Jobwalk für Jugendliche in Bonn Spielerisch Berufe kennenlernen

Bonn · In Bonn startet der Jobwalk für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Schüler der August-Macke-Schule erfahren Details über Berufe, die sie bisher oftmals nicht kannten.

 Die Jugendlichen der August-Macke-Schule erfahren in Lehrvideos Einzelheiten über Berufe wie den Hörgeräteakustiker.

Die Jugendlichen der August-Macke-Schule erfahren in Lehrvideos Einzelheiten über Berufe wie den Hörgeräteakustiker.

Foto: Stefan Knopp

Der blaue Punkt auf der digitalen Straßenkarte von Bonn näherte sich der Zielortmarkierung. Dafür, dass sie diesen Punkt erreicht hatten, erhielten die Jugendlichen von der August-Macke-Hauptschule 100 Punkte auf ihr Konto. Dann steckten sie die Köpfe über dem Smartphone zusammen, um sich ein Video anzuschauen. Denn der Zielort war eines der Geschäfte, die sich als Station für den ersten „Jobwalk“ in Bonn zur Verfügung gestellt hatten, und in dem Video erfuhren die jungen Leute, um welche Berufe es dabei ging. Sie beantworteten Fragen, erhielten dafür wieder Punkte, dann erschien der nächste Zielort.

21 Unternehmen stellen sich vor

Einige Wochen vorher: Hafize Sağlam stellte im „Haus der Braut“ in Endenich ihre Kamera auf. Davor saß Füsün Mack und wartete darauf, dass die Aufnahme begann. Dann erzählte sie von ihrem Beruf als Näherin, von der Vielseitigkeit, der Kreativität, dem Kundenkontakt generell, der Arbeit in ihrem Fall mit den Frauen, deren Hochzeitskleider sie anpasst und davon, dass das durchaus auch ein Beruf für Männer sei. Es entstand einer der Filme, die später beim Jobwalk zu sehen waren. Für diesen konnte Sağlam 21 Unternehmen gewinnen, bei einigen hat sie die Vorstellfilme selbst gedreht, andere haben fertige Videos beigesteuert.

Sağlam organisiert den Jobwalk für die Otto Benecke Stiftung (siehe Infokasten), die das schon erfolgreich in Berlin durchgeführte Projekt nach Bonn geholt hat. In der Hauptstadt wurde es von der BWK BildungsWerk in Kreuzberg GmbH konzipiert und als Projekt der bundesweiten Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration, kurz KAUSA, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es hat eine Laufzeit von 18 Monaten, die im Februar 2022 startete. Neben der Region Bonn/Rhein-Sieg wird es auch in Augsburg noch bis Juli dieses Jahres durchgeführt.

Ziel des Pilotprojektes sei es, „im Freien spielerisch Jugendlichen die Berufsorientierung zu erleichtern“, erklärte Sağlam. Zielgruppe seien vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund, aber interessant sei es für alle. Sie hatte für den ersten Tag 15 Stationen ausgewählt, darunter eine Apotheke, einen Hörakustiker, eine Zahnklinik, einen Friseursalon, einen Brandmeister, die Stadtwerke und andere. Der Beruf des Stuckateurs wurde am Beispiel der Fassade des Alten Rathauses vorgestellt. Dort traf Sağlam die Neuntklässler der Hauptschule auf dem Brüser Berg.

An drei Tagen durch die Innenstadt

Alle drei Klassen der Stufe wurden verteilt auf drei Tage durch die Bonner Innenstadt geschickt, um verschiedene Berufe kennenzulernen, vor allem handwerkliche, aber auch technische, gewerbliche, kaufmännische und medizinische. „Bei den Handwerkern ist immer ein hoher Bedarf an Auszubildenden“, erklärte Sağlam. Von manchen Berufen hatten die Schüler noch nie gehört, sagte sie nach den ersten Durchläufen, etwa vom Hörakustiker oder von Verfahrensmechanikern in den Bereichen Glas- oder Lebensmitteltechnik, und auch mit Stuck konnten sie nichts anfangen. „Das ist alles den jungen Leuten nicht so präsent.“

Und was sagen die jungen Leute? Eine reine Mädchengruppe war beim ersten Jobwalk dabei, die mit ihrer Lehrerin von Station zu Station lief. Drei weitere Gruppen, hauptsächlich mit Jungs, machten den Rundgang eigenständig. Nach den ersten Anlaufstellen hielt sich die Begeisterung für die vorgestellten Berufe noch in Grenzen. Apothekerin, Friseurin, Zahntechnikerin, da waren sie eher skeptisch. Beim Gesundheitszentrum Sankt Johannes an der Kölnstraße ging es um Pflegeberufe. Ibtissam (16) und Sina (16) könnten sich vorstellen, Pflegefachkraft zu werden. „Mir gefällt es, anderen Leuten zu helfen“, so Ibtissam. Das Konzept des Jobwalks fand sie gut. „So kann man Berufe besser kennenlernen.“

Sie mussten die Videos auf dem Smartphone ihrer Lehrerin anschauen – das ist eine Hürde bei diesem Angebot. Man muss sich eine App herunterladen, in irgendeiner Weise mit dem Internet verbunden sein und die Standorterkennung aktivieren – aber viel entscheidender: Man muss ein eigenes Gerät haben, und das trifft auf viele Jugendliche noch nicht zu. Sağlam würde sich wünschen, dass junge Leute künftig auch alleine diesen Jobwalk absolvieren können. Aber bislang muss das organisiert und gruppenweise erfolgen.

Nach den ersten Tagen fiel ihr Fazit positiv aus. Am ersten Tag hatten drei von vier Gruppen die Job-Schnitzeljagd komplett gemacht und auch hohe Punktzahlen gesammelt, nur eine Gruppe habe Probleme gehabt. „Den Schülern hat es Spaß gemacht. Es war einfach mal etwas anderes.“ Sie hofft, dass sich künftig mehr Jugendliche nach der Mittleren Reife für eine Ausbildung entscheiden und nicht unbedingt für die Berufsfachschule.

Demnächst geht das Pilotprojekt mit Schülern der Marie-Kahle-Gesamtschule in der Nordstadt weiter. Und beim Europatag am 6. Mai auf dem Marktplatz wird Sağlam den Jobwalk auch an einem Stand vorstellen.

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