. „Bei ihrem nächsten Besuch in Bonn habe ich die beiden zu Hause empfangen."

Das Konzept kommt auch bei dieser Gruppe an. „Ich finde es gut, dass es ein nicht-kommerzielles Angebot für Besucher gibt", sagt Klaus Dickfoss. „Zwischen Weihnachten und Neujahr gibt es nur wenige Stadtführungen. Es ist toll, dass sich Wolfgang trotz des kalten Wetters für uns Zeit nimmt." Greeter und Teilnehmer sind sich einig: Ein zweites Mal darf es gerne geben.

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