So geht Rheinisch Herr Präsident, die Woosch!

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal ist es: Herr Präsident, die Woosch!

 Herr Präsident, die Wurst!

Herr Präsident, die Wurst!

Foto: GA-Grafik

Manchmal muss man was für die Kultur tun. Vor allem in Zeiten, in denen die wieder so langsam möglich wird. Deshalb befassen wir uns mal mit einem historischen Kapitel, das erfreulicherweise bis in unsere Gegenwart reicht.

Man kann schon sagen, was hier zu beschreiben ist, ist ein zentraler Bestandteil des rheinischen und kölnischen (oder kölschen?) Selbstverständnisses. Wir nähern uns ihm über den schönen rheinischen Ausspruch: „Herr Präsident, die Woosch!“

Wer jetzt nicht weiß, wovon die Rede ist, der muss ein Zugezogener sein und noch dazu einer, der noch nicht vollständig assimiliert ist in puncto rheinischer Heimatverbundenheit. Das ist keine Kritik, sondern eine Aufforderung! Denn es geht um den zentralen Satz aus der Karnevalssitzung des Hänneschentheaters. Die Kurzzusammenfassung für alle, die sich später eingeschaltet haben: In Köln, der Hauptstadt des Rheinlandes, gibt es ein Stockpuppentheater, das in ganz unnachahmlich theatralischer Weise die kölsche Lebensart auf die Bühne bringt. Das ist das Hänneschentheater.

Immer zur fünften Jahreszeit

Und zur fünften Jahreszeit, also zum Karneval, muss es auch eine entsprechende Sitzung geben. Da treten alle fiktiven Hänneschencharaktere auf, aber auch Menschen, die es wirklich gibt und im Karneval eine übergeordnete Bedeutung haben. Deshalb ist es eine Art karnevalistischer Ritterschlag für denjenigen, der dort als Holzpuppe auftaucht.

Der heimliche Star der Aufführung ist allerdings der Speimanes, ein kleiner gedrungener Kerl, der nicht sprechen kann, ohne dabei ein halbes Mettbrötchen und anderthalb Liter Spucke unter die Leute zu bringen. Man kann es diplomatischer sagen: Der Kerl hat eine feuchte Aussprache. Er ist um kein Wort verlegen und legt sich auch gerne mit dem Establishment an. Am Ende ist er es, der dem jeweiligen Redner oder Sänger nach dem Auftritt den Orden verleiht, und zwar — jetzt kommt’s — in Form einer Blutwurst. Und dann ruft er „Herr Präsident.....!“ Und das Publikum antwortet rituell: „Die Woosch.“ Ein Gänsehautmoment!

Der Speimanes und das Publikum

Zuschauer und Speimanes dürfen als eingespieltes Team gelten, ist das spuckende Männlein doch schon seit 1850 mit von der Partie. Hochdeutsch übersetzt heißt der Satz natürlich: Herr Präsident, die Wurst!.

Interessanterweise wurde das Hänneschentheater von dem Bonner Schneider Johann Winters gegründet worden. Das war 1802. Er hat sich über zwei Jahrhunderte gegen viel Konkurrenz durchgesetzt, unter anderem gegen das Puppentheater von Franz Millewitsch, dem Vorfahren des späteren Volksschauspielers Willy Millowitsch, auch wenn es der Kölner an sich es mit der einheitlichen Schreibweise — siehe Nachname — noch nicht so hatte.

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