Zwischenbilanz zu einem Aufbauprojekt im Ahrtal Vom Helfer nach der Flut zum Praktikanten

Mainz/Ahrtal · Im Flutgebiet an der Ahr in einen Handwerksberuf hineinschnuppern und beim Wiederaufbau helfen – das ist ein Projekt von Land Rheinland-Pfalz und Handwerkskammer Koblenz. Ein Jahr nach dem Start ziehen die Verantwortlichen Zwischenbilanz.

 Zogen Zwischenbilanz: (von links) Handwerkskammer-Geschäftsführer Ralf Hellrich, Praktikant Marcelino Dickmann, Schreinermeister Janik Nelles, Minister Alexander Schweitzer, Azubi Justin Behrens und Malermeister Marco Mäsgen.

Zogen Zwischenbilanz: (von links) Handwerkskammer-Geschäftsführer Ralf Hellrich, Praktikant Marcelino Dickmann, Schreinermeister Janik Nelles, Minister Alexander Schweitzer, Azubi Justin Behrens und Malermeister Marco Mäsgen.

Foto: HwK Koblenz / Denise Nuß (Abdruck honorarfrei)

Marco Mäsgen ist Malermeister in Oberwinter. Vieles hat er schon versucht, um an gute junge Leute für seinen Betrieb zu kommen. „Wir haben tierische Probleme mit Fachkräften gehabt“, beschreibt Mäsgen seine Situation in den vergangenen Jahren, „haben auch lange nach Auszubildenden gesucht, doch keiner wollte einsteigen. Wir waren fast schon verzweifelt.“ Gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD) sitzt der Malermeister an diesem Freitagmittag im Ministerium in Mainz, um Zwischenbilanz eines Projekts von Land und Handwerkskammer Koblenz zu ziehen, das er als „genial“ bezeichnet.

„Aufbau-Ahr – Freiwillige Aufbauzeit im Ahrtal“ heißt das Projekt, läuft seit einem Jahr und bietet jungen Leuten über Praktika einen Einblick in verschiedene Handwerksberufe, um möglicherweise danach in einem der Berufe eine Ausbildung zu beginnen. Für die Betriebe hat es gleich mehrere Vorteile. Mäsgen nennt zwei: „Wir kommen so relativ einfach an Nachwuchs“ und die Handwerkskammer nehme ihm den bürokratischen Aufwand ab.

19-Jähriger fand über das Programm zum Malerberuf

Justin Behrens ist der hoffnungsvolle Nachwuchs. Der 19-Jährige aus Remagen ist an diesem Freitag auch in Mainz dabei. Ihm hat es bei seiner ersten Praktikumsstelle in Mäsgens Betrieb gleich so gut gefallen, dass er keine weiteren Berufe mehr ausprobiert und dort eine Ausbildung als Maler und Lackierer begonnen hat, wie er bei der Pressekonferenz erzählt.

Schweitzer erzählt von der Idee des Projekts. Es sei klar gewesen, dass beim Wiederaufbau im Ahrtal viel mehr Menschen im Handwerk gebraucht würden. Was habe da nähergelegen, als jenen, die als Helfer im Tal unterwegs gewesen waren oder anderen, die sich noch nicht auf einen Beruf festgelegt hätten die Möglichkeit zu bieten, in Handwerksberufe hinein zu schnuppern? Und weil es gut angelaufen sei, habe man das eigentlich auf ein Jahr konzipierte Projekt bis Ende dieses Jahres verlängert.

24 Teilnehmer hat es nach Ministeriumsangaben bisher gegeben. Insgesamt hätten sie 50 Praktika in den unterschiedlichsten Handwerksbetrieben im Ahrtal oder in Betrieben, die im Ahrtal arbeiten, absolviert. So hätten sie sich etwa als Maurer, Maler, Schreiner, Tischler, Fliesenleger oder Kfz-Mechatroniker ausprobieren können und so erste Erfahrungen im Handwerk sammeln können, stets ergänzt mit einer Qualifizierung auch in Lehrwerkstätten der Handwerkskammer. Insgesamt stellen Land und Handwerkskammer rund 370.000 Euro für das Projekt zur Verfügung. 15 junge Leute haben es inzwischen abgeschlossen. Neben Justin Behrens haben vier weitere davon eine Ausbildung im Handwerk begonnen, sagt Schweitzer. „Die wären sonst nicht ins Handwerk gekommen“, fügt er hinzu.

Ralf Hellrich, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz, will nicht so recht in den Jubel Schweitzers einstimmen. Er nennt die Zahlen „noch nicht so berauschend“ und setzt hinzu: „Wir fluten damit noch nicht den Arbeitsmarkt.“ Aber zugleich spricht er davon, dass das Handwerk um jeden jungen Menschen froh sei, der auch über diesen Weg in diese Arbeitswelt komme. Aber auch für das Ahrtal, „Deutschlands größte Wiederaufbaustelle“, sei das Projekt wichtig. Die eingesetzten jungen Leute seien „die besten Multiplikatoren und Botschafter ihrer Gewerke gerade für andere Jugendliche“, verbunden mit einer Signalwirkung für den Wiederaufbau im Ahrtal, meint Hellrich.

Junger Mann arbeitet jetzt dort, wo er noch im Sommer 2021 Schlamm schippte

Marcelino Dickmann hat eine besondere Geschichte zu seinem Praktikumsbetrieb. An den Tagen nach der Flut hat er mitgeholfen, den Schlamm aus dem Keller der Schreinerei Nelles in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu schippen. Seit Anfang des Jahres ist er dort Praktikant. Das sei mehr durch Zufall herausgekommen, erzählt Janik Nelles aus dem familiengeführten Unternehmen nach der Pressekonferenz. Als der 19-Jährige in den Betrieb gekommen sei, habe er gemeint, hier sei er doch schon einmal zum Helfen gewesen.

Jetzt arbeitet der junge Remagener für vier bis fünf Wochen in der Werkstatt und auf Baustellen mit, will später auch noch einen Lehrgang bei der Handwerkskammer machen und als dritte Station bei Malermeister Mäsgen tätig werden. Vielleicht fängt er ja nach seinen Praktika als Schreiner-Azubi an. Nelles findet das Projekt jedenfalls so gut, dass er in diesem Rahmen demnächst schon die nächste Praktikantin in seinem Unternehmen begrüßen kann.

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